Stadt Chronik Friedrichroda

Nach Paul Hasert   (1942) 

bearbeitet von F.C. Seebach (1980)                                                                       Textverarbeitung von K.-D. Barth (2019)

Jahres-Berichte der denkwürdigsten Vorgänge aus dem Verwaltungs- und öffentlichen Leben von 1800 bis 1937

der Stadt Friedrichroda.

Zusammengestellt von Paul Hasert auf Grund:

  1. Akten des Archives der Stadt Friedrichroda
  2. Auszüge aus den in einzelnen Berichten angeführten Landbeschreibungen, Reiseführern und dergl.
  3. Auszüge aus der Friedrichrodaer Zeitung
  4. Mündlichen Überlieferungen der Einwohner Friedrichrodas
  5. Eigenen persönlichen Aufzeichnungen und Sammlungen.

Mehr oder weniger wird das lokale Leben jeder kleinsten Ortschaft von den politischen und militärischen Geschehnissen der Außenwelt beeinflusst.

Die nachfolgenden Berichte beginnen mit den Jahre 1800. Die in sich selbst zusammengebrochene französische Revolution führte zu jahrelangen europäischen Verwickelungen, kriegerischen Auseinandersetzungen und brachte dem ______ Volke politische Ideen, die das folgende 19. Jahrhundert beeinflussten und überdauerten.

Diese Ideen spuken auch in den alten Niederschriften unserer Heimatstadt. Die folgenden napoleonischen Kriege mit den unglücklichen Schlachten bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 brachten für Friedrichroda schwere Zeiten militärischer Belastungen und Kontributionsleistungen. Durch den im Oktober 1808 von Napoleon nach Erfurt einberufenen Fürstentag und den damit entstehenden Begleitumständen wollten die militärischen Durchmärsche durch unsere Gegend kein Ende nehmen. Friedrichrodaer Männer befanden sich in den französischen, aber auch in den gegnerischen Reihen. Sie erlebten die Siegeszüge des Korsen, aber auch dessen Niederlage und die Vernichtung der französischen Heere in Russland in Winter des Jahres 1812.

Unsere städtischen Bücher bringen keine Namen dieser Männer, doch unsere Großväter erzählten oftmals von den furchtbaren Erlebnissen ihrer Väter im russischen Winter und während der Drangsalzeit ihrer französischen Militärzeiten. Die folgenden Befreiungskriege brachten erneute lokale Belastungen, die jedoch geduldig ertragen wurden, denn das Volk ersehnte von diesem Kampfe eine Befreiung vom fremden Joche und die endliche Rückkehr zu einem ruhigen und friedlichen Leben. Der ersehnte Friede kam, aber unter dem Einfluss   __________ reaktionärer ________ Erscheinungen folgte ein unerwarteter Zusammenbruch der ursprünglichen deutschen Nationalbewegung. Der einfache Mann aus dem Volke verstand nichts von den Dingen der hohen Politik. Er und seine Mitbürger erwarteten nur geregelte Ordnungen und ein erträgliches Leben. Alle Erwartungen fanden in dieser Hinsicht leider keine Erfüllung. Das Volk wurde unzufrieden, murrte heimlich und öffentlich und damit wurde der Boden vorbereitet für die politische Erhebung der Jahre 1848/48. Wer nach den vorstehenden Ausführungen die folgenden Berichte der Jahre 1800 – 1849 aufmerksam liest, wer dabei auch zwischen den Zeilen das Ungeschriebene zu lesen versteht, der wird sich auch ein Bild machen können von den Zuständen und dem Leben in unserem alten Friedrichroda.

Jahr 1800.

Nach einem Bleichregister sind 210 Bleicher hier tätig. Die Weidegerechtigkeit für Schafe wird noch ausgeübt. Dieselbe wird für 60 Meiß. Thaler an die Einwohnerschaft verpachtet. Von dieser Einnahme zahlt die Stadt 55 Meiß. Thaler Triftgeld an das Amt Reinhardsbrunn und muß außerdem die Wohnung des Schäfers zur Verfügung stellen und baulich erhalten.

Städt.- Jahresrechnung:
 Einnahmen                1806 Thaler. 10 Gr. 6 Pfg.
 Ausgaben                 2475 Thaler. 2 Gr.  6 Pfg.

Jahr 1801.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2136 Thaler.  18 Gr.   4 Pfg.
 Ausgaben                  2136  Thaler  18 Gr.   4 1/2 Pfg.

Jahr 1804.

Der Stadtrat wird vom Amt zum Ankauf des baufälligen, dem Einsturze drohenden Messing’schen Wohnhauses am Hospital aufgefordert. Die Wohnung auf dem Stadttor wird für 5 Fl. vermietet.

Jahr 1805.

185 hiesige Bleicher.

Jahr 1806.

Napoleons Kontinentalsperre vom 21. November brachte für die hiesige Bleicherei einen unerwarteten Aufschwung. Fortgesetzte Einquartierungen französischer, preußischer und gothaischer Truppen. Die Stadt hatte 261 Thlr. 2 Gr. 8 Pfg. Kriegsunkosten.

Jahr 1807.

Französische und preußische Einquartierungen. Es wurden hier gezählt: 109 Einmietlinge (Mietsleute), 180 Handwerker, 12 Krämer, 164 Kühe. Brand des Wohnhauses Justinus Schmidt vor dem Tor. Am 4. September großer Brand der Struth (August Eckardt-Straße) und Marktstraße, wobei 27 Häuser eingeäschert wurden. Der Herzogl.sächs.Goth. Legationsrat Karl Ernst Adolf von Hoff und der Oberconsistorialrat Christian Wilhelm Jacobs schreiben in ihrer zweibändigen Veröffentlichung „Der Thüringer Wald, besonders für Reisende geschildert“ folgendes über Friedrichroda (gekürzter Auszug):

„Thal von Friedrichroda.

Zwischen den Ausgängen des Reinhardsbrunnner und Friedrichröder Thals liegt ein langer schmaler Berg mit vielen Versteinerungen. Er macht hier die erste Erhebung des Thüringer Waldes aus dem flachen Lande, vor ihn liegt das Dörfchen Cumbach (31 Häuser, 127 Einwohner). Am südöstlichen Ende dieses Berges fließt der von Friedrichroda kommende Bach, das Schilfwasser genannt. Den Bach hinauf kommt man zuerst an eine Mühle, dann an die kleine gothaische Stadt Friedrichroda, die in einem ziemlich offenen Thale liegt, eine Viertelstunde von Reinhardsbrunn, welches durch einen unbedeutenden Rücken von Flözsandstein davon getrennt wird. Sie ist ganz mit Fichtenwaldung, weitläufigen Wiesen, auch etwas Ackerfeld umgeben. In 227 Häusern und den außer dem Ort gelegenen, dahin eingepfarrten 6 Mahlmühlen und 1 Papiermühle, leben 1 538 Einwohner und diese nähren sich vorzüglich von Garn- und Leinwandbleichen, Leinewand- und Trillichweberei, dem mit der Weberei und Bleicherei in Verbindung stehenden Handel, von einigen Essigbrauereien und nächst diesem von Holzfällen und Bergbau. (Es folgt nun eine ausführliche und umfangreiche Beschreibung der Bleicherei, die sich später mehrfach wiederholt und deren Wiedergabe sich erübrigt) Allein der Handel mit Bleichwaren und Gar Thale liegt, eine Viertelstunde von Reinhardsbrunn, welches durch einen unbedeutenden Rücken von Flözsandstein davon getrennt wird. Sie ist ganz mit Fichtenwaldung, weitläufigen wiesen, auch etwas Ackerfeld umgeben. In 227 Häusern und den außer dem Ort gelegenen, dahin eingepfarrten 6 Mahlmühlen und 1 Papiermühle, leben 1 538 Einwohner und diese nähren sich vorzüglich von Garn- und Leinwandbleichen, Leinewand- und Trillichweberei, dem mit der Weberei und Bleicherei in Verbindung stehenden Handel, von einigen Essigbrauereien und nächst diesem von Holzfällen und Bergbau. (Es folgt nun eine ausführliche und umfangreiche Beschreibung der Bleicherei, die sich später mehrfach wiederholt und deren Wiedergabe sich erübrigt) Allein der Handel mit Bleichwaren und Garnen ist neuerer Zeit durch die langwierigen Kriegsunruhen sehr gefallen und eine Menge Menschen haben durch diese Stockung ihren Credit und ihre Nahrung verloren.

Der hiesige Bergbau wird vorzüglich auf Eisen und nächst dem auf Kobalt getrieben. Im wolfstieg, einem aus Conglomerate bestehenden, auf Porphyr und Mandelstein aufgesetztem Berge, streichen Gänge, welche Quarz, Schwerspath, braunen Glaskopf, dichten Braunstein führen. Der Gang auf welchem mittels eines Schachtes schon seit sehr frühen Zeiten gebaut wird, soll von Süden nach Norden streichen, mehrenteils ein Lachter mächtig seyn und im Ganzen von der seigern Richtung wenig abweichen. Zur Ablösung der Wasser ist ein Stollen aus der Kesselgraben bis unter den Schacht geführt. Der Bau ist mit einigen und zwanzig Bergleuten belegt und die geförderten Eisenerze werden auf das Schmelzwerk Luisenthal bey Ohrdruf geliefert, wo sie mit anderen minder strengflüssigen Erzgattungen gemischt, verschmolzen werden. Den Wolfstieg gegenüber liegt der Gottlob, ein Porphyrberg, an dem sich das Todtliegende ebenfalls herangezogen hat, auch in ihn brechen Eisenerze auf Gängen und zwar Eisenstein, Braunstein, rother und schwarzer Eisenglimmer, auch Eisenglanz. Man benutzte vormals den grauen Glimmer und Eisenglanz, nachdem sie klar gepocht und von den gröberen Theilen durch Sieben gesondert worden, wie das Wasserbley, zum Abputzen der Öfen und ähnlichen Arbeiten. An der südlichen Seite des Wolfstieges zieht sich ein Seitenthal hinauf, das der Kesselgraben heißt und in welchem sich gleichfalls das Conglomerst an dem das Grundgebirge ausmachenden Porphyr anlegt. Hier findet sich Kobalt – Erze, die man zu verschiedentlichen Zeiten mit ungleichen Eifer aufgesucht und . an auswärtige Blaufarbenwerke überlassen hat. Der Bau ist jedoch stets unbedeutend gewesen und liegt gegenwärtig. Im Hauptthal selbst führt der von Gotha aus über Friedrichroda nach Kleinschmalkalden gehende Fußweg den Bach hinauf, nach der Höhe des Gebirges hinauf. In einiger Entfernung von Friedrichroda liegen zwey Schneidemühlen und zwischen denselben erblickt man am östlichen Abhange des Wolfstieges einen Bruch von den sogenannten Waldplatten, die von den Waldbewohnern dieser Gegend zum Unterschlagen der Gebäude, zu Treppen, auch zu Stegen gebraucht werden. Sie bestehen aus einem Sandstein, theils roth. theils weiß. In einer Seitenschlucht des Regenberges finden sich wilde Felsenparthien und ein artiger kleiner Wasserfall. Auf der Höhe der Kniebreche, ehe der Wieg nach Kleinschmalkalden hinabzufallen anfangt, ist eine ganz vorzügliche Aussicht.“

Jahr 1808.

Preußische und französische Einquartierungen.– 648 Thlr. 17 Gr. 1 Pfg, städtischer Kriegsaufwand für Proviant- und Fourage Lieferungen, Vorspanndienste hiesiger Fuhrleute bei den Franzosen auf ihrem Marsche von Tambach nach Schmalkalden usw.– Die Staat muß an den Chirurg Buschmann 2 Thlr. 8 Gl. Kurkosten bezahlen für Jakob Oschmann aus Finsterbergen, der auf dem Schmalkalderwege von französischen Soldaten mißhandelt wurde.–

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 3276 Thaler.   -   Gr.   5 1/2 Pfg.
 Ausgaben                  3200 Thaler     15 Gr.   2  Pfg.

Jahr 1809.

Brand in der Struth (August Eckardt-Straße).– 9. Januar Abbruch des alten Schäferhauses.–

Jahr 1810.

185 hiesige Bleicher.—

Das von Herzog Ernst II von Sachsen-Gotha-Altenburg im Jahre 1974 auf dem Inselberg erbaute Observatorium wurde zur „Hessischen Hierberge“ erweitert. Nachdem 1866 dieser Teil des Inselberges an Preußen fiel, nannte man das Wirtshaus „Preußischer Hof“.–

Jahr 1811.

Erbauung eines Pirschhauses auf dem Spielberge.– 8. Dezember Brand des Wohnhauses Thilo Gessert neben den Hirtenhaus in der Struth.– Ankauf von 1 Elle grünem Tuch für 1 Thlr. 4 Gr. für eine Fahne, nach derem Aushang am Rathaus alle hiesigen Bürger zu erscheinen hatten zwecks Bekanntgabe herzoglicher Befehle usw.– Es wurden hier 183 Kühe gezählt.– 76 Thlr. 20 Gr. 11 Pfg. Kriegsunkosten und 68 Thlr. 21 Gr. 6 Pfg. Almosenausgaben für Unterstützungen und dergl.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2357 Thaler.  2 Gr.   11 1/2 Pfg.
 Ausgaben                  2677  Thaler  13 Gr.

Jahr 1812.

Im Sommer wurde an jedem Sonntage an der Marienhöhle getanzt, gekegelt und nach der Scheibe geschossen. — 12.Juli Brand auf dem Kalten Markt.– Im Frühjahr militärische Aushebung wehrfähiger Männer durch französische Werber.– Vom Jahre 1810 bis 1812 hatte die Stadt 746 Thlr. 23 Gr. 11 Pfg. Einquartierungsunkosten.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2034 Thaler
 Ausgaben                  1868 Thaler

Jahr 1813.

Bau des Gasthofes Reinhardsbrunn (Herzogl. Schloß-Parkhotel).

Ab Monat Mai mussten täglich 8 Mann beim Festungsbau in Erfurt Schanzarbeiten leisten.– Im Oktober französische-, österreichische- und russische Kosaken Einquartierungen.– Im November und Dezember preußische Einquartierungen.– Im Dezember wurde das Hospital zu einem preußischen Lazarett eingerichtet, wodurch für die Stadt 119 Thlr. 17 Gr. 9 Pfg. Unkosten entstanden.– Die Kriegsausgaben zwangen den Stadtrat zur Aufnahme einer Anleihe von 2000 Thlr. bei dem Geh. Rat von Hardenberg in Altenburg.—

  Kriegsausgaben:   
   727 Thlr.  8 Gr.         für Einquartierungen 
   721 Thlr. 18 Gr. 3 Pf.   für Proviant- Fourage- Lieferungen und desgl.
   73 Thlr  19 Gr. 6 Pf.   Unterstützung an hiesige notleidende Einwohner
 Jahresrechnung:
   Einnahmen                 3125  Thaler 15 Gr.   5 Pfg.
   Ausgaben                  2891  Thaler 19 Gr.   5 Pfg. 

Auszug aus einem Bericht von „Mosch und Ziller“, Seite 152.:

„Die Gerichtsbarkeit über das Wald- und Bergstädtchen Friedrichroda hat das Amt Reinhardsbrunn. Der Rat besteht aus 2 Bürgermeistern, 1 Stadtschreiber, 6 Ratsherren, 12 Zwölfern und 1 Ratscollector  als Gemeindevormund. Die Braugerechtigkeit gehört zur Hälfte dem Stadtrat, zur anderen Hälfte 116 Bürgern. Das Städtchen bewohnen 1513 Menschen in 272 Häusern. Zu den öffentlichen Gebäuden gehören 4 Mahl- und 2 Schneidemühlen, 1 Ölmühle, 1 Ziegelhütte und 1 Kalkofen. Die Häuser der Stadt sind mit 102625 Rthlr. in der Brandkasse versichert. Die Einwohner ernähren sich von der Bleicherei, dem Trillichweben und der Berg- und Waldarbeit. 240 Häuser haben Bleichstätten oder zur Bleicherei passende Rasenflächen. 57 Weber haben 66 Stühle im Gange. Auf jedem Stuhl werden jährlich im Durchschnitt 80 Stück verfertigt. Sodann arbeiten für Friedrichroda noch 130 auswärtige Stühle, die jährlich 10400 Stück wirken. Friedrichroda ist auch der sitz einer Bergknappschaft, die aus etlichen und 20 Bergknappen besteht und einem Bergmeister und Steiger. Ihre Tracht ist ein schwarzer Grubenkittel mit scharlachroten Aufschlägen und gelben Knöpfen, eine rote Weste, gelbe Beinkleider und dreieckigen Hut. Acht Hausbesitzer haben Branntweinbrennerei-Gerechtigkeit. Es leben hier: 1 Arzt, der zugleich Besitzer der Badestuben und Wundarzt ist, 1 Amtsvogt zur Einnahme herrschaftlicher Gefälle, 2 Kaufleute, 4 Seifensieder, 1 Posamentier namens Buschmann, zugleich Erfinder eines Uranions, 15 Metzger, 15 Schneider, 15 Schuhmacher, 5 Maurer, 7 Zimmerleute, 9 Schreiner, 10 Strassenfuhrleute, 2 Schlosser, 4 Glaser, 2 Mühlmeister, 1 Nagelschmied, 1 Töpfer, 5 Tüncher, 50 Weber, 2 Schmiede, 8 Bäcker, 4 Wagner, 8 Böttcher. Auf der westlichen Seite der Stadt steht ein Tor, sonst nirgends. Die hiesige Rindviehzucht gehört zu den besten des Landes. Das Rindvieh betreibt herrschaftliche Waldung und Stadtflur. Vor der Stadt, in einem engen, tiefem Tale, durch welches die Straße nach Schmalkalden führt, liegen zwei Schneidemühlen, die verschiedenen Gewerkschaften gehören. Ehedem stand weiter oben, da wo jetzt auf dem Boden des Amtes Tenneberg die Papiermühle steht, eine dritte Schneidemühle, die seit langer Zeit eingegangen ist. Die Papiermühle und die 3 Häuser des Grundes gehören zum Amt Tenneberg. Im Büchig liegt eine einem Privatmann gehörige Ziegelhütte, die vorher bald Privateigentum bald herrschaftliche Besitzung war. Man brennt hier jährlich gegen 160000 Stück Ziegel, 700 Malter Sparkalk und 200 Malter Lederkalk. Im Wolfstieg streichen Gänge, die dichten Brauneisenstein, braunen Glaskopf, Eisenglimmer, dichtes Grau und Schwarz und erdiges Braunsteinerz und Schwerspat enthalten. und zum Teil seit uralten Zeiten bebaut sind. Der Hauptgang streicht von Süden nach Norden und ist fast ein Lachter mächtig. Auf dem Schachte arbeiten 16 Mann. Die gewonnenen Erze werden nach dem Hammerwerk Louisenthal geschafft und dort verschmolzen. Der bunte Sandstein, in welchem große Brüche nördlich der Stadt angelegt sind hält hie und da Malachit, Cupfergrün und Cupferschwärze. Auf dem Hermannstein, einem Vorberge über Rödichen, stand im Mittelalter die Burg Hermannstein. Bey Heinrich Rapsens Tod, als der Stamm der alten Landgrafen erloschen, gehörte sie Hermann und Heinrich von Ballstädt. Die fielen in ein Gut des Klosters Georgenthal mit Mord und Raub und zogen mit ihrem Raub wieder nach Hermannstein.“

Jahr 1814.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 4276 Thaler.  16 Gr.   6 Pfg.
 Ausgaben                  4421  Thaler   7 Gr.   7 3/4 Pfg

Die Stadt hatte 1963 Thlr. 15 Gr. 6 Pfg. Kriegsunkosten durch mehrfache preußische Einquartierungen und war gezwungen zur Aufnahme einer Anleihe von 2174 Thlr.

Jahr 1815.

187 Bleicher.– Preußen-, Russen- und Gothaer Einquartierungen.—

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 3011 Thaler.   - Gr.    1 Pfg.
 Ausgaben                  2905  Thaler   4 Gr.    6 Pfg.

Jahr 1816.

Bau des Diakonatsgebäudes.– Eine große Teuerung brachte schlimme Notzeiten über die Bevölkerung.

Jahr 1817.

Hiesiger Rindviehbestand: 173 Kühe.– Die Teuerungszeit wurde immer schlimmer, ein Malter Korn kostete über 20 Thaler.– Die Herzogin spendete 53 Thaler für die Armen der Stadt zum Getreideankauf und Brotbacken.—

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2754 Thaler.  16 Gr.   8 1/2 Pfg.
 Ausgaben                  2193 Thaler   23 Gr.   11 1/2 Pfg

Jahr 1818.

Rindviehbestand: 165 Kühe.– Große Feier des „III. Reformations-Jubiläums“ durch kirchliche Feier, Marktfest, Blasen der Musiker vom Kirchturm und Platzmusik. Schmückung der Häuser und öffentlichen Gebäude, Anschaffung und Aufstellung einer Lutherbüste. An die Schulkinder wurden 434 Brezeln, 26 Flaschen Wein und 64 Kannen Bier verteilt.—

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2033 Thaler.  18 Gr.   7 1/2 Pfg.
 Ausgaben                  2193 Thaler   23 Gr.   11 1/2 Pfg

Auszug aus dem Artikel „Die erste Post von Friedrichroda“ von Hans Beck, Friedrichrodaer Zeitung Nr. 12/1929:

„Nach einer Postordnung vom 11. Februar 1817 des Herzogs August zu Sachsen wurde für reitende und fahrende Posten ein Fahrplan eingerichtet. Von den 25 Paragraphen interessiert uns § 1. in dem es heißt „sollen innerhalb des Landes zu Begünstigung des Handels, da wo es füglich geschehen kann, neue Stationen angelegt und in dieser Hinsicht zur Beförderung der Bleichmanufaktur in Friedrichroda nächstens ein Brief-Post Comptoir daselbst eingerichtet werden.“ Die Station sollte am 1. März 1818 in Betrieb genommen werden. Dagegen wurde von der Nachbargemeinde Waltershausen Widerspruch erhoben, welche das Büro dort eingerichtet haben wollte. Auf eine Eingabe der Stadt Friedrichroda an die Ober-Post-Inspektion vom 25. Februar 1818 wurde dem Rat der Stadt Friedrichroda unterm 9. Mai mitgeteilt, danach Rat und Bürgermeister der Stadt Friedrichroda darzutun hätten, „inwiefern dieser Ort wegen seines Gewerbes mehr als ein bedeutender Handelsort Waltershausen zu betrachten sey.“ Die wichtige Sitzung über diese Aufforderung wurde am 1. Pfingsttage, nachmittags 3 Uhr im Ratskeller abgehalten unter Teilnahme des gesamten Stadtrates. Das eingegangene Schreiben der Herzogl. Sächs.Oberpost-Inspektion vom 9. Mai sieht wenig hoffnungsvoll für Friedrichroda aus. Es heißt darin u.a.: „Ob es nun gleich keinem Zweifel zu unterliegen scheinet, daß der Ort Waltershausen, um des willen zur Anlegung der Brief-Post Expedition daselbst vorzuziehen seyn dürfte, weil schon jetzt Sonntags, Mittwochs und Freytags ein Postbote nach Schmalkalden abgehet, welcher die Brief-Pakete nach Schmalkalden, Hersfeld und. Cassel überbringt und dagegen an letzterem Orte die von Cassel, Hersfeld pp. angekommenen Brief-Pakete übernimmt, wodurch von Gotha aus die Correspondenz über Brotterode nach Cassel sehr beschleunigt werden würde, so wünscht jedoch die Herzogl. OberPost-Inspektion von den Justizamte Reinhardsbrunn, vor Fassung einer Entschließung in der Sache zu vernehmen, ob selbiges wirklich die Correspondenz und den Handel zu Friedrichroda für bedeutender hält, als zu Waltershausen?“ Das Herzogl. Justizamt Reinhardsbrunn läßt das Gutachten vom hohen Rat der Stadt Friedrichroda ausarbeiten. Das recht ausführliche Schreiben des Friedrichrodaer Magistrats ist am 15. Mai ausgefertigt und gibt sich die erdenklichste Mühe von der Notwendigkeit des Postbüros für Friedrichroda das Herzogl. Justizamt zu überzeugen. In diesem Schreiben wird nachstehende Begründung gegeben: „Es liegt wohl gar keinem Zweifel mehr ob, daß die hiesige Stadt, wegen ihrer Bleichfabrik die durchaus jeden Einwohner mehr oder weniger beschäftigt, einen bedeutenderen Handel und sonach eine bedeutendere Correspondenz führt als Waltershausen, was, wie sich jeder Unbefangene zu gestehen nicht entbrechen wird, gar nicht als ein Handels-Ort aufgeführt werden pflegt. Denn die Handelsleute dieser Stadt, bestehend aus einigen Materialisten, die von Bremen und Hamburg oder Braunschweig ihre Waren beziehen, und nicht wie die Friedrichröder die Märkte frequentieren, haben auf dieser Route über den Thüringer Wald, zu wenig Correspondenz, als daß solche in Erwähnung gebracht werden könnte. Friedrichroda aber handelt mit Frankreich, der Schweiz, mit den beiderseitigen Rhein-Ländern, mit Schwaben und Baiern, steht in starken Verbindungen mit Bremen und Hamburg, von da aus gebleichte und hier selbst besonders gefertigte Waaren als Twillig und andere linnene Zeuge nach Amerika gehen und treibt einen ebenso starken Verkehr mit Sachsen, dem ganzen östlichen und nördlichen Preußen, wegen der hier am häufigsten und so bedeutenden Quantitäten eingeführten Preußischen langen Garne.“. In dem Schreiben wird weiter nachgewiesen, daß ja der Weg nach Brotterode über Friedrichroda 1 1/2 Stunden näher als über Waltershausen sei, zumal der Weg über den Inselberg oft unzugänglich sei. Das Postamt in Gotha könne aber gleichfalls bestätigen, daß der Postverkehr Friedrichrodas bei weitem den der Nachbarstadt übertreffe, wie denn überhaupt die weitgehenden Verbindungen Friedrichrodas Einfluß auf das Wohl des Landes und dessen Ruhm hätten. Auf Grund dieses Schreibens haben die Ratsherren alsdann eine Besprechung mit dem Herzoglichen Amte in Rathause am 18. Mai gehabt, zu der auch die Handelsvertreter zugezogen waren. Was dabei herausgekommen ist, verrät uns der Ratsschreiber G.F.Held leider nicht, sondern das Aktenstück schließt ganz unvermittelt mit dem Vermerk dieser Besprechung. Alle möglichen Versuche meinerseits, etwas über den Ausgang der strittigen Frage zu erfahren, scheiterten leider. Ein ergänzendes Schriftstück fand ich bisher nicht vor, aber man darf wohl annehmen, daß Friedrichroda in jenen Jahren seine Poststation erhalten hat.

“ Johann Georg Eccarius am 23.8.1818 geb, in Friedrichroda, Generalsekretär der 3. Internationale, gest. im März 1889 in London.“

Jahr 1819.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2179 Thaler   17 Gr.   9 1/2 Pfg.
 Ausgaben                  2246 Thaler    8 Gr.   3 3/4 Pfg.

Jahr 1820.

161 Bleicher, 159 Handwerker, 13 Krämer.– Rindviehbestand: 191 Kühe.– Einspruch des Stadtrats gegen die durch die Reform des Innungswesens geplante Auflösung der hiesigen Innungen.-.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 1742 Thaler.   3 Gr.   9 1/2 Pfg.
 Ausgaben                  1798  Thaler  17 Gr.   7 3/4 Pfg.

Jahr 1821.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 1931 Thaler   9 Gr.   10 2/3 Pfg.
 Ausgaben                  1911 Thaler  18 Gr.    3 3/4 Pfg.

Jahr 1822.

Herzogliches Rescript verkündete Aufhebung der Schaftrift und Erlassung des Triftgeldes.– Bei der Hochzeitsfeier seines Sohnes im Gasthof Reinhardsbrunn am 18. August verstarb der Vater Hedenus plötzlich durch Herzschlag, als er mit der Braut den Tanz eröffnen wollte. Am Fuße des Kiefernkopfes, gegenüber dem Schloß-Parkhotel Reinhardsbrunn, befindet sich noch heute seine Grabstätte mit der Denkmalsinschrift: „Kindliche Lieb in dem Arm umfing ihn die ewige Liebe. Und aus festlichen Reihn trat er ab, ein Seeliger.“—

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 1775 Thaler.   4 Gr.   1 3/4 Pfg.
 Ausgaben                  1735  Thaler   4 Gr.   6 Pfg

Jahr 1823:

Die Stadt zählt: 1458 Einwohner und 270 Wohnhäuser.– 9 Strassenfuhrleute und 14 andere Fuhrleute.– Ausbau der Gothaischen Straße durch den Steinforst.– Am 8. Mei Großfeuer in der Friedrichstraße dem die Häuser vom Friedrichsplatz bis Friedrichstraße 20 zum Opfer fielen. Das Feuer hatte der blödsinnige Sohn Messing angelegt, weil ihm seine Eltern zu einer von ihm beabsichtigten Heirat die Einwilligung versagten.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2632 Thaler.  19 Gr.   - Pfg.
 Ausgaben                  2078  Thaler  16 Gr.   1 1/2 Pfg

Jahr 1824.

38 Friedrichrodaer Männer gründeten eine neue Schützengesellschaft, die dann jahrelang ihre Vogelschießen am Schützenhause am Gottlob abgehalten hat.– Anlegung des Endershöfer Stollen Verlegung des Bergamtes Reinhardsbrunn nach Friedrichroda.—

Jahr 1825.

Beginn mit dem Bau des Schlosses Reinhardsbrunn auf dem Grunde der alten Benediktiner Abtei. (Vollendung des Baues 1844).– Abbruch des alten Pfarrhauses und Bau eine neuen Pfarrhauses.– Abbruch des baufälligen Hospitals vor dem Tore.– 27.3. Brand des Wohnhauses Schmidt am Kalten Markt.– Rindviehbestand: 183 Kühe.—

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 3017 Thaler.  15 Gr.   1 Pfg.
 Ausgaben                  2494  Thaler   4 Gr.   10 1/4 Pfg.

Jahr 1826.

Vereinigung der beiden Herzogtümer Gotha und Coburg.– Es wurden gezählt: 102 Einmietlinge (Hausmieter), 55 Weber, 14 Krämer, 237 Kühe, 143 Ziegen.–

Jahr 1827.

Seit uralten Zeiten benutzten die Friedrichrodaer auf Gängen und Fahrten nach Waltershausen usw. den Weg durch den Kloster-, später Amtshof Reinhardsbrunn. Infolge der Anlegung des Schloßparkes Reinhardsbrunn wurde am 21. Juli alles Reiten, Fahren und Gehen durch den Hof der Schloßvogtei Reinhardsbrunn verboten.– Bau des Schießhauses mit Saal, Nebenräumen und Kegelbahn am Gottlob. Neubau der Adjunktur.– An 20. September Ermordung der in der Hauptstraße wohnhaften Eheleute Johann Georg Scharf und Marie Elisabeth geb. Hellmann.– Gründung einer Armenkasse. –

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 1671 Thaler.  23 Gr.   1 Pfg.
 Ausgaben                  2114  Thaler   6 Gr.   2 1/2 Pfg

Jahr 1828.

Der Gasthof Reinhardsbrunn wurde Herzogliches Domänengut.—

Rindviehbestand: 193 Kühe.—

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 4297 Thaler.  23 Gr.
 Ausgaben                  4420  Thaler  13 Gr.

Jahr 1829.

Einführung einer Rindvieh-Versicherung.– Es wurden gezählt: 1646 Einwohner: 342 Ehemänner und ebenso viele Ehefrauen, 21 Witwen, 64 Witwer, 238 ledige Männer, 272 ledige Frauen, 198 Knaben und 233 Mädchen unter 15 Jahren. Beruflich waren tätig: 170 Bleicher, 50 zünftige Weber, 8 Bäcker, 18 Böttcher, 1 Drechsler, 21 Metzger, 4 Glaser, 6 Maurer, 3 Mühlmeister, 4 Mahlmühlen, 2 Ölmühlen, 1 Papiermühle, 2 Schneidemühlen, 2 Seifensieder, 2 Schlosser, 2 Hufschmiede, 20 Schneider, 26 Schuhmacher, 9 Schreiner, 2 Töpfer, 2 Tüncher, 6 Wagner, 3 Zimmerleute, 1 Arzt, 1 Chirurgus, 5 Materialienhändler, 11 Victulainehändler, 1 Gemeindeschenke, 4 Gasthöfe, 1 Bierbrauer, 4 Essigbrauer, 6 Branntweinbrenner, 2 Kleiber, 1 Ziegelbrenner, 3 Lumpensammler. Der Bergbau beschäftigte: 1 Bergmeister, 1 Einfahrer, 1 Steiger und 23 Bergleute. Bestand an Vieh: 29 Pferde, ( ? ) Kühe, 280 Schweine, 140 Ziegen, 720 Hühner.

Jahr 1830.

Auflösung des Amtes (Amtsvogtei) Reinhardsbrunn und Zuteilung der Stadt Friedrichroda zum Amte Tenneberg.– 26. Juni große Feier „des dreihundert jährigen Jubelfestes der Augsburgischen Konfession“ mit Kirchgang, Musik, Feier im Rathaussaal, Speisung der Ratsherren. Lehrer, Kinder und Armen mit einem Kostenaufwand von 42 Thalern, 23 Groschen und 3 Pfennigen.– Einführung der Gesindebücher und der Leichenschau.– Das Rindvieh wurde von der Seuche „Lungensucht“ befallen.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2098 Thaler.  14 Gr.   9 Pfg.
 Ausgaben                  2386  Thaler  17 Gr.   1 Pfg.

Jahr 1831.

31. Oktober Niederlegung des Friedrichrodaer Stadttores und Bau der Reinhardsbrunnerstraße.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 3297 Thaler.  17 Gr.   10 Pfg.
 Ausgaben                  3688 Thaler    4 Gr.   6 1/2 Pfg

Jahr 1832.

Beendigung des Reinhardsbrunnerstraßenbaues mit 2151 entstandenen Baukosten ohne die geleisteten Frohndieste. Beginn mit dem Straßenbau an der Hermannsburg nach Engelsbach.

Jahr 1833.

Einführung einer Sonntagsschule für Handwerkerlehrlinge.—Michaelis 1833 Einführung der Freien Brauerei.– Eine herzogliche Verfügung vom 29. November ordnet die Neuorganisation des Stadtrates an; die alljährlichen Neuwahlen und der damit verbundene jährliche Wechsel der Stadtratsmitglieder wurden aufgehoben. Es sollen nunmehr auf 3 Jahre gewählt werden: 1 Bürgermeister, 1 Stadtkämmerer, 1 Stadtbauverwalter, 9 Stadtverordnete, 3 Stellvertreter, 1 Stadtschreiber.– In der Streitsache der Stadt gegen den Herzog wegen der Abgrabung der Stadtquelle durch den tiefer liegenden Stollen am wolfstieg wurde ein Gutachten eingeholt (10 Bogen stark) vom Bergmeister Dr. Riede in Ilmenau.– Ausbau der Kirchgasse und Anlegung eines Feldweges nach dem Dachsberg.– Durch Einsturz einer Jahrmarktsbude verunglückte die Anna Elisabeth Ortlepp.–

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 853 Thaler.   8 Gr.   6 1/2 Pfg.
 Ausgaben                  808 Thaler    4 Gr.   9 1/2 Pfg

Jahr 1834.

Friedrichroda zählt 1817 Einwohner und hat 272 Wohnhäuser.– Am 10. Juli beteiligten sich an dem Vogelschießen am Gottlob der Herzog, die Herzogin, die Prinzen Ernst und Albert und die Großfürstin Anna von Rußland.– Am 25. September Abnahme und am 5. Oktober wiederaufsetzung des Kirchturmknopfes.– 2.5. Gründung einer Filial-Sparkasse.– Unter Leitung des Bürgermeisters Kirchner und des Stadtbaumeisters Kirchner Beginn mit dem Bau der Schmalkalderstraße über den Heuberg.– 30. Juli Ankauf des Witzmann’schen Obstgartens am Klosterberg (WilhelmPlatz) zur Anlegung eines neuen Friedhofes.– Viehbestand: 220 Kühe.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 6108 Thaler.   -- Gr.  8 Pfg.
 Ausgaben                  4066 Thaler    19 Gr.  8 Pfg.

Jahr 1835.

An der neuerbauten Reinhardsbrunnerstraße erbaute Schloßkastellan Karl Gote ein Wohnhaus, in dem wenige Jahre später der erste Friedrichrodaer Kurgast Friedrich Perthes wohnte. — 17. April feierliche Einweihung des neuen Friedhofes am Klosterberge (WilhelmPlatz).– 6. Juli Brand durch Blitzeinschlag im Wohnhause Mühlmeister Johannes Barth.—

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2493 Thaler.   4 Gr.   9 Pfg.
 Ausgaben                  2245 Thaler   18 Gr.   9 1/2 Pfg

Jahr 1836.

Erneuerung der Kirchturmuhr. — 1. September Brand der Wohnhäuser Christian Schreiber und Mattheus Hess und am 28. September Brand des Hauses Valentin Merbach.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2300 Thaler.    4 Gr.   9 Pfg.
 Ausgaben                  2181  Thaler  18 Gr.   7 1/2 Pfg.

Auszug aus „Völker H.L.W. Das Thüringer Waldgebirge, nach seinen Physischen, statistischen und topographischen Verhältnissen geschildert. „Ein Wegweiser für Reisende zu den Merkwürdigkeiten des Thüringer Waldes und seiner nächsten Umgebung“

XXIII. Friedrichsroda

Eine kleine Stadt mit 267 Häusern, 1798 Einwohnern, 1 Pfarrkirche, 4 Mahl- , 1 Oel-, 2 Schneide- und 1 Papiermühle , einer Ziegel- und Kalkbrennerei. Die Häuser sind meist klein und von Holz erbaut ; doch finden sich hier auch einige steinerne, hübsche Gebäude ; der größte Theil der Stadt liegt am Hörselbach ; eine Häuserreihe zieht sich vom Rathhause an der Sandsteinanhöhe gegen W. hinauf , wo auch die Kirche steht. Es ist in Friedrichsroda eine Försterei und Unterbergamt und die Stadt hat die Rechte einer Bergstadt, auch 2 Jahrmärkte. Es befinden sich hier mehrere , jedoch nur mittelmäßige Gasthöfe, darunter auch das Rathhaus gehört . Die Hauptnahrungszweige sind außer etwas Ackerbau und Viehzucht und den gewöhnlichen städtischen Handwerken bedeutende Leinwand und Drillichweberei und Bleicherei, vorzüglich leinener Garne , die hier als Haupt- und Nebengewerbe auf circa 200 größeren und kleineren Bleichplätzen betrieben wird ; fast alle Gärten und jedes Rasenfleck in der Nähe von Friedrichsroda ist zu diesem Zwecke benutzt. Auf jeder regelmäßig eingerichteten größeren Bleichstelle befindet sich gemeiniglich ein in die Erde gegrabener und mit Holz an den Seiten ausgefütterter Wasserbehälter, in welchen das Wasser vorzüglich aus dem durch Friedrichsroda fließenden Hörselbach oder Schilfwasser hineingeleitet wird. Wenn der Bleichplatz, wie gewöhnlich, höher als der Bach liegt , so wird entweder das Wasser des Bachs auf höheren Punkten aus dem Bache und nach dem Bleichplatze geleitet ; gewöhnlich aber hat man folgende Vorrichtung. In der Nähe des Bachs ist eine Röhrenfahrt angebracht, an deren oberem Ende ein Kasten sich befindet, in welchen das Wasser mit Schöpfstützen hineingegossen wird, das nun durch die Rohre in den Wasserbehälter auf dem Bleichplatze läuft, welcher , so oft als erforderlich auf diesem Wege mit Wasser gespeiset wird. Aus dem Wasserbassin wird nun die auf der Bleiche liegende Waare entweder mit Wasserschaufeln oder einem Schöpfstutze, zuweilen auch mittelst Gießkannen, begossen . Die beschriebenen Wasserbehätter sind nothwendig , damit man immer reines Wasser in Vorrath habe , wenn etwa das im Bache nach Regengüssen trübe geworden. In Friedrichsroda wird meistens leinenes Garn gebleicht (und zwar jährlich circa 800,000 Stück ). Das rohe Garn wird erst in bloßem Wasser gereinigt , dann mit heißer Aschenlauge gebüket (wozu man die Asche zum Theil aus entfernten Ortschaften herbeiholt) , nun ausgerungen , jedoch so, daß noch etwas Lauge dazwischen bleibt *) und dann auf  dem Bleichplage ausgelegt , indem man zwischen die Garnsträhnen zwei dünne hölzerne Stäbe steckt, und sie damit auseinanderzieht und so auf die Bleiche legt , wo es mehrere Tage bleibt, dann wieder mit Lauge gebückt und wieder an die Sonne auf die Bleiche gebracht wird, und diese Operationen werden so oft (zuweilen 10 – 12 Mal) wiederholt , bis die Waare den gewünschten Grad der Weiße erreicht hat , wozu 5 bis 6 Wochen und darüber erforderlich sind. Vom Frühjahre bis Herbst werden gewöhnlich 3 Bleichen vollendet. Um Michaelis sieht man nur noch wenig Waare auf der Bleiche. Im Frühjahrjahr soll der Bleichprozeß vorzüglich gut, besser als im Herbst von Statten gehen , selbst dann , wenn auch im Frühjahre noch Fröste einfallen. Die fertig gebleichte Waare kommt zuletzt noch in ein Seifenbad. Die rohen Garne werden entweder von den Bleichern angekauft und gebleicht wieder verkauft oder von Eigenthümern hierher geschickt, um für einen gewissen Bleichlohn gebleicht zu werden . In Friedrichsroda werden die dort gebleichten Garne weiter zu Zwirn oder zu Drillich und anderen leinenen Zeuchen verarbeitet. Wegen den Bleichereien werden fast keine Hühner und Gänse unterhalten. Die Friedrichsroder Bleiche steht in großem Rufe und die gute Qualität der Waare wird der vorzüglichen Beschaffenheit des reinen , klaren Gebirgswassers zugeschrieben . Der Friedrichsroder Handel mit Garn , Drillich , Leinewand ist bedeutend ; jährlich sollen 15 – 16000 Stück Drillich , die hier und auswärts verfertigt worden , von Friedrichsroda verschickt werden. Friedrichsroda liegt auf buntem Sandstein , der sich von hier nach Reinhardsbrunn gegen Ernstroda und Engelsbach zieht. Die anstoßenden Berge bestehen aus Porphyr, Totliegenden und Mandelstein, worin Eisensteine und Braunsteingänge streichen, auf welchen Bergbau betrieben wird.“

Völker beschreibt dann im $ 97 u.a. folgende Reiserouten:

“ 1. Kleinschmalkalden Ein ziemlich schlechter Fahrweg, der meist nur von zweiräderigen Karren passiert wird. Bei der Papiermühle steigt die Straße aus dem Grunde am Roten Weg und Steinbühl aufwärts bis zur Wacht. (Der sogenannte alte Rote Weg). Von da zieht die Straße an der Stallwiese vorbei, durchschneidet den Rennstieg und fëllt dann über die Kniebreche nach Kleinschmalkalden herunter.

2.

Brotterode

Die Straße von Friedrichroda nach Brotterode läuft über steile, steinige und hohe Berge und ist nur für zweiräderige Karren gut zu befahren. Sie steigt von Friedrichroda am steilen Wolfstiege aufwärts an den daselbst befindlichen Eisensteingruben vorbei, die mit 20 Bergleuten belegt sind. Der Eisenstein wird in Louisenthal verschmolzen. Unter den Schächten dieses Bergwerkes ist vom Schilfwasser aus ein Stollen getrieben, welcher 80 Lachter tief eindringt. Von Bergwerk geht der Brotteroder weg in die Gegend des Hörselbrunnens (wo die Hörsel entspringt), über den Burgberg und den oberhalb desselben liegenden Wisleber- oder Witzleberstein, auf dem Brandwege zum Fichtenbach über das Gärtchen zum Büchenjohn, der sich nach dem Kesselgraben herunter zieht und auf dessen Höhe man an den Tanzbuchen vorbeikommt. Es ist dies ein Platz, auf welchem vormals große Buchen standen, und um welche die Hirten der Umgegend am Johannistage Tanz hielten. An den Büchenjohn stößt der Siemets-Berg, der sich in den Ungeheueren Grund hinab zieht. Nun kommt die Pfarrwiese zwischen Siemets- und Tenneberg. Die Straße führt von da weiter über den großen Jagdberg und kalte Heiden wo sie den Rennstieg durchschneidet und dann nach Brotterode hinabzieht. Die Friedrichrodaer Straße nach Brotterode zieht meistens über Berge, die mit Laub und Nadelwaldungen bedeckt sind, an der jedoch nur wenig beträchtlich starke Bäume angetroffen werden.“

Nach Völker werden die Gasthöfe des Thüringer Waldes in 5 Klassen eingeteilt und zwar hatten Gasthöfe

  1. Klasse: Liebenstein, Reinhardsbrunn, Schleusingen, Suhl.
  2. Klasse: Altenstein, Georgenthal, Gräfenthal, Oberhof, Ohrdruf, Saalfeld, Schmalkalden, Schwarzburg, Tambach, Wilhelmsthal.

Wirtshäuser 3. Klasse: Benshausen, Blankenburg, Elgersberg, Amt Gehren, Kleintabarz, Königsee, Ruhla, Sonneberg, Steinbach u.a.

Wirtshäuser 4. Klasse: Cabarz, Friedrichroda, Gehlberg, Gera, Gräfenroda, Groß-Tabarz, Kleinschmalkalden u.a.

Die Wirtshäuser 5. Klasse sind zahlreich. Unter ihnen sind manche, die noch eine erträgliche Aufnahme gewähren, während man in anderen beim Übernachten mit einer Streu in der Wirtsstube vorlieb nehmen mußte.

Jahr 1837.

Am 22. Juli kam Friedrich Perthes aus Gotha als erster Kurgast nach Friedrichroda und wohnte in dem Hause des Schloßkastellans Karl Gothe in der Reinhardsbrunner Straße (Nr.13).—

Die sogenannte „Sterbeglocke“ auf dem Kirchturm zersprang und mußte umgegossen werden.– Viehbestand: 165 Kühe.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2477 Thaler.  20 Gr.   9 Pfg.
 Ausgaben                  2060  Thaler   8 Gr.   5 1/2 Pfg

Jahr 1838.

Bau des Heuberghauses an der fertiggestellten Schmalkalder Straße. Das Haus diente ursprünglich nur als Chausseegeldhebestelle. Später wurde dem dort wohnenden Schneider Rost aus Friedrichroda das Amt eines Waldwartes übertragen und die Genehmigung zum Ausschank von alkoholischen Getränken an die vorbeifahrenden Fuhrleute erteilt. — Außer dem Wachhaus am Markte stand auf dem Kalten Markte eine städtische Wachhütte. –

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 5220 Thaler.  16 Gr.   9 Pfg.
 Ausgaben                  5127  Thaler  24 Gr.   4 1/2 Pfg

Jahr 1839.

Am 4. August Brand des Wohnhauses Friedrich Merbach durch Blitzeinschlag. — Viehbestand: 153 Kühe. –

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2163 Thaler.  22 Gr.   9 Pfg.
 Ausgaben                  2159  Thaler   2 Gr.   10 1/2 Pfg

Jahr 1840.

Johann Christian Rauschenberg verkaufte die Gebäude an der Marienhöhle für 2500 Thaler an den Herzog. — Besuch des Königs von Sachsen in Reinhardsbrunn und Einquartierung von 22 Jägern des Gefolges in Friedrichroda. — Ableben des bekannten und allerorts geachteten Schloßkastellans Graf in Reinhardsbrunn. — Im Januar Brand der Schuchardtischen Schneidemühle. — Viehbestand: 154 Kühe. –

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 1820 Thaler.   1 Gr.   -- Pfg.
 Ausgaben                  1755  Thaler   2 Gr.   1 1/2 Pfg

Jahr 1841.

Verleihung des Ehrenbürgerrechtes der Stadt Friedrichroda an Buchhändler Friedrich Perthes. Die von dem Obersteuerkanzlist König in Gotha auf Pergament geschriebene Ehrenbürgerurkunde kostete 6 Thaler und 3 Groschen. — 16. August feierlicher Einzug des Erbprinzen von Sachsen-Coburg-Gotha mit Begrüßungsansprachen, Bau von Ehrenpforten, Abschießen von Kanonenschüssen, Illumination, Musik 9.a.– Anlegung eines Blitzableiters auf dem Kirchturm für 43 Thaler, 15 Groschen, 4 Pfennige. — Viehbestand: 173 Kühe.-. Die Schützengesellschaft zahlt jährlich 6 Thaler, 23 Groschen, 1 Pfennig Pacht an die Stadt für die im Gemeindewald angelegten Schießstände am Schießhaus am Gottlob.–

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 1941 Thaler.  14 Gr.   2 Pfg.
 Ausgaben                  1851  Thaler   7 Gr.   6 Pfg.

Jahr 1842.

Am 26. Juni feierlicher Einzug des neuvermählten Herzogspaares.– Die neuerbaute Schmalkalder-Straße über den Heuberg wurde dem Betrieb übergeben.– Zahlreiche Erkrankungen an den Blattern zwangen zur Vornahme von Schutzimpfungen durch den Amtsphysikus Dr. Richter.– 2.Februar Ableben des langjährigen Stadtschreibers Georg Friedrich Held; Nachfolger wurde am 2. Mai Amtsschreiber J.Köllner, ehemaliger Gehilfe der Herzoglichen Amtsvogtei Reinhardsbrunn.– Bei einem Großfeuer in Tambach wurden 152 Häuser und die Kirche und Schule vernichtet. Für die Abgebrannten wurden in Friedrichroda gesammelt: 25 Reihen Semmeln, 20 Kannen Branntwein, 83 Käse, 23 Würste, 182 Brote, 3 Franzbrote, 22 Pfund Speck, Erbsen, Hirse, Reis, 200 Bund Heu und Stroh und an Geld 21 Thaler, 16 Groschen und 7 Pfennig. Außerdem leisteten die hiesigen Einwohner umfangreiche Hand- und Spanndienste bei der Räumung der Brandstätten. — Viehbestand: 176 Kühe.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 1942 Thaler.  14 Gr.   4 Pfg.
 Ausgaben                  1851 Thaler    6 Gr.   9 1/3 Pfg.

Jahr 1843.

Umfangreiche Kirchturmreparaturen. — Abschaffung der seit uralten Zeiten üblichen „Diensttagbetstunde“ in der Kirche. — Die Stadtverwaltung mußte vom Jahre 1843 bis 1875 jährlich 25 Thlr., 6 Gr. für Kasernenbauten in Gotha beisteuern. — 18. Mai Ableben des ersten Friedrichrodaer Kurgastes und Ehrenbürgers der Stadt Friedrich Perthes. Die Stadt setzte ihm zu Ehren am Pertheswege ein schlichtes Denkmal mit der Inschrift: „Am heiteren Lebensabend wandelte hier dankbar gegen Gott Friedrich Perthes.“

Jahr 1844.

Am 1. Juni Einführung einer neuen Feldordnung. — Bau einer steinernen Brücke über das Schilfwasser am Friedrichsplatz – Beendigung des Schloßneubaues Reinhardsbrunn (Begonnen 1825). — 1. Oktober Niederlassung des Dr.med. Keil aus Tonna in Friedrichroda, der sich später um Friedrichroda sehr verdient machte.

Jahr 1845.

Eine landesherrliche Verfügung verlangt die Umdeckung aller mit Holzschindeln gedeckten Hausdächer mit Ziegeln. Die Anordnung soll bis zum Jahre 1848 überall durchgeführt sein. — In Friedrichroda sind 107 Webstühle im Betriebe. — Das Schiesshaus am Gottlob führt die Bezeichnung „Schützenhof“. — Am 20. August große herzogliche Jagd unter Teilnahme vieler hoher Fürstlichkeiten mit großem Gefolge am Weißenberg. –

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 1941 Thaler.  13 Gr.   9 Pfg.
 Ausgaben                  1851 Thaler    7 Gr.   6 Pfg.

Jahr 1846.

Viehbestand: 165 Kühe

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2165 Thaler.   5 Gr.   2 Pfg.
 Ausgaben                  2086  Thaler   8 Gr.   8 Pfg.

Jahr 1847.

111 Bleicher. — Brand des Hauses Michael Haak.—

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2163 Thaler.   5 Gr.   2 Pfg.
 Ausgaben                  2163  Thaler   5 Gr.   2 Pfg.

Jahr 1848.

Der Herzog ließ an der Ziegelhütte (Marienhöhle) im Büchig die dem Ziegeleibetriebe dienenden Nebengebäude und den Brennofen niederlegen. Das geräumige, 16 Meter lange, zweistöckige Wohnhaus wurde umgebaut und mit seinem Saale im Parterre zu einem Wald – Elysium umgestaltet, in dem herzogliche gesellige Zusammenkünfte und Vergnügungen ungestört stattfinden konnten. — Die Revolution des Jahres 1848 ging auch in Friedrichroda nicht spurlos vorüber. Vom 18. bis 19. März kam es zu aufgeregten Straßentumulten, denen zahlreiche stürmische Bürgerversammlungen folgten. Die Bürgerschaft wählte anstelle eines alteingesessenen Bürgermeisters den revolutionär gesonnenen Professor Buschmann zum Stadtoberhaupt. Unter Leitung des Hirschwirtes Georg Ortlepp wurde eine Bürgergarde, die sogenannten Blusenmänner, gegründet, die am 7. Oktober unter Teilnahme der ganzen Einwohnerschaft auf Kosten der Stadt in der Vorstadt eine große Fahnenweihe abgehalten hat. Die bürgerlichen Unruhen brachten der Stadt am 7. Dezember eine Einquartierung von „Reichstruppen“. In Friedrichroda befanden sich 116 Brauhöfe, das sind Grundstücke, auf denen die Braugerechtigkeit ruhte.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2165 Thaler.   6 Gr.   2 Pfg.
 Ausgaben                  2098  Thaler   8 Gr.   8 Pfg.

Jahr 1849.

Die bürgerlichen Unruhen des Vorjahres nehmen ihren Fortgang. — Die Mißernte des Jahres 1848 mit der folgenden Verteuerung aller Lebensmittel brachte schwere Zeiten für die notleidende Bevölkerung. Mit dem Ende des Jahres hatten sich aber die Gemüter wieder beruhigt. Das Leben nahm wieder seinen alten Gang und von aller Empörung hatten die Friedrichrodaer wenig Nutzen gehabt. Die Stadt zählte 2223 Einwohner und 322 Wohnhäuser. Der Fabeldichter Wilhelm Hey (Verfasser der Otto Speckterschen Fabeln) widmete 1849 als scheidender Kurgast dem Badeort folgende Verse:

"Halb krank noch zogen auf des Arzt's Geheiß
 wir ein in dieses schönen Tales Kreis,
 An milder Waldluft neu uns zu beleben:
 Entfernt von aller Tagesarbeit Last
in freier Wanderung, in froher Rast
 Zur kühnen Berghöh' sehend aufzustreben,
 Und in des Steigens, Schauens, Athmens Lust
 Mit frischer Kraft zu füllen uns're Brust.
So ist's geschehen. Die Zeit ging schnell vorbei.
 wir kehren heim, an Leib und Gesite neu,
 Und denken lange noch in fernen Tagen,
 wie schön es war, wie wohl es uns gethan,
Wenn wir durchschritten dunkle Waldesbahn,
 Wenn wir in dichter Tannen Schatten lagen,
 Wenn von der Berge stiller Herrlichkeit
 Wir niederschauten in die Welt so weit.
Und sollten ohne Dank wir scheiden nun,
 So würden wir uns selbst genug nicht thun,
 Der Baum fragt zwar nicht viel, ob wir ihn loben:
 Der Waldbach rauschet unbekümmert fort,
Es grünt des duft'gen Thales stiller Ort,
 Kühn ragt der Fels, der Bergesgeipfel droben,
 Und hören es in ihrer Schönheit nicht,
 wenn unsre schwache Dankesstimme spricht.
So nehme denn der lieben Menschen Kreis
 Zum Abschied uns'res Herzens Dank und Preis!
 O hört's noch einmal, was für frohe Stunden,
 Welch freien Flug aus trüber Sorgenhaft,
Welch' neuen Mut wir, welche frische Kraft
 In Eurem Thal, durch Eure Gunst gefunden, -
 Nehmt an den Dank, wie wir ihn bringen gern,
 Und bleibt uns freundlich, ob wir nun auch fern!
So walte Gottes Treue über Euch
 Und Euren kleinen waldumkränzten Reich!
 Sei ungetrübter Segen Euch beschieden!
 wie Eure Quellen rinnen rein und klar,
 Wie Eure Berge stehn unwandelbar,
 So steh' Euch Eintracht, Sicherheit und Frieden!
 Und will es Gott, mög's uns so gut ergeh'n,
 Daß über's Jahr wir froh Euch wiederseh'n!

Die revolutionäre Bewegung hatte dem Volke einige Erleichterungen und Verbesserungen gebracht. Wie sich die Dinge aber zukünftig entwickeln würden, das sah schon ein Politiker, der Abgeordnete Walter, voraus, der am 25. September 1849 in der Preußischen Kammer sagte: „Der arme Bauernstand geht, einer weit größeren Abhängigkeit entgegen, die aus der Teilbarkeit des Bodens und der Verschuldung entspringt: der Abhängigkeit von den hypothekarischen Gläubigern. Es bildet sich ein Obereigentumssystem, das viel drückender sein kann als dass der früheren Zeiten, weil ihm die Beimischung der menschlichen Elemente fehlt. Es bildet sich selbst eine neue Art von Frondienst, wenn man auf die Sache und nicht auf die Form sieht.“

So kam es auch tatsächlich. „Das Geschäft ging über Leichen“. Der besitzende und der arbeitende Mensch, sie alle wurden zum Sklaven des liberalistischen ____Großkapitals. Dazu wurden durch die Politik von der Reaktion geführten Bundestage die erworbenen freiheitlichen Verfassungen nach und nach wieder aufgehoben.

Unter dem Druck der kapitalistischen Wirtschaft entwurzelten die Volksmassen. Eine neue Völkerwanderung setzte ein. Menschen wanderten aus nach Nordamerika. Wertvolles Erbgut ging damit dem deutschen Volke verloren. Der Arbeiterstand wurde zum „Proletariat“. ______________ Die von Bebel und Liebknecht im Jahre 1869 gegründete Sozialdemokratische Arbeiterpartei begann Tätigkeit durch den aufkommenden Kapitalismus damit die, Kluft zwischen Staat und Arbeitertum, zwischen nationalem Wollen und linksgerichteten Kreisen. Leidenschaftlich geführte Parlamentkämpfe übten Einfluß aus auf Politik und Volk. In jenen Jahren begann Bismarck mit seinem Kampfe um die Neugestaltung des Reiches. Das seit uralten Zeiten vom Volkes ersehnte Deutsche Reich wurde dem deutschen Volke nicht als ein Geschenk dargebracht. Nach langer Drangsalszeit mußte es zuletzt noch in drei Kriegen mit dem Herzblut seiner Söhne erkämpft und gewonnen werden. Diese politischen und wirtschaftlichen Geschehnisse beeinflußten auch den Gang aller Dinge in Friedrichroda. Die Jahre 1850 bis 1871 brachten wohl einen wirtschaftlichen Aufstieg unserer Stadt, aber es war in Wirklichkeit nur eine Wirtschaftsbesserung für Einzelne, während die große Masse der Einwohnerschaft notleidende Leibeigene der kapitalistischen Wirtschaft waren.

Jahr 1850.

Friedrichroda zählte 2250 Einwohner.– Im Sommer waren 350 Sommergäste anwesend.– Die Thurn- und Taxische Postverwaltung richtete am 1. Juli im Hotel Stern (Hotel Deutscher Hof) eine Postexpeditionstelle ein.– Einrichtung einer fahrenden Personenpostlinie von Waltershausen über Friedrichroda nach Schmalkalden. (Diese Postverbindung hat bis zum Jahre 1862 bestanden)

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 3678 Thaler.  11 Gr.   8 Pfg.
 Ausgaben                  2017  Thaler   6 Gr.   3 1/2 Pfg

Jahr 1851.

Bau des Domänengasthauses (Hotel Gotha) auf dem Inselberg.—

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 4785 Thaler.   2 Gr.   -- Pfg.
 Ausgaben                  2444 Thaler   29 Gr.   8  Pfg.

Jahr 1852.

Der Königl.Preuß. Hof- und Geheime Canzleirat Burchardt aus Magdeburg stiftete zum Andenken an seine verstorbene Gattin der Stadt Friedrichroda ein Legat unter dem Namen „Dorotheestiftung“. Am 20. September wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Friedrichroda ernannt. Auf der Höhe des Reinhardsberges errichtete man zu seiner Ehrung einen einfachen Gedenkstein „die Burchardtsruhe“ und nannte den dortigen Weg „Burchardsweg“. In Friedrichroda bestanden folgende Gasthöfe: Die Henne, Erdmann’s Gasthof (Hotel Lange), Stern (Hotel Deutscher Hof), Hirsch (später Hotel Schauenburg, jetzt Privathaus Hauptstr.32/34), Einhorn (Hotel Wagener).– An der Schweizerstraße erbaute der Rat Wilhelm Sparr das Schweizerhaus (Hotel Herzog Alfred).– Erscheinen der ersten Kurliste mit 362 Kurgästen.– Das zunehmende Bettelunwesen zwang am 11. Januar zur Einführung einer „Armensteuer“.– Am 14. März wurden der Dachstuhl und die Räume des dritten Stockwerkes des Schlosses Reinhardsbrunn durch Feuer vernichtet.– Prachtvolles Sommerwetter zu Weihnachten.– Zur Beseitigung umfangreicher Hochwasserschäden mußte die Stadtverwaltung ein Kapital von 500 Thalern als Anleihe aufnehmen.—

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 4079 Thaler.  18 Gr.   3 1/2 Pfg.
 Ausgaben                  4685  Thaler  25 Gr.   4 Pfg.

Jahr 1853.

364 wahlberechtigte Bürger.– Einführung des Meldezwanges der Kurgäste. Bei Nichtanmeldung wurde der Vermieter mit 1 Thaler bestraft.– 3 Familien wandern nach Amerika aus. Am 22. Januar richtete der Stadtrat an das Herzogliche Justizamt ein Gesuch um Unterstützungen der Auswanderer.– 562 Kurgäste.– Viehbestand: 173 Kühe. —

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 3480 Thaler.  24 Gr.   9 Pfg.
 Ausgaben                  3858  Thaler  29 Gr.   1 Pfg.

Jahr 1854.

Anbringung von Straßenschildern.– 600 Kurgäste.– Ablösung der uralten Abgaben: Geschoßhafer, Geschoß-, Erb- und Triftzinsen.– Für die Gemeinden Friedrichroda, Cabarz und Kleinschmalkalden stellte der Herzog 1000 Thaler für Auswanderer nach Nordamerika zur Verfügung. 21 Personen wanderten nach Amerika aus.—

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 3044 Thaler.   1 Gr.   9 Pfg.
 Ausgaben                  3117  Thaler   2 Gr.   1 Pfg.

In Verlage von J.G.Müller in Gotha erschien 1854 das von Heinrich Schwerdt verfaßte Werk: „Thüringens Bäder nach ihrer Lage, ihren Heilkräften, ihren Einrichtungen und ihren Umgebungen. Wegweiser und Gedenkbuch für Einheimische und Fremde.“ Das 2. Heft behandelt:

„Die Berg- und Badestadt Friedrichrode“

Gekürzter Auszug aus diesem Hefte:

  1. Lage

Fast lediglich durch seine reizende Lage im Schoße des Thüringer Waldes und durch die Traulichkeit seines stillen, einfachen Lebens – die den Großstädtern so wohl tut – hat Friedrichroda seit kurzen Jahren so viele Gäste aus allen Gegenden Deutschlands, vorzugsweise aber aus den Städten Gotha, Erfurt, Magdeburg und Berlin an sich gezogen, daß die Fremdenliste im Jahre 1853 weit über 600 Nummern zählte. Und das sind nicht etwa Gäste, die nur auf flüchtiger Durchreise Friedrichroda berühren: nein! sie lassen’s sich’s Wochen und Monate lang in dem freundlichen Asyl gefallen und kehren erst im Spätherbste, neu gekräftigt in die höheren Kreise der Gesellschaft zurück, denen sie zum großen Theile angehören.

Wenn man die Thüringer Eisenbahn von Gotha oder von Eisenach bis zur Nebenstation Fröttstädt verfolgt, so fährt man von Fröttstädt auf einer Pferdebahn in einer Viertelstunde nach Waltershausen und erreicht Friedrichroda entweder mit der Post, die täglich zur Mittagszeit dahin abgeht, oder mit einen Lohnwagen, den man im Waltershäuser Bahnhof für 20 Sgr. bis 1 Thlr. miethet. Manche fahren wohl auch von Gotha auf einer sehr guten Chaussee direkt nach Friedrichroda (3 Stunden) oder scheuen, wenn sie über Eisenach (5 Stunden) kommen, den Umweg nicht, der über Liebenstein und Brotterode führt. Von Süden her benutzt man gewöhnlich die Post, die von Meiningen (8 Stunden) über Schwallungen und Schmalkalden (4Stunden) täglich durch Friedrichroda fährt.

Die Stadt Friedrichroda liegt unfern der südwestlichen Grenze des Herzogtums Gotha (1342 Fuß über der Meeresfläche) und zwar in einem lustigen Thale. Ein stiller Frieden ist über den Thalgrund ausgegossen und die weißen Linnenwaren, die auf den grünen Rasenteppichen bleichen, heimeln das Auge mit dem Gefühle ländlicher Gemüthlichkeit an. Die benachbarten Berge sind mit Nadelwaldung bestanden. Wenn man von Reinhardsbrunn herüber den niederen Klosterberg überschreitet, der unmittelbar an der Landstraße mit einem freundlichen Felsenkeller geschmückt ist, so liegt die Stadt, mit der Kirche im Vordergrunde, urplötzlich vor den Blicken, indem sie aus der südwestlichen Thalschlucht heraustritt und sich in einer langen Zeile zu beiden Seiten des Baches in den idyllischen Wiesengrund hinabstreckt, der ihren stattlichen Kühen reiche Nahrung liefert. Dieser „Bach“, wie er von der einfachen Sprache des Volkes genannt wird, ist das Schilfwasser, mit dem sich der Hörselbrunnen vereinigt, der zwischen dem Wolfstieg und der Schauenburg entspringt und später – bei dem Dorfe Hörselgau – die „wilde Leina“, in die er sich unterhalb des Dorfes Ernstroda ergießt, mit seinem ursprünglichen Namen tauft und als „Hörsel“ bei dem Dorfe Hörschel in die Werra fällt. Fassen wir die hervorragenden Berge in’s Auge, so zieht sich der stattliche Abtsberg (2170 Fuß hoch) hin, an den sich der erzreiche Wolfstieg und der felsgekrönte Burgberg (Schauenburg 1989 Fuß hoch) anschließen. Dieser mit seinem historisch merkwürdigen Trümmerhaupte und der steile Felsenkegel des Gottlob, von dessen Fuße das reizend gelegene, aber schmucklose Schiebhaus herübergrüßt, bilden das romantische Thor des Schilfwassergrundes. Darüber ragt im Hintergrunde der hohe Regenberg (2275) empor. An den ausgebrannten Vulkan des Gottlob reiht sich der Körnberg (1994) bis zum Dachsberge. Beachten wir die klimatischen Verhältnisse, die durch Friedrichrodas Lage bedingt sind, so stimmen dieselben mit den allgemeinen Witterungscharakter des Thüringer Waldes überein. Die Luft ist rein und gesund, wenn auch die Temperatur öfter wechselt und rauher als im flachen Lande ist. Aus dem Schilfwassergrunde streichen zuweilen heftige Südwestwinde, während das Thal gegen die empfindlichen Ost- und Nord-Winde geschützt ist. Kein Punkt der Umgegend gestattet einen vollständigen Überblick über die Stadt, weil einzelne Häuser tief in die Bergschlucht hineingebaut sind. Fast von allen Seiten gewährt sie jedoch ein neues, immer freundliches Bild. Die im Königlichen Lithographischen Institut in Berlin gedruckten und bei J.G.Müller in Gotha erschienenen Lithographierten Ansichten von Friedrichroda, die der Landschaftsmaler Schack in Gotha und Dr.Polack in Waltershausen gezeichnet haben, sind vom Reinhardsberge unweit des Felsenkellers aufgenommen, weil sich allda die Stadt in ihrer weitesten Ausdehnung dem Auge darstellt und die Bergkegel des Gottlob und der Schauenburg einen charakteristischen Hintergrund bieten. Das Städtchen in seiner ländlichen Einfachheit ist immer schön und weiß das sinnige Gemüth mit tausend Reizen zu fesseln.

  1. Beschreibung.

Friedrichroda ist ein schlichtes Waldstädtchen. Weder das betäubende Geräusch noch die geleckte Kultur der großen Welt hat bis jetzt den Weg dahin gefunden. Die Häuser (322) sind, wenn auch nicht unfreundlich, doch fast durchweg ländlich und schmucklos. Ebenso einfach ist die Kirche, die am Marktplatz steht. An ihr wirken zwei Geistliche. Die städtischen Schulen, in der Nähe des Gotteshauses, werden von vier Lehrern besorgt. Geht man von der Kirche zur Stadt hinein (durch die Herrengasse), so bemerkt man zur rechten Hand die Apotheke. Dieser gegenüber läuft eine Nebengasse, die Struth genannt, gen morgen. Im zweiten Hause derselben – einem der eleganteren des Städtchens – wohnt der Badearzt Dr.Keil. Die Herrengasse stößt auf das mit einen Türmchen gezierte bescheidene Rathaus. Am Rathause teilt sich der Weg in zwei Arme. Beide führen in die Hauptstraße der Stadt, die im Munde des Volkes schlechtweg „das Fleck“, der obere Theil desselben aber „der kalte Markt“ und der untere „das Unterland“ genannt wird. Unter den Häusern zeichnen sich diejenigen aus, die erst in der neueren Zeit erbaut worden sind, nämlich in der Nähe des neuen Friedhofes, nach Reinhardsbrunn hin („vor dem Thore“). Vor allen ragt das „Schweizerhaus“ hervor, welches der Rath Sparr, der sich größten Theils in Italien aufhält, fast lediglich zur Aufnahme von Badegästen in geschmackvollen Stile erbaut hat (1852 – 53). So sticht das Sparr’sche Schweizerhaus- auch durch die Eleganz seiner inneren Einrichtung – gegen die Einfachheit des Friedrichrodaer Badelebens wundersam ab und würde selbst einem größeren Luxusbade eine willkommene Zierde sein. An die Gasthöfe der Stadt „zum Stern“, wo dermalen zugleich die Postexpedition ist, „zur Schauenburg“ ehedem „zum Hirsch“ genannt, „zur Henne“ und „zum Einhorn“, die sämtlich in der Hauptstraße liegen, darf man nur sehr bescheidene Ansprüche mitbringen. Außerhalb der Stadt liegt der freundliche Felsenkeller, der mit seiner schönen Aussicht und mit seiner verdeckten Kegelbahn viele Gäste anlockt. Er gehört als Privateigentum dem Besitzer des Gasthofes „zum Stern“. Auf der entgegengesetzten Seite der Stadt steht am nordöstlichen Fuße des Gottlob das einfache Schießhaus, das leider gar nicht bewohnt ist, sondern nur bei festlichen Gelegenheiten – namentlich beim jährlichen Vogelschießen – benutzt und besucht wird. In der Stadt herrscht, ungeachtet ihres ländlichen Verkehrs, eine wohltuende Reinlichkeit, die schon durch das Hauptgeschäft der Bleicherei bedingt ist. Die Einwohner (2225), deren Zahl sich binnen 100 Jahren fast um 1000 vermehrt hat, sind freundlich und gefällig, schlicht und recht. Obschon im Durchschnitt nicht wohlhabend, wissen sie sich durch ihre mannigfachen Gewerbe und durch ihre fleißige Betriebssamkeit des Lebens Notdurft leidlich zu sichern. Abgesehen von den bedeutenden Summen, welche die fremden Gäste jährlich in Umlauf setzen, besteht die Hauptnahrung des Ortes in den Bleichereien. Seit 50 bis 60 Jahren aber hat durch den Verbrauch der Baumwolle die Garnbleicherei und der damit verbundene Garn- und Linnenhandel bedeutend abgenommen. In der neuesten Zeit scheint sich jedoch das Geschäft wieder heben zu wollen, wozu der Fremdenverkehr wesentlich beitragen mag. Damit hat man nun auch Lohn-Wäscherei verbunden, die bereits viele Familien beschäftigt und gar manche Haushaltungen aus nahen und fernen Städten schicken ihre Leinwand und ihre Wäsche nach Friedrichroda. Der unternehmende Kaufmann A.Wenige hat ein Linnenwebereigeschäft unternommen, dass viele Hände in Tätigkeit setzt. Die vortrefflichen Linnenwaren werden weit versendet. Und welcher Gast mag wohl aus Friedrichroda scheiden, ohne aus der Spielwaren- und Puppenfabrik von Helm und Wellhausen seinen lieben Kleinen ein allerliebstes Püppchen oder irgend ein niedliches Spielwerk mitzunehmen. Außerdem werden in Friedrichroda fast alle Gewerbe betrieben, die das Badebedürfnis erheischt.- Vorzugsweise lieferten in früheren Zeiten die nahen Eisenbergwerke einen reichen Ertrag Indessen ist der Bau derselben kaum noch so lohnend, daß er den darauf verwendeten Aufwand deckt. Deshalb zählt die Bergknappschaft gegenwärtig nur noch 16 Mann, die sich bei festlichen Aufzügen in ihren schwarzen Grubenkitteln mit scharlachroten Aufschlägen und gelben Knöpfen recht stattlich ausnehmen. Die Gruben, die noch im Gange sind, sind theils Privateigentum, theils werden sie auf Staatsrechnung betrieben. Der Wolfstieg ist außerordentlich erzhaltig und liefert die schönsten Glasköpfe, aber der dasige Bau hat fortwährend mit wilden wassern zu kämpfen. Deshalb wird schon seit langen Jahren an einem Stollen (Endersstollen) gegraben, der oberhalb der Stadt am Burgwege mündet und die Wasser abführen soll. An östlichen Abhange des Gottlob wird vorzugsweise Braunstein, am wolfstiege und Sperrweg aber Eisenstein gewonnen. Auch die Holzarbeiten in den nahen Waldungen gewähren vielfache Beschäftigung und, wenn auch mühsamen, doch willkommenen Verdienst, denn das Revier, das zu Friedrichroda gehört, umfaßt über 5000 Acker Flächengehalt. Fast nicht minder erträglich ist die Rindviehzucht, die, neben dem Feld- und Wiesenbau, sehr schwunghaft betrieben wird. An schönen Gärten und Gesellschaftslokalen ist Friedrichroda nicht reich. Unter den ersteren nennen wir den parkähnlich eingerichteten Garten des Kastellan Grothe und den kleinen Blumengarten am Schweizerhause. Unmittelbar daran grenzt der große Gerten des Kaufmanns G.E.Wenige, der mit seinen anmutigen Spaziergängen und mit seinen stillen, aussichtsreichen Ruheplätzen – Dank der Humanität seines Besitzers – den Fremden jeder Zeit geöffnet ist. Der geniale Bodenstedt hat in diesem Garten manches einsame Stündchen seiner Muse gelauscht und geopfert. Unter den Vergnügungslokalen steht der Felsenkeller oben an, während auch die Erdmann’sche Bierwirtschaft und die größeren Räume zur Schauenburg häufig besucht werden. In einem besonderen Zimmer desselben liegen für die Badegäste mehrere Zeitungen auf (z.B. Gothaische Zeitung, Geth.Tageblatt, Dorfzeitung, Berliner Nationalzeitung etc.), die wenigstens bei ungünstiger Witterung einen Kreis neugieriger Leser sammeln. Die Meisten aber begnügen sich damit „Natur zu kneipen“, – wie ein Berliner sich ausdrückte, der in dem schlichten Friedrichroda das Krollsche Etablissement nicht vermißte.

III. Geschichte.

(H.Schwerdt bringt erst längere Ausführungen über die Entstehungs- und weitere Geschichte Friedrichroda, die bereits in anderen Abschnitten unserer Ortsgeschichte geschildert worden sind).

„Friedrichroda gewann seit dem Jahre 1840 eine Bedeutung, an welche die Vorfahren auch in ihren glücklichsten Tagen nicht gedacht hatten. Um diese Zeit war es nämlich, als sich der Buchhändler Friedrich Perthes aus Gotha einige Wochen in Friedrichroda aufhielt. Und er fühlte sich allda so wohl, daß er von Jahr zu Jahr nach Friedrichroda zurückkehrte. Die Bekanntschaft des Ehrenmannes war eine weitverbreitete. Darum folgten viele Familien seinem Beispiele und wählten Friedrichroda zu ihrem Sommeraufenthalte.

An eigentliche Badeanstalten hatte man bis dahin kaum gedacht, bis einige Familien aus Schlesien, die Friedrichroda besuchten, die balsamischen Fichtennadelbäder empfahlen, die anderwärts so heilkräftige Erfolge erzielt hatten und hier umso leichter herzustellen waren, als die benachbarten Fichtenwaldungen das reichste Material dazu lieferten. Und so wurden denn nun die Fichtennadeln verwendet, und der einfache Aufenthalt in Friedrichroda gestaltete sich nach und nach zu einer sehr frequenten Badesaison, wie sie kaum ein anderer Ort des Thüringer Waldes aufzuweisen vermag.“

Es folgen nun seitenlange Erläuterungen über Badeorteinrichtungen und dergl. Diese Ausführungen sind in dem Teil der Ortsgeschichte „Der Kurort Friedrichroda“ erwähnt. Schließen wollen wir die Schwerdt’schen Berichte mit seinem netten Vierzeiler, den er an Schluße seines Buches bringt:

„Ausklang

Der Frühling winkt, ein lieber Bote,

Die ersten Rosen duftend blüh’n:

Drum auf zur Bergstadt Friedrichroda,

In’s frische, freie Waldesgrün!“

Jahr 1855.

Eine Zählung ergab: 2210 Einwohner und 500 Feuerstellen, Viehbestand: 36 Pferde, 261 Kühe.– Der jährliche Ernteertrag der hiesigen Flur betrug: 302 V2 Goth. Malter Getreide, 21600 Körbe oder 5400 Malter Kartoffeln, 12384 Zentner Heu.– 666 Kurgäste.– Große Teuerung aller Nahrungsmittel, deshalb Errichtung einer Suppenanstalt für Notleidende.– Die herzogliche Kammer beschloß den Verkauf des Eisenschmelzwerkes Luisenthal und die Stillegung der hiesigen herrschaftlichen Gruben „Bau auf Gott“ an Wolfstieg und „Trau auf Gott“ am Sperrwege. Die Gruben wurden noch einige Jahre von Privatunternehmern betrieben.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2836 Thaler.   1 Gr.   6 1/2 Pfg.
 Ausgaben                  2978  Thaler  20 Gr.   6 Pfg.

Jahr 1856.

672 Kurgäste.– Der Bierbrauer Eckardt aus Langensalza kaufte den Gasthof „zum Stern“ in der Hauptstraße und den auf den Klosterberge stehenden „Felsenkeller“. Beide Gaststätten gehörten bisher dem Gastwirt Rühl. An den Felsenkeller befand sich nur eine Kegelbahn. Eckardt baute in den folgenden Jahren ein Stück nach dem anderen an, zuerst ein Billardzimmer, dann einen Saal, dann ein Lesezimmer, bis sich schließlich daraus das Kurhaus Friedrichroda entwickelte. (Siehe Jahre 1879 und 1898).—

Städtisches Verbot des Befahrens der Promenadenwege am Gottlob mit Schiebekarren.– Einführung der Zwangsimpfung gegen die hier verbreiteten Blattern.– Arbeitslose Friedrichrodaer sollten untergebracht werden in der Zuckerfabrik Halle/Saale.– 92 Personen wanderten nach Amerika aus. Der Stadt entstanden dadurch 47 Thlr. 3 Gr. und 6 42 Pfg. Unkosten, die zur Hälfte vom Herzog und Staat übernommen wurden.– Brand eines Hauses in der Struth (August Eckardt-Straße).–

Jahr 1857.

689 Kurgäste.– 153 Bleicher.– Bau des ersten Hauses in der Neustadt (Engelsbacherstraße 1). .– Anlegung eines Promenadenweges nach den Gemeindefelsen am Gottlob.– 6 Auswanderer nach Amerika.– 109 Sterbefälle infolge „epidemischen Nervenfieber“.– Sommerliche Wärme zu Weihnachten.– Viehbestand: 169 Kühe.—

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 2881 Thaler.   1 Gr.   1 Pfg.
 Ausgaben                  2735  Thaler  21 Gr.   7 Pfg.

Jahr 1858.

798 Kurgäste.– Die schriftliche Anmeldung der Sommerfremden mußte enthalten: Ankunft, Abreise, Name, Alter, Stand, Wohnort, hiesige Wohnung. Zuwiderhandlungen wurden bestraft mit 15 Thalern Geldstrafe oder 1 Tag und 1 Nacht Gefängnishaft.– Eröffnung der vergrößerten Badeanstalt Besler (Haus „Körnbergquelle“, Untere Bachstraße 10).– Gründung eines Fremdencomite’s (Später Kurverwaltung).– 11 Neubauten.– Abbruch der alten Kirche und der uralten Klostermühle in Reinhardsbrunn.– 3 Auswanderer nach Amerika.– Anlegung eines neuen Friedhofes am Schlossweg.—

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 4781 Thaler.  25 Gr.   1 1/2 Pfg.
 Ausgaben                  4773 Thaler    7 Gr.   4 1/2 Pfg

Jahr 1859.

761 Kurgäste.– 7 Neubauten.– Verkauf und Abbruch des Schießhauses an Gottlob.– Bau der Klostermühle zwischen Reinhardsbrunn und Schnepfenthal.– Am 1. Oktober Aufhebung der Reihenbrauerei und Braugerechtigkeit durch Herzogl. Landesgesetz vom 17. Juni 1859.– Für Brandgeschädigte in Ohrdruf werden hier 19 Thlr. 4 Gr. 7 Pfg. gesammelt.–

Jahr 1860.

1064 Kurgäste.– Erweiterter Umbau des Felsenkellers zu einem Kurhaus.– 13 Neubauten.–

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 4686 Thaler.  20 Gr.   6 Pfg.
 Ausgaben                  4637  Thaler  20 Gr.   3 Pfg.

Jahr 1861.

1080 Kurgäste.– 7 Neubauten.– Verkauf des Städtischen Brauhauses in der Bachstraße und des Städtischen Malzhauses in der Hauptstraße.—

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 4645 Thaler.  24 Gr.   1/2 Pfg.
 Ausgaben                  4366  Thaler  21 Gr.   4 1/2 Pfg

Jahr 1862.

1189 Kurgäste.– Auswanderung einer Familie nach Amerika.– Ablösung der uralten Abgaben: Beichtgeld und einer Abgabe von jährlich 13 Klafter Tannenscheitholz und 10 Klafter Buchenholz an den Stadtrat für eine Abfindungssumme von 1300 Thalern.– Einrichtung einer Personenpost von Gotha nach Schmalkalden mit Pferdewechsel in Friedrichroda.– Viehbestand: 155 Kühe.– Brand der Klostermühle, —

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 5375 Thaler.  27 Gr.   8 1/2 Pfg.
 Ausgaben                  4858 Thaler   18 Gr.   9 Pfg.

Jahr 1863.

1421 Kurgäste.– 14 Neubauten.– 9. April Anstellung des späteren Bürgermeisters Julius Schönau als Stadtschreiber.– 19. Juli Ortsstatut betr. Bürgergeld der Heimatberechtigten.5. Dezember: Die Forstorte Steingraben, Reinhardsberg und Schwarzbach wurden dem Heimatbezirk Friedrichroda einverleibt. Auf Befehl Herzog Ernst II. wurde das im Jahre 1848 eingerichtete Wald-Elysium auf der Ziegelhütte im Büchig (Marienhöhle) geräumt und abgebrochen.– Gründung des Männergesangvereins.—

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 4270 Thaler.  14 Gr.   7 Pfg.
 Ausgaben                  3993 Thaler   -- Gr.   7 Pfg.

Jahr 1864.

1676 Kurgäste.– 11 Neubauten.– Am 7. Januar wurde Pfarrer Haupt zum Ehrenbürger der Stadt ernannt.– Bau der ersten Villa am Herzogsweg.– Bau der Steinbrücke am Spenglersborn. Der Steinbruch am Schießhöhlchen (jetzt Bergtheater) war 1864 noch im Betriebe.– Versuchte Einführung von Wochenmärkten.– Ortsstatute: Forenserabgabe, Schutzgeld, Auswärtiges Bürgergeschoß.—

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 8701 Thaler.   5 Gr.   2 Pfg.
 Ausgaben                  7691 Thaler   15 Gr.   5 Pfg.

Jahr 1865.

1607 Kurgäste.- Anlage einer neuen Brunnenleitung durch Fassung des Goldbrunnens und Weiterleitung bis zur Schweizerstrasse und Reinhardsbrunnerstrasse… Am 23. Oktober beschloss der Stadtrat den Bau einer neuen Schule an der heutigen Lindenstraße. 3. August Ortsstatut: Schutzgeld der Schutzgenossen. 20. Januar Brand des Wohnhauses Töpfer Johann Georg Mart und im November Brand des Hauses Heinrich Merbach am Schlag ( Ecke Lindenstraße – Struthgasse). Der ledige Johannes Haak wurde von einem Baume erschlagen und der Maurermeister Johann Michael Faulstich stürzte tödlich von einem Hausdache herab.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 5524 Thaler.   7 Gr.   -- Pfg.
 Ausgaben                  4466  Thaler  19 Gr.   8 1/2 Pfg.

Jahr 1866.

1273 Kurgäste.– 4 Neubauten . — vom 20. Juni bis zum 1. Juli befand sich die Einwohnerschaft in ständiger Aufregung wegen dem erwarteten Durchmarsch der Hannoveraner und bayrischen Truppen… am 1. Juli Einquartierung einer Kompanie des Westfälischen Infantrie Regimentes 53. Indirekt wurden die Bürger vom Kriege betroffen durch die frühzeitige Abreise der Kurgäste, dem Aufhören der Fabrik- und Wäschereiarbeit. 23. September Feier des Friedensfestes. Am Feldzuge nahmen aus Friedrichroda teil : 3 Ehemänner und 15 ledige Männer.– Beginn mit dem Schulneubau an der Lindenstraße.

Jahr 1867.

1821 Kurgäste. Am 4. Juli Ernennung des Geh. Rat Dr. Klapproth aus Berlin zum Ehrenbürger. — Neubau des Hotels Herzog Ernst am Herzogsweg. Anlegung des Philosophenweges am Körnberg.-. Die Thurn- und Taxische Post ging in Königl. Preussische Verwaltung über und das hiesige Amt wurde Postexpedition I.Klasse… Am 7. Januar Brand des Wohnhauses Herdan ( Burgstrasse 5).– 4 Familien wanderten nach Amerika aus.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 11 435 Thaler.  9 Gr.   1 Pfg.
 Ausgaben                   9 775 Thaler  88 Gr.   2 Pfg.

Jahr 1868.

2 083 Kurgäste.– Am 20.Mai Einweihung der neuerbauten Schule an der Lindenstraße

Der Herzog bewilligte 100 Thaler zum Bau der Lindenstraße heutigen die von der Kirche bis zur heutigen Bahnhofstrasse mit der Bedingung, dass der Strassenbau bis Ende Juli 1869 beendet wurde.– Anlegung des Seebachweges nach dem Spiessberg.– 1.Mai Eröffnung des Telegraphenbureaus und Einrichtung einer Personenpostverbindung Friedrichroda – Georgenthal – Ohrdruf.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 9 967 Thaler.  24 Gr.   7 1/2Pfg.
 Ausgaben                  7 308  Thaler   6 Gr.   4 1/2 Pfg

Jahr 1869.

4 Neubauten am Herzogsweg .– Ablösung einer veralteten Abgabe, der sogen. „Weihfasten“. — Erster katholischer Gottesdienst in Friedrichroda. — Gründung des Militärvereins.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 10 517 Thaler
 Ausgaben                   6 833 Thaler

Jahr 1870.

2 294 Kurgäste. — Umwandlung der bestehenden „Fremdenkommission“ in „Bade – Comitee „. — 2.Mai Eröffnung der Kleinkinderbewahranstalt mit 20 Kinder im Hause Teichgasse 1.– Die Stadt zahlte 41 Thaler Beisteuer für durch den Krieg geschädigte Gemeinden der Rheinprovinz. Der Stadtrat verwilligte 25 Thaler zum Ankauf von Wolljacken für die im Felde stehenden Friedrichrodaer. — 16. Oktober Ableben des um Friedrichroda sehr verdienten Bürgermeister emer. Kirchner.- 2 Personen verunglückten tödlich beim Tannenzapfensteigen.– Brand des Hauses Johannes Schröder.– Kalter Winter.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 5 561 Thaler  21 Gr.   8 Pfg.
 Ausgaben                  4 428 Thaler   8 Gr.   8 Pfg.

Jahr 1871.

2 901 Kurgäste. – 2 531 Einwohner. — 5 Neubauten. — Umfangreiche Umbauten des Rathauses.– Die mit Wald bestandenen städtischen Grundstücke am Dachsberge wurden gerodet und zu Wiesen kultiviert.- . Am 18. Juni Friedensfest und am 18. Oktober grosse Feier für die heimgekehrten Krieger mit Festzug der Soldaten mit Musik zur Kirche, anschliessend ein Festessen, dabei Überreichung eines Bierglases mit Widmung und Auszahlung von 50 Thalern zu aller freien Verwendung. Am Kriege nahmen 33 Friedrichrodaer teil, Verwundet wurden 4, gefangen genommen 1, gefallen ist keiner.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 7 566 Thaler  20 Gr.   2 Pfg.
 Ausgaben                  6 884 Thaler  23 Gr.   5 Pfg.

Mit der Gründung des deutschen Kaiserreiches war ein uralter deutscher Traum zur Wirklichkeit geworden. Das deutsche Volk ersehnte und erwartete nunmehr eine bessere und glänzende Zukunft. Das deutsche Kaiserreich bestand zwar immer noch aus mehreren Einzelstaaten, die ab und zu immer wieder besondere Eigenwünsche hatten, aber die alten verkehrshinderlichen Zollgrenzen jedes einzelnen Landes innerhalb des Reiches waren gefallen. Sie hatten seit Jahrhunderten jede fortschrittliche Entwicklung hemmend beeinflusst. Handel und Verkehr nahmen jetzt einen ungeahnten Aufschwung. Die errichte Freizügigkeit ermöglichte ungehindertes Reisen und wirkte sich auch auf den Fremdenverkehr in Friedrichroda günstig aus. Freilich waren die kommenden Leute nicht mehr die gemütlichen Kurgäste früherer Jahre, die sich mit den einfachsten Verhältnissen begnügten. Die jetzigen Kurgäste stellten Ansprüche an Unterkunft und Kurleben. Sie kamen nicht nur zur Erholung nach Friedrichroda, sondern suchten hier Unterhaltung und Vergnügen. Stadt- und Kurverwaltung, sowie die interessierten Kreise der Einwohnerschaft mussten sich umstellen und den gestellten Anforderungen Rechnung tragen. Die fernere Existenz des Kurortes Friedrichroda zwang zu kostspieligen Massnahmen. Leider fanden sehr oft die verausgabten Geldmittel durch die Sommereinnahmen keine Deckung. Es folgte sehr bald eine beginnende und mit den Jahren immer umfangreichere allgemeine Verschuldung der Bürger. Äusserlich bekam der Kurort Friedrichroda einen glänzenden Anstrich, aber innerlich ließ vieles zu wünschen übrig.

Friedrichroda war in dieser Hinsicht kein Ausnahmefall, denn auf gleiche Art und Weise entwickelten sich viele Dinge im neuen deutschen Kaiserreiche. Partikularismus und Dynastien, Parlamentarismus und Parteien mit ihren ewigen gegenseitigen Fehden und eigensüchtigen Auseinandersetzungen,

Der Kanzler Fürst Bismarck konnte in verwickelten politischen Kämpfen die Verhältnisse noch einigermaßen meistern, aber nach seinem Abgange wurde der jugendliche und selbstherrliche Kaiser Wilhelm II. niemals Herr der Lage und so trug dieses äusserlich glänzende deutsche Kaiserreich bereits in seinen Aufstiegjahren den Todeskeim in sich, der zu einem unheilvollen Ende führen musste.

Jahr 1872.

3 245 Kurgäste. – 11 Neubauten, – Bau des ersten Hauses am Harksweg. Verbreiterung der Freibothsgasse ( Burgstrasse ) — 21.4. Feier des 100 Geburtstages Friedrich Perthes. — 7 Familien wanderten nach Amerika aus.-. Das Bade Comitee zahlte an die Stadtkasse zur Verschönerung der Stadt 810 Thaler 12 Groschen 2 Pfennige.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 9 400 Thaler  18 Gr.   9 Pfg.
 Ausgaben                  8 520 Thaler  20 Gr.   5 Pfg.

Jahr 1873.

3 072 Kurgäste. — 12 Neubauten.- Umfangreiche Reparaturarbeiten an der Westseite des Kirchturmes. — Für die Anlage eines neuen Friedhofes wurde Gelände vorgeschlagen am Gothaer Weg, an der Hermannsburg, am Schwarzbach und beim Bahnhof Reinhardsbrunn. Am 24. August beschloss der Stadtrat die Anlage des neuen Friedhofes an unteren Melketal beim Hirtenlande. – Neuorganisation der Feuerwehr.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 11 221 Thaler  21 Gr.   5 1/2 Pfg.
 Ausgaben                   6 338 Thaler   6 Gr.   8 Pfg

Jahr 1874.

3 075 Kurgäste. — 1 068 Thaler Kurtaxe. — 12 Neubauten. – Schulanbau mit 4 Klassenzimmern — Bau eines eigenen Gebäudes für die Kleinkinderbewahranstalt für 3 600 Thaler ( Teichgasse 1). — Ernennung des Herzogl. Staatsministers Freiherr von Seebach zum Ehrenbürger der Stadt Friedrichroda. — 16.August Einweihung der neue erbauten Schlosskirche in Reinhardsbrunn. — Erste Anlegung von Bürgersteigen in der Hauptstraße. — Ankauf von 5 Acker Land zum Friedhof am Melketal.- Am 23. Dezember wurde das heutige Bergtheater noch als Steinbruch verpachtet. — Am 2.September großes Kinderfest der Schulkinder. — Am 26.3eptember verunglückte der Fuhrmann August Blumentritt am Burgweg tödlich.

Jahresrechnung:
 Einnahmen                 17 368 Thaler  27 Gr.   7 Pfg.
 Ausgaben                  15 035 Thaler   9 Gr.   6 Pfg.

Jahr 1875.

3 426 Kurgäste.- 6 Neubauten. — Der Stadtrat verwilligte 200 Thaler zur Aufstellung von Straßenlaternen. Damit begann die erste städtische Straßenbeleuchtung, die aber nur im Sommer in Funktion treten sollte, denn eine Beleuchtung im Winter würde zu grosse Unkosten verursachen.– Ein am 23. Januar in * der Friedrichrodaer Stadt- und Landpost“ erschienener Aufruf führte am 25.Januar zur Gründung des „Verschönerungsvereines „, dem bereits bei der Gründung 100 Mitglieder beitraten. Einer der ersten Pläne des Vereines war der geplante Bau eines Gasthofes mit Aussichtsturm auf der Höhe des Gottlob. Entwürfe wurden später angefertigt, der Stadtrat gab dazu seine Zustimmung, aber die Pläne sind nicht zur Ausführung gekommen. — 15. November Einweihung des neuen Schulanbaues (Lindenstraße). — In der zweiten Septemberhälfte Arbeitstagung der Minister der Thüringischen Staaten in Friedrichroda.

Jahr 1876.

3 728 Kurgäste.- Ortsstatut: Einführung einer Mietsteuer auf die von Kurgästen vereinnahmten Miete.- 2.Juli Verkehrseröffnung der neuerbauten Eisenbahnstrecke Waltershausen bis Reinhardsbrunn. Der mit Blumen geschmückte erste Eisenbahnzug traf, mit einem Musiktusch begrüßt, 9.02 Uhr in Reinhardsbrunn ein. — Schließung des Friedhofes am Schlossweg. Am 10. März Einweihung des neuen Friedhofes am Melketal (Max Küstner Straße). Ankauf eines Leichenwagens in Eisenach für 1.063.-M ( Der erste Leichenwagen in Friedrichroda). – 1. Januar Einführung des Standesamtes.– Bei einem Großfeuer auf dem Kalten Markte wurden am 28. April 4 Wohnhäuser vernichtet.–

Jahresrechnung:  Die Jahresrechnung wurde zum ersten Male nach der im Deutschen Reiche eingeführten Markwährung aufgestellt. 
 Einnahmen                 51 926 M
 Ausgaben                  47 356 M

Jahr 1877.

3 951 Kurgäste.- Bade-Comitee zahlte 1.632,45 M zur Ortsverschönerung an die Stadtkasse. — 17 Neubauten.– Bau der Reinhardsbrunnerstrasse von der Seebachbrücke, am Thür. Waldheim ( Reinhardsbrunnerstrasse Nr.15/17 vorbei nach dem Bahnhof Reinhardsbrunn .– Auf Anordnung des Landratsamtes soll die Schwemme auf dem Herzog Ernstplatz zugefüllt werden. Der Stadtrat erhob gegen diese Verfügung Einspruch, da das Wasser als Reservoir bei Feuersbrünsten benötigt werde.- Brand von zwei Häusern am Friedrichsplatz Ecke Köhlergasse.—

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 35 900,11 M
 Ausgaben                  25 586,54 M

Jahr 1878.

3 848 Kurgäste.– Einführung einer Kurtaxe, von der jährlich 1/6 zur Ortsverschönerung an die Stadtkasse abgeführt werden musste.- Gründung der Badekapelle unter der Direktion des Kapellmeisters Hey aus Gotha. Vergrößerung des Kurhauses.– 11 Neubauten.– Abbruch des alten städtischen Malzhauses in der Hauptstraße zwischen Hotel Deutscher Hof (Hauptstraße Nr.4) und Hotel . Central( Hauptstraße 2).–Zufüllung der Schwemme auf dem Herzog Ernst-Platz.– Am 23. Juli schlug der Blitz bei einem schweren Gewitter in das Wohnhaus des Schreinermeisters Jakob Hellmann und zündete. Am 26. November Brand des Wohnhauses des Korbmachers Frank in der Köhlergasse. Tödlicher Unfall eines Friedrichrodaer Mannes beim Steigen der Tannenzapfen am Körnberge.—

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 46 805,96 M
 Ausgaben                  40 851,56 M

Jahr 1879.

4 290 Kurgäste.- Durch umfangreiche Anbauten hatte der Gastwirt Eckardt die Restauration zum Felgenkeller vergrößert und schuf damit das erste Friedrichrodaer Kurhaus. Am 8. Juli fand eine festliche Eröffnungsfeier im neuen Kurhaussaale statt. — 27. August Einweihung der neuerbauten Seebachbrücke. — Schaffung einer Anlage auf dem Herzog Ernst-Platz. Anschaffung des ersten Sprengwagens.– Überlassung der Spiessbergquelle für die Friedrichrodaer Wasserleitung.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 35 062,98 M
 Ausgaben                  34 850,-- M

Jahr 1880

5 020 Kurgäste. — 3 347 Einwohner, 780 Haushaltungen, 552 bewohnte Gebäude. — 7 Neubauten.– Hofgärtner Heynhold wurde zum Ehrenbürger der Stadt Friedrichroda ernannt.– Anstellung von 2 Schutzleuten für eine tägliche Vergütung von 2.- M. -9.Februar Großfeuer auf dem kalten Markte, wobei 7 Wohnhäuser und die Nebengebäude durch Feuer vernichtet und 17 Familien obdachlos wurden. 24. November Brand im Hause Leitner in der Hauptstraße und am 9. Dezember Brand im Hotel Gruner( Hotel Lanz, Burgstrasse 15). Gründung eines Schweineversicherungsvereing.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 39 150,89 M
 Ausgaben                  36 215,48 M

Jahr 1881.

5 523 Kurgäste.- Die vielen Neubauten der letzten Jahre erforderten eine neue Nummerierung der Hausgrundstücke. Die Durchnumnerierung erfolgte jedoch nicht in jeder Straße mit einer Nummernreihe für sich, sondern die Stadt wurde zu diesem Zwecke in vier Bezirke eingeteilt und jeder Bezirk wurde fortlaufend durchnummeriert.- Der Stadtrat beschloss die Anschaffung einer neuen Kirchturmuhr mit einem Zifferblatt für 1300 M. Die Kosten übernahmen Stadt und Kirche je zur Hälfte.- Die Stadt kaufte das Barth’sche Wohnhaus an der Kirchhofmauer. Gründung einer höheren Privatschule für Mädchen.-         2 Familien wanderten nach Amerika aus.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 39 933,85 M
 Ausgaben                  37 734,01 M

Jahr 1882.

5 259 Kurgäste. Das Bade-Comitee veranstaltet das erste Kinderfest für Kinder der Kurgäste auf der Bergwerkshalde am Burgweg.- Herstellung einer neuen Kirchturmuhr mit Nachschlag. — Am 3.Mai war die gesetzliche Ruhezeit von 31 Jahren des Friedhofes am Klosterberge (Wilhelmsplatz) abgelaufen. Der Friedhof sollte zu Bauplätzen verkauft werden. Auf Grund eines ärztlichen Gutachtens des Kreisphysikus Dr.Lübben untersagte das Landratsamt laut Schreiben vom 20.November 1882 die geplante Bebauung des Geländes. Der Stadtrat wollte den Friedhof nunmehr auf eine andere Art nutzbar machen, vielleicht durch Anlegung eines Obstgartens, aber auch das ist unterblieben durch die spätere Anlegung des Keilsplatzes ( Wilhelmsplatz)..

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 43 028,77 Mk
 Ausgaben                  32 098,07 Mk

Das Bade Comitee zahlte 1/6 der Kurtaxe = 1753,20 M an die Stadtkasse.

Jahr 1883.

5 820 Kurgäste.- Anlegung der Keilspromenade.- Bau des ersten Hauses am Schreiberswege. Einebnung des Friedhofes am Klosterberge.– Städtisches Verbot der Torbleiche.- Der heutige Wilhelmsplatz wurde seit uralten Zeiten seitens der Stadt zu Bleichplätzen verpachtet und die auf ihr uraltes Recht pochenden Bleicher waren über das Bleichverbot sehr empört.– Anschaffung einer städtischen Centesimalwage für 1130.-M. und einer neuen Turmuhr im Rathaus für 1077.-Mk. – Amlö. November festliche Feier des 400-jährigen Geburtstages Dr. Martin Luther’s mit Pflanzung der Lutherbuche am Gottlob.- Brand des Wohnhauses Günther.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 44 968,82 Mk
 Ausgaben                  36 778,81 Mk

Jahr 1884.

6 708 Kurgäste.- Verbreiterung der Wilhelmstrasse, Bau eines Weges. (Kur) Park nach der Reinhardsbrunnerstrasse, Bepflanzung des Burchhardtsweges mit Kastanienbäumen. Der Stadtrat lehnte am 28. November die geplante Anlegung der Alexandrinenstrasse ab“ weil die Stadt in grosse finanzielle Schwierigkeiten kommen könnte.“ 1. Oktober 40jähriges Amtsjubiläum des Medizinalrats Dr.med. Keil.- – Am 9. Dezember wurde die Anzahl der Feuerwehrmänner vom 21 auf 24 erhöht.- Am 20. Oktober Aufnahme einer Anleihe von 11 000 Mk zu 4 1/2% für Kanalbauten,

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 51 887,01 Mk
 Ausgaben                  43 054,35 Mk

Jahr 1885.

6 825 Kurgäste. Erhöhung der Kurtaxe von Mk. 4,6 und 8 auf Mk. 5.8 und 10 bei einem Aufenthalt über 7 Tage.- Niederlegung der Kirchhofmauer und Abbruch der anliegenden Gebäude Spritzenhaus und Barth’schen Wohnhauses. Ankauf des Lerp’schen Wohnhauses gegenüber dem Rathause für 19 800.- Mk. ( das spätere Stadthaus Hauptstraße 50) 31.Oktober Verkauf des städtischen Waschhauses an Korbmacher Ritzmann ( Marktstrasse 1).. Pflasterung des Marktplatzes für 4000 Mk.- Nach einer Entscheidung des Herzogl. Landratsamtes und des Herzogl. Staatsministeriums muss seitens der Stadt die Alexandrinenstrasse angelegt werden.– Fassung der Quellen am Regenberg.- Laut einem Ministerialdekret vom 24. Juli 1885 wurde das Wasser des Hüsselbach- Stollens den Bewohnern des Gottlobviertels, einer Privat-Wassergesellschaft, überlassen.-. Wagnermeister Andreas Stötzer kaufte das frühere städtische Brauhaus und bekam am 9. Juni 1885 die Schankkonzession erteilt.– Am 29. Oktober Umzug der Postverwaltung in das Haus Hauptstraße 45. Am 17. August wurde Stadtrat Otto Peckolt aus Merseburg zum Ehrenbürger der Stadt Friedrichroda ernannt.- Der Ingenieur Paul Frohwein aus Naumburg unterbreitete am 19. November dem Stadtrat den Plan zum Bau einer Gebirgsbahn von Friedrichroda nach dem Inselberge, der aber aus unbekannten Gründen nicht ausgeführt wurde. – Brand des Hauses August Hagner.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 74 243,02 Mk
 Ausgaben                  71 844,31 Mk

Zuschuss des Bade-Comitee 2 709.- MK.- Aufnahme einer städtischen Anleihe von 2 000 MK. für Kanalbauten.

Jahr 1886.

7 022 Kurgäste.- Einrichtung einer meteorologischen Station zur Beobachtung der Witterungsverhältnisse unter Leitung des Lehrers A. Creutzburg. Am 8. September beschloss der Stadtrat den Ankauf der Grundstücke zu einem Bauplatz für die Schule an der Alexandrinenstrasse.- Der Weg am Stadthaus bekam den Namen „Gellert-Straße“. In Prozess der 39 Waldgemeinden gegen den Domänenfiskus wegen der von ihm angeordneten Einschränkung der Rindvichweidegerechtigkeit wurde am 22. Januar ein Urteil gefällt, gegen das beim Oberlandsgericht Jena seitens des Herzogl. Staatsministeriums Berufung eingelegt wurde. Riesenschneefall zur Weihnachtszeit, sodass die Eisenbahnzüge stecken blieben.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 119 652,73 Mk
 Ausgaben                  105 643,82 Mk

Zuschuss des Bade-Comitee 2 872,35 Mk. Aufnahme einer städtischen Anleihe von 8 000,- Mk zu 4 1/4%

Jahr 1887.

7 023 Kurgäste. Feier des 50.-jährigen Kurort-Jubiläums. Anbringung einer Gedenktafel am Hause Reinhardsbrunnerstrasse 13 mit der Inschrift: „Friedrich Perthes aus Gotha zog am 27. Juli 1837 als erster Kurgast in dieses Haus“… Bau der Schutzhütte auf dem Hill’s Platz am Reinhardsberge. In einer am 14. Februar im Gasthof Reinhardsbrunn stattgefundenen Versammlung wegen der Rindviehweidegerechtigkeit wurde von den Vertretern der beteiligten Gemeinden ein Vergleichsvorschlag des Herzogl. Domänenfiskus abgelehnt. In derselben Angelegenheit fassten die Gemeindevertreter am 13. November in einer Versammlung in Gotha den Beschluss: “ In der Hutprozess-Sache darf keine Gemeinde bei Vermeidung von   1000 – Mk Konventionalstrafe einen Vergleich mit der Herzogl. Domänenverwaltung abschließen.– Brand der Häuser Zischkau und Kobstädt in der Struth und des Hauses Clemens Stötzer.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 86 193,01 Mk
 Ausgaben                  72 635,11 Mk

Jahr 1888.

7 561 Kurgäste.- Der Kurort Friedrichroda wurde auf der internationalen Hygiene-Ausstellung in Ostende mit der großen goldenen Medaille ausgezeichnet.- Anlegung des Perthesplatzes.- Bau eines Spritzenhauses an der Schmalkalderstrasse neben dem Hause Schmalkalderstrasse 32.Wasserbohrungen am Regenberge.- Am 27. August wurde Medizinalrat Dr. med. Keil zum Ehrenbürger der Stadt Friedrichroda ernannt. Die gesetzliche Ruhezeit des Friedhofes an der Kirche lief am 16.November ab.– Brand des Hauses Feierabend. Aufnahme einer Anleihe von 10.000.-MK für den Schulbau an der Alexandrinenstrasse .-.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 88 939,65 Mk
 Ausgaben                  76 489,62 Mk

Jahr 1889.

8 425 Kurgäste. – Am 30. April wurde die Straßen- und Baufluchtlinie für den Perthes- und Burchardtsweg genehmigt. Bau des Hauses Perthesweg Nr.8 und Burchardtsweg Nr.18. Ankauf des Schuchardt ’schen Hauses in der Hauptstraße, zwischen den Häusern Hauptstraße 33 und 35/37, zur Verbreiterung der Kirchgasse. ( Das Haus ist später niedergelegt worden) — Am 28. Mai Änderung der Bezeichnung „Grünes Gäschen“ in „Grüner Weg“. Am 21. Oktober Einweihung der neuerbauten Schule an der Alexandrinenstrasse. Zu den Baukosten von 47 896.- Mk verwilligte die Herzogl. Staatskasse ab 1. Juli 1889 bis 1.Juli 1893 einen jährlichen Zuschuss von 3 450.- Mk. zur Verzinsung und Tilgung des Schuldkapitales. In einem Schreiben vom 18. März erklärte Landrat Winkler im Auftrage des Staatsministeriums, dass Friedrichroda unbedingt ein großes finanzielles Opfer bringen müsste, denn es bestände sonst die Gefahr, dass die Stadt beim Bau der projektierten Bahnlinie Schnepfenthal-Georgenthal keinen Bahnanschluss bekommen würde. Der Stadtrat beschloss einstimmig einen Zuschuss von 100 000.- Mk unter der Bedingung eines Bahnhofes in nächster Nähe der Stadt. Nach 7 Tagen ging bereits am 25. März ein weiteres Schreiben des Landrates ein, in dem die Erhöhung des Zuschusses von 100.000.- Mk auf 130.000.-Mk gefordert wurde. Die Erhöhung des Betrages wurde vom Stadtrat einstimmig verwilligt.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 84 515,51 Mk
 Ausgaben                  70 446,51 Mk

Am 12. März verstarb Medizinalrat Dr.med. Ferdinand Keil. Die Stadt ehrte den Toten, indem sie ihm und seiner Familie auf dem hiesigen Friedhofe einen Ehren-Erb-Begräbnisplatz schenkte. W. Linz schreibt in der Friedrichrodaer Zeitung über den Verstorbenen: “ Rat Keil“ war ein Mann von unerschütterlichen Grundsätzen und dankerfüllt muss man sagen, dass er zu allem, was damals in der Bade-Verwaltung erreicht worden ist, den Grundstein gelegt hat. Keil’s besonderer Fürsorge und Beschaffung passender Sommerwohnungen ist es zu danken, dass bei der damaligen Bescheidenheit der Gäste und dem Entgegenkommen der Bürger jeder billige Wunsch erfüllt werden konnte. Auf dem Wilhelmsplatz ist diesem Ehrenmanne ein Denkmal mit der Inschrift : “ Zur Erinnerung an Medizinalrat Dr.Keil in dankbarer Anerkennung seines verdienstvollen Wirkens in Friedrichroda und dessen Fremdenverkehr 1843 – 1889″ errichtet worden. Auch die „Keils-Promenade“ soll sein Gedächtnis erhalten.

Jahr 1890.

8 813 Kurgäste.- 752 hiesige wahlberechtigte Bürger.- Das Bade-Comitee beantragte die Genehmigung zum Bau eines Gasthauses auf dem Gottlob, ähnlich dem Hörselberghause.- Sucharbeiten nach vermutlichem Trinkwasser im Endershöfer Stollen. In der Sonntagnacht vom 23. zum 24. November großes Hochwasser, das vielen Schaden an Brücken, Ufern und Wegen angerrichtet hat.-Aufnahme einer städtischen Anleihe von 300 000.- Mk.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 48 006,56 Mk
 Ausgaben                  67 144,96 Mk

Jahr 1891.

9 381 Kurgäste. Am 2. Juni bekam die „Thorbleichen den Namen „Wilhelmsplatz“ . Bau der Alexandrinenstrasse .-. Die Stadt plante auf dem Platze des ehemaligen Schiesshauses am Gottlob den Bau eines Gasthauses im Schweizerstji. In den bereits angefertigten Zeichnungen fanden sich ein Saal 23 m-mal 20 m gross, 2 Gastzimmer. 15 Fremdenzimmer und Wirtschaftsräume. Der Plan wurde von den Stadtverordneten “ als zu gross angelegt befunden“, der Bau sollte höchstens 30 000.- Mk kosten und die Ausführung scheiterte deshalb an der Kostenfrage.– Die Schneidemühle Hugo Schuchardt versorgte als erste hiesige „Stromzentralen mehrere Hotels bis zum Jahre 1895 mit elektrischem Lichte.  Brand des Hauses Rödiger in der Hauptstraße.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 53 661,95 Mk
 Ausgaben                  63 154,92 Mk

In dem langjährigen Hutprozess zwischen den Waldgemeinden und der Herzoglichen Verwaltung wurde folgender Vergleich geschlossen:

“ Hutvergleich Zwischen :

  1. der Stadtgemeinde Friedrichroda, vertreten durch

den Stadtrat einerseits und

  1. dem Herzoglich Sächs. Staatsministerium in Gotha in Vertretung des Herzogl. Sächs. Gothaischen Gesamthauses und des Herzogl. Sächs. Coburg-Gotha-Spezialhauses

andererseits

ist zur Beilegung des zwischen beiden Teilen wegen Ausübung der Rindviehhut in den Herzoglichen Waldungen schwebenden Prozesses folgender

Vergleich

mit Zustimmung der Stadtverordneten Versammlung rechtsverbindlich abgeschlossen worden.

  • 1.

Von dem Herzogl. Sächs. Staatsministerium als Vertreter des Herzogl. S.Gothaischen Gesamthauses ( Domänenfideicommisses) und des Herzogl. S.Coburg Gothaischen Spezialhauses ( Ernst Albert Fideicommisses) sind im Vergleichwege anerkannt, dass der Stadtgemeinde Friedrichroda ein klagbares und unwiderrufliches Recht auf Ausübung der Rindviehhut in den im $ 2 aufgeführten Forstbezirken zusteht.

  • 2.

Das Hutpflichtige Areal besteht ausfolgenden Forstorten und bzw. Forstortsheilen der Oberförstereibezirke Finsterbergen und Tabarz:

  1. Oberförstereibezirk Finsterbergen. A. Friedrichroda ( Bezirk der früheren Forstei Friedrichroda) 1. Körnberg
  2. Buchenjohn, 2. Rotherweg
  3. Spiessbach, 3. Regenberg,
  4. Abtsberg, 4.Schauenburg,

9.Schorn, 5.Wolfstieg,

10.Fichtenbach,

11.Simmetsberg“.

Zu 8 bis 11 ist bemerkt: * Zum Theil, nämlich in der aus der angehefteten Karte ersichtlichen Ausdehnung, sodass also von sämtlichen 4 Forstorten nur die Höhe, von den Forstorten Schorn-Fichtenbach und Simmetsberg nur die unterhalb der Fichtenbachs- und Simmetsbergwiese gelegenen Theile als Hutareal anzusehen sind.

  1. Eine nach den jeweiligen Bestandsverhältnissen zu bestimmenden

Durchtrieb durch den Forstort Büchig nach den Wiesen am sog. Breitensee und nach der langen Wiese während derjenigen Jahreszeit, während diese Wiesen behütet werden dürfen.

  1. Revier Kleinschmalkalden. ( Bezirk der früheren Forstei Kleinschmalkalden.)
  2. Langeberg,

14.Heuberg, der obere Theil bis zum Rennstieg in der aus der beiliegenden Carte ersichtlichen Ausdehnung. .: II. Oberförstereibezirk Tabarz.

  1. Großer Jagdberg, 16.Kleiner Jagdberg, zum Theil, nämlich die Höhe in der aus der angehefteten Karte ersichtlichen Ausdehnung“. ( Eine Abschrift des Hutvergleiches befindet sich im Thür. Staats. Archiv in Gotha unter Nr. N.N. VIII,5,Nr.21).

Jahr 1892.

9 381 Kurgäste… „Die Bleiche vor dem Tor“ wurde mit einem Kostenaufwand von 3 800 Mk zu einem Schmuckplatz umgewandelt und bekam den Namen „Keils-Platz“. Den oberen Teil des Platzes, den früheren Friedhof, nannte man „Wilhelmsplatz“. Der Platz führte also zwei Bezeichnungen. Im Verlaufe der Jahre ist die Bezeichnung „Keil’s Platz“ völlig außer Gebrauch gekommen und man nennt die Anlage nur noch *Wilhelmsplatz“ Zum Bau eines Gasthauses auf der Höhe des Gottlob versagte das Herzogl. Staatsministerium die Genehmigung.– Mehrfache Sucharbeiten nach dem Wasser der versiegten Stadtquelle. Beginn der Kanalisierung der Stadt Friedrichroda nach den Plänen des Ingenieurs Meirich aus Gotha, der für seine Tätigkeit 2% der Bausumme, jedoch nicht unter 4 500.- Mk ausgezahlt verlangte. Umfangreiche und kostspielige Vorsichtsmaßnahmen und Einrichtungen gegen die drohende Einschleppung der Cholera( Tägliche Desinfektion des Reisegepäckes zureisender Fremder, Einrichtung von drei Krankenzimmern im Rathaus, Desinfektion der Abortgruben usw.) — Brände: Schloss Reinhardsbrunn, Wohnhaus Friedrich Schuchardt und Hotel Lange.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 55 482,62 Mk
 Ausgaben                  70 508,68 Mk 

Jahr 1893.

8 292 Kurgäste. Die Sucharbeiten nach der versiegten Stadtquelle führten zu keinem Erfolge, und das fehlende erforderliche Wasser musste durch Herstellung von Anlagen im oberen Teile des Kesselgrabens beschafft werden. Am 23. August verstarb im Schloss Reinhardsbrunn Herzog Ernst II. von Sachsen- Coburg -Gotha. Zahlreiche deutsche Fürsten, darunter der damalige Kaiser Wilhelm II., trafen in Reinhardsbrunn ein. Unübersehbare Menschenmassen umlagerten das Schloss und bildeten dann an der Straße Spalier bei der Ueberführung der sterblichen Reste des beliebten Herzogs.- Ein Großfeuer vernichtete am 10.Juni das mit Kurgästen vollbesetzte Kurhaus. Ursache und Folgen des Brandes führten zu einer Sitzung des Landtages in hiesigen Hotel Schauenburg. Ein weiterer Brand vernichtete das Haus Ortlepp.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 60 043,94 Mk
 Ausgaben                  62 644,22 Mk

Zuschuss des Bade-Comitee: 3 465,33 *

Jahr 1894.

9 562 Kurgäste.- 3 800 Einwohner, 700 Wohnhäuser.– Auf der Thür. Ausstellung in Erfurt wurde Friedrichroda mit einem Ehrendiplom bedacht. — Am 16.Juni Einweihung des neuerbauten Kurhauses.– Bau des Bahnhofes Reinhardsbrunn und am 3. Oktober Durchbruch des Tunnels zwischen Reinhardsbrunn und Friedrichroda.- Bau des Elektrizitätswerkes an der Struth ( August Eckardt-Straße 12 a)- Am 4. Dezember wurde Geheimrat Dodel aus Leipzig zum Ehrenbürger der Stadt Friedrichroda ernannt.– Am 7. April brannte das Hotel Pötsch, ehemals # die Henne“ genannt, vollständig ab und wurde nicht wieder aufgebaut. Das Gebäude stand zwischen den Häusern Hauptstraße 36 und 40 auf der heutigen Schillerstrasse. Weitere Brände: 11.Januar Haus von Zanthier, Bachstrasse 27 und am 2.November Haus August Wilhelm Neuestrasse 1.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                  93 243,47 Mk
 Ausgaben                  441 268,38 Mk

Die erhöhten Ausgaben erklären sich durch die Baukosten der Kanalisierung, die der Stadt 600.000.- Mk. Schulden verursachten. Der Einnahmebetrag enthält nur die baren Einnahmen der Stadtkasse ohne Verbuchung der aufgenommenen und auch eingegangenen Anleihegelder.

Jahr 1895.

10 063 Kurgäste. Eine Zählung am 29. Juni ergab in Friedrichroda: 670 bewohnte Häuser, in denen 2 722 männliche und 3 693 weibliche zusammen 5 319 Personen wohnten. Dabei sind 1 296 Kurgäste mitgezählt worden und das zahlreiche, im Sommer anwesende Personal, sodass sich aus den vorstehenden Zahlen keine einwandfreie Einwohnerzahl errechnen lässt. Neubau der Straßendecken: Bahnhofstrasse, Hauptstraße und Leo Schlageterplatz.- Eröffnung des neuerbauten Elektrizitätswerkes.  Fürst Bismarck wurde vom Thüringer Städtebund das gemeinsame Ehrenbürgerrecht verliehen, wozu Friedrichroda 15.61 Mk. Unkostenanteil zahlte. Brand des Wohnhauses Karl Brühl, Horst Wesselstrasse 16.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                  89 281,51 Mk
 Ausgaben                  105 297,66 Mk

Jahr 1896.

9 866 Kurgäste.- 1.November Eröffnung der neuerbauten Eisenbahnstrecke Friedrichroda – Georgenthal .– Beginn mit dem Bau der Marienstrasse.  Brand des Hauses Ernst Kobstädt,  Horst Wesselstrasse Nr.19  infolge Blitzschlag.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 85 026,59 Mk
 Ausgaben                  82 718,68 Mk

Jahr 1897.

10 086 Kurgäste. 6ojährige Jubelfeier Friedrichroda’s als Kurort. Von einer geplanten Feier des 300jährigen Stadt Jubiläums wurde wegen der Unsicherheit der Urkunden Abstand genommen. Bau des ersten Hauses an der Marienstrasse, damals „Verbindungsweg “ genannt ( Haus Nr. 17)

30jährige Gedenkfeier des Bestehens der hiesigen katholischen Gemeinde. Die Stadtverwaltung stiftete zum Bau des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig 50.-Mk. Renovierung der Ev. Kirche.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                  80 491,76 Mk
 Ausgaben                  124 125,83 Mk

Zuschuss des Bade-Comitee: 4 253,73 *

Jahr 1898.

10 911 Kurgäste.– Vergrößerung des Friedhofes durch Einverleibung neuer Grundstücke.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 143 581,30 Mk
 Ausgaben                  102 064,17 Mk

Jahr 1899.

11 754 Kurgäste.- Am 13. November fand eine Stadtratssitzung statt im Beisein der Landräte von Gotha und Tenneberg, des Oberbürgermeisters von Gotha usw. Es wurde der Bau einer elektrischen Bahn besprochen, die von Gotha über Leina durch den Steinforst nach Friedrichroda führen sollte, mit einer Haltestelle am Bahnhof Friedrichroda und Weiterführung durch die Bahnhofstrasse, Marktstrasse und zurück durch die Lindenstraße dem Bahnhof Friedrichroda. Der Staat versprach einen Zuschuss, die Stadtverwaltung Friedrichroda wollte alles erforderliche Gelände kostenlos zur Verfügung stellen, ebenso versprachen alle anderen beteiligten Gemeinden Geldzuschüsse. aber das Bauprojekt wurde nicht durchgeführt. — In der alten Eiche an der Hermannsburg legten Rohlinge in der Nacht vom 12. Juni Feuer an, das beinahe den Baum vernichtet hätte. Der Stadtrat beschloss die Behebung des Brandschadens, um den Grenzbaum möglichst noch lange Zeiten zu erhalten.

 Jahresrechnung:   
                 Gesamt Einnahmen: 349 180,70 Mk
                 Gesamtausgabe:    256 134,70 Mk
                 Kurrenteinnahme:  205 844,90 Mk
                 Kurrentausgabe:   206 573,18 Mk  

Jahrhundert-Wende.

Die Friedrichrodaer Zeitung schrieb am 3. Januar 1900:

„Am Markstein der Zeiten stehen wir heut‘,

An zweier Jahrhunderte Wende.

Da sinken für kurze Zeit in den Schoss

Die arbeitgehärteten Hände.

Es schauen zurück die Augen, es eilt

Der Geist in fliegender Schnelle

Am Meilenzeiger der Jahre vorbei

Zu des endenden Säculums Schwelle.“

Ein Jahrhundert Friedrichrodaer Geschichte ! Was war in jener Zeit aus dem alten Bleichstädtchen geworden ? Das einsame Bergnest war aus seinem Dornröschenschlafe erwacht. Dort, wo noch vor wenigen Jahrzehnten der Friedrichrodaer Bürger seinen Acker bestellte, wo sich an anderen Stellen ödes Brachland mit wildem Gestrüppe befunden hatte, dort überall hatten Menschen an schönen Straßen grosse Häuser erbaut. Die alten Friedrichrodaer Gebäude waren modernisiert und verschönert worden, und der Ort bot jetzt ein ganz anderes Bild wie zur Zeit der Jahrhundertwende 1800. Die damals einsamen Wälder wurden jetzt belebt von unzähligen Spaziergängern aus aller Herren Länder und anstatt der damaligen Stille und Ruhe herrschte in dem Gebirgstale das Treiben und laute Leben einer Großstadt. Der alte Friedrichrodaer des Jahres 1800 würde sich in seinem Heimatort nicht mehr zurechtfinden und wahrscheinlich nicht mehr wohl fühlen, aber in dem alten Tritt ging es unbedingt nicht mehr weiter. Die alten wirtschaftlichen Verhältnisse und Erwerbsmöglichkeiten mussten sich gründlich ändern, wenn Friedrichroda weiter bestehen sollte. Nicht alle Friedrichrodaer waren mit der Entwicklung der letzten Jahrzehnte einverstanden. Es gab und gibt auch heute noch Leute, die wünschten anstatt des Kurverkehres die Schaffung von Fabriken und Industriewerkstätten. Das Für und das Wider in dieser Angelegenheit ist in Stadtratssitzungen, Versammlungen und Zeitungsauseinandersetzungen reichlich erörtert und besprochen worden. Die deutsche Wirtschaft erlebte um die Jahrhundertwende einen ungeheuren Aufschwung und die Anlegung von Industriebetrieben in Friedrichroda wäre damals möglich gewesen. Nach der Meinung massgebender städtischer Stellen ließen sich jedoch Kurverkehr und Fabrikanlagen niemals vereinbaren. Aus diesem Grunde wurde zum Bau geplanter Fabriken stets die behördliche Genehmigung versagt. Diese kurzsichtige Methode war keineswegs richtig, denn beim Schreiben dieser Zeilen, im Jahre 1942, bestehen in Friedrichroda einige Fabrikbetriebe, die das Kurleben auf keinem Falle stören. Die Fehler sind eben damals gemacht worden, eine heutige Kritik ist zwecklos, aber die wirtschaftliche Struktur unserer Stadt sich ganz anders gestaltet, wenn — ja wenn es eben anders gemacht worden wäre. Die Friedrichrodaer Zeitung schreibt weiter in ihrer Nummer vom 3. Januar 1900: “ Die Welt ist nunmehr in das 20. Jahrhundert eingetreten und der Zeitraum der letzten hundert Jahre hat seinen Abschluss gefunden. Gewaltige Fortschritte auf allen Gebieten, epochemachende Erfindungen und Entdeckungen hat das 19. Jahrhundert der Menschheit gebracht, während es daneben reich an den mannigfaltigsten politischen Erschütterungen und Umwälzungen war.“

Jahr 1900.

11 900 Kurgäste. 4 397 Einwohner. Erbauung der Turnhalle.- Die Stadtverwaltung kaufte das Haus Grüner Weg 7.- Die Kirchturmuhr war bisher nur mit einem Zifferblatte an der Südseite des Turmes versehen. Im Jahre 1900 wurden an sämtlichen vier Kirchturmgeiten Zifferblätter angebracht. Am 18. August erneute Sitzung preußischer und gothaischer Staatsvertreter mit dem hiesigen Stadtrate wegen dem Bau einer elektrischen Bahn von Gotha nach Friedrichroda.- Der Stadtrat beschloss am 3. Dezember: das von neuaufgenommenen Bürgern zu zahlende Bürgergeld soll verzinslich angelegt werden und die Zinsen zum Unterhalt einer Gemeindeschwester Verwendung finden.

Jahresrechnung:  
 Gesamt Einnahmen: 349 180,70 Mk Rein-Einnahmen: 117 466,41 Mk
 Gesamt Ausgaben:  117 466,41 Mk Rein-Ausgaben:  107 341,77 Mk 

Beitrag des Bade-Comitee aus der Kurtaxe Mk. 4 622,68.

Jahr 1901.

12 031 Kurgäste. Erbauung eines neuen Postgebäudes in der Linden-Straße.  Ausführung umfangreicher Arbeiten bei der Erschließung des Endershöfer-Stollens. Anlegung einer elektrischen Beleuchtung in der Turnhalle. Am 4.März Ableben Sanitätsrat Dr.med. Weidner. In Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste um die Stadt Friedrichroda wurde ihm und seiner Familie eine kostenfreie Erbbegräbnisstelle gewährt. Später wurden seine Verdienste durch Aufstellung eines Gedenksteines geehrt.( Siehe 1912).

Jahresrechnung:  
 Gesamt Einnahmen: 220 462,19 Mk Rein-Einnahmen: 129 863,49 Mk
 Gesamt Ausgaben:  203 634,44 Mk Rein-Ausgaben:   79 226,25 Mk 

Jahr 1902.  

12 087 Kurgäste. Saal – Anbau an der Kleinkinder-Bewahranstalt ( Teichgasse 1). Am 31.Mai genehmigte das Herzogliche Staatsministerium den Ausbau des Endershöfer-Stollens mit einem Voranschlag von Mk. 10 970. Am 30. Juni Übernahme der Gottlob-Privatwasserleitung durch die Stadt. Einebnung des alten Friedhofes am Schlosswege. Anschaffung eines neuen Leichenwagens für Mk. 1 575.- Am 26. Mai feierliche Enthüllung des Denkmals für Herzog Ernst II. im Schlossparke zu Reinhardsbrunn.- Am 7. September Einzug des Regierungsverwesers von Hohenlohe-Langenburg in die festlich geschmückte Stadt. Vor dem Hotel Gerth feierlicher Begrüssungsakt durch die Stadtvertretung. Herr Rektor Grökel wurde in den Ruhestand versetzt und von der Stadt zum Ehrenbürger ernannt. Bürgermeister Schönau lehnte am 11.August eine Wiederwahl wegen vorgerücktem Alter ab.- Am 16.Januar Brand der am Philosophenwege stehenden Gastwirtschaft „Körnberghaus“.

Jahresrechnung:  
 Gesamt Einnahmen: 175 336,41 Mk Rein-Einnahmen: 121 576,17 Mk
 Gesamt Ausgaben:  159 558,38 Mk Rein-Ausgaben:  136 369,05 Mk 

Jahr 1903.

12 147 Kurgäste. Bau des „Hotel National“, des jetzigen Rathausgebäudes. Strassennamenänderungen: Verbindungsstrasse in Marienstrasse, Obere Hornschuhgasse in Schützengasse, obere Engelsbacherstrasse in Friedrichstrasse

Untere Engelsbacherstrasse in Engelsbacherstrasse

– Der Verbindungsweg  zwischen Bahnhofstrasse und Lindenstraße bekam die Bezeichnung „Merbachgasse“. Ausbau der Funksgasse ( Schillerstrasse). Stillegung des bergmännischen Betriebes in der Marienhöhle.  An 10.Juli Einweihung des Bismarkfelsens am Abhange der Schauenburg durch Friedrichrodaer Kurgäste. Bei der Reichstagswahl wurden von den hiesigen stimmberechtigten Bürgern 439 sozialdemokratische und 294 bürgerliche Stimmen abgegeben.- Am 23. März Brand der Villa Spanaus die auf der heutigen Schillerstrasse zwischen den Häusern Bachstrasse Nr.22 und Nr. 24 gestanden hat. Die Genehmigung zum Wiederaufbau wurde versagt, da das Gelände zum Strassenbau benötigt wurde. Die Stadt kaufte die Brandstätte für Mk. 6 250.- Aufnahme einer städtischen Anleihe von Mk. 35.000.- und 6.000.-Mk zu 36/10% und 2% Tilgung zur Bezahlung der Gottlob-Wasserleitung.

Jahresrechnung:  
 Gesamt Einnahmen: 226 737,79 Mk Rein-Einnahmen: 129 188,03 Mk
 Gesamt Ausgaben:  204 164,46 Mk Rein-Ausgaben:  133 986,89 Mk 

Jahr 1904.

12 470 Kurgäste… Beginn mit dem Bau der Schillerstrasse. Entfernung der unter den Strassen-Laufbrunnen stehenden steinernen Brunnentröge. eine Maßnahme, die unter der Einwohnerschaft grosse Empörung hervorrief.- Pflanzung von Obstbäumen auf dem Grundstücke unterhalb des Friedhofes. Ein ungenanntes Ehepaar stiftete für die Evangelische Kirche die elektrische Beleuchtungsanlage.  Am 19. Januar wurde Herr Bürgermeister Julius Schönau, der vierzig Jahre in städtischen Diensten gestanden hat, zum Ehrenbürger der Stadt Friedrichroda ernannt.  Zu seinem Nachfolger wurde der hier ansässige Arzt Dr.med. Max Böhm gewählt, dessen Wahl jedoch vom Landratsamte nicht bestätigt wurde. – Am 31. Mai wurde der neugewählte Bürgermeister Max Küstner in sein Amt eingeführt und verpflichtet.

Jahresrechnung:  
 Gesamt Einnahmen: 304 373,73 Mk Rein-Einnahmen: 179 877,-- Mk
 Gesamt Ausgaben:  293 831,61 Mk Rein-Ausgaben:  194 038,54 Mk 

In den Nachmittagsstunden des 3. August wurde das alte Friedrichrodaer Rathaus ein Raub der Flammen. Die Brandursache soll ein defekter Schornstein gewesen sein. Das Feuer brach im Dachgeschoss aus, ergriff den wie eine Fackel brennenden Turm und verbreitete sich dann in den städtischen Verwaltungsräumen des zweiten Stockwerkes. Das wertvolle Aktenmaterial wurde von herbeigeeilten hilfsbereiten Helfern fast restlos gerettet. In den Dachräumen wohnten 14 Bedienstete der Ratskellergastwirtschaft, deren Habe restlos verbrannte. Nach einer unter der Einwohnerschaft und den Kurgästen veranstalteten Sammlung konnten diesen Geschädigten RM 1.580.55 ausgehändigt werden. Der Stadt wurden später MK.23.000.Entschädigung seitens der Brandkasse  ausgezahlt. Am 9. August wurde die städtische Verwaltung in den Räumen der I. Etage des Hauses Hauptstraße 35/37 gegen Zahlung einer vereinbarten Jahresmiete von Mk 1.000.- untergebracht.  In den Sitzungen am 4. und 25. Oktober beschlossen Stadtrat und Stadtverordnete: ein Rathaus soll auf der Brandstätte des alten Rathauses nicht wiederaufgebaut werden, die Brandreste des Gebäudes werden abgebrochen und der Platz wird eingeebnet. Für ein neuzuerbauendes Rathaus wird sofort durch Ausschreibung Bauplatz gesucht von ca. 1200 bis 1500 qm. Flächeninhalt mit einer Strassenfront von 20 – 25 Metern. Auf diese Ausschreibung gingen während der nächsten Tage folgende 10 Angebote ein:

  1. Heinrich Brelon, 1920 qm für RM 46.000. Friedrichsplatz
  2. Christiane Wiegand ( Hauptstraße 52)
  3. Ernst Schönau, ( Untere Bachstrasse 8)
  4. Julius Erdmann, 40.000.- RM ( Hauptstraße 54)
  5. Ernst Gütt. ( Hauptstraße 56)
  6. Edmund Schreiber, ( Grundstück des jetzigen Feuerwehr-Depots

Bahnhofstrasse 25).

  1. Frau Kämpf, Hauptstraße 48, für einen Teil des Grundstückes RM 30.000.. und für das ganze Grundstück RM 75.000. Frau Kämpf für das ihr noch gehörende Hausgrundstück Hauptstraße Nr. 45 RM 50.000.
  2. Theodor Sieler, RM 60.000,- ( Hauptstraße 40 Gasthaus zur Krone)
  3. Wilhelm Besler, RM 55.000.- ( Untere Bachstrasse 10)

10.Villa Walther, RM 60.000.- ( Marktstrasse 8).

Im Jahre 1904 konnte sich der Stadtrat zu keinem Ankaufe von einem der 10 angebotenen Grundstücke entschließen. Infolgedessen zogen einige Personen ihre Angebote wieder zurück.

Jahr 1905.

26 900 Kurgäste incl. Passanten.- Nach der Volkszählung vom 1. Dezember zählte Friedrichroda: 1 969 männliche Personen. 2 443 weibliche Personen. 4 412 Personen, 15 Personen mehr wie im Jahre 1900, Auf dem Rathausplatz Aufstellung einer Wettersäule.-Errichtung des Licht- und Luftbades am Reinhardsberg.  Ausbau der Lindenstrasse

Am 13. März Ankauf eines Teiles des Besler. schen Gartengrundstückes für Mk. 5 500.-, zum Bauplatz für die geplante Pumpstation des städt. Wasserwerkes. Abbruch des einstöckigen städt. Armenhauses auf der Struth ( August Eckardt -Straße neben dem Hausgrundstück Nr.20).- Während des ganzen Jahres ergebnislose Stadtratssitzungen wegen dem Rathausbau.- Am 24. September festlicher Einzug des Landesfürsten Herzog Karl Eduard von Sachsen-Coburg u. Gotha. 20. August Schweizer Straße, Einweihung der neuerbauten Christuskirche.  Am 15. August Bekanntgabe des genehmigten Statuts der Kurverwaltung, nach dem das bisherige Bade-Comitee in eine Kurverwaltung umgewandelt wurde. In Friedrichroda waren 41 Typhusfälle vorgekommen. Die umliegenden Garnisonstädte Gotha , Erfurt, Eisenach usw. hatten allen Militärpersonen den Besuch Friedrichrodas verboten.  Am 19. Dezember beschloss der Stadtrat: bei den derzeitigen guten Gesundheitsverhältnissen soll mit allen verfügbaren Mitteln dahin gewirkt werden, damit der gothaische Regimentsbefehl und das Militärverbot in allen anderen Garnisonstädten aufgehoben werde.  Am 1. August erhielt der Stadtrat die Genehmigung zur Aufnahme einer Anleihe von Mk. 120.000.- zu 3,7% zum Bau der Kläranlage, Ausbau der Lindenstrasse, Bauarbeiten an der Wasserleitung.

Jahresrechnung:  
 Gesamt Einnahmen: 295 331,70 Mk Rein-Einnahmen: 146 400,86 Mk
 Gesamt Ausgaben:  291 202,64 Mk Rein-Ausgaben:  198 002,04 Mk 

Jahr 1906.

12 823 Kurgäste.- 1905/1906 Bau des städtischen Wasserwerkes. Verbesserte Wasserversorgung durch den Anschluss des Endershöfer Stollens und den Bau der Pumpstation mit Hochwasserbehälter am Gottlob. Ueberwölbung des bisher offenen Schilfwassergrabens auf dem Friedrichsplatz. Umbau der Kläranlage. Vergrößerung des Friedhofes durch Einverleibung von Grundstücken in seinem heutigen östlich gelegenem Teile.- Alle Rathauspläne scheiterten, da keine Einigung in der Platzfrage zu erzielen war.- 1. April Einführung der Wochenmärkte.- Vom 10. bis 12. Februar großes Wintersportfest.- Herr Bürgermeister emer. A. Knauf wurde zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Der Gastwirteverein glaubte sich durch den immer stärker werdenden Automobilverkehr geschädigt und beantragte ein Automobilverbot für Friedrichroda mit dem Hinweis, dass bereits einige Kurorte in der Schweiz dieses Verbot zum Wohle der Kurgäste durchgeführt hätten. Am 20. März entstand oberhalb Ernstroda beim Schweizerhof ein Erdfall in welchem das Schilfwasser gänzlich verschwand.

Jahresrechnung:  
 Gesamt Einnahmen: 303 203,56 Mk Rein-Einnahmen: 200 203,56 Mk
 Gesamt Ausgaben:  297 487,-- Mk Rein-Ausgaben:  263 995,69 Mk 

Jahr 1907.

27 300 Kurgäste incl. Passanten. Die am 12.Juni stattgefundene Berufs. und Betriebszählung ergab: 1284 Haushaltungen. 7 115 Personen incl. aller an dem Stichtage anwesenden Kurgäste, sonstiger Fremden usw.- Bei einer Viehzählung am 2. Dezember wurden hier gezählt: 95 Pferde. 152 Rin. der, 556 Schweine, 27 Schafe, 307 Ziegen, 774 Kaninchen, 2 170 Stück Federvieh, 31 Bienenstöcke. Am 22.Juli Gedenktag des 70jährigen Bestehens Friedrichrodas als Kurort. Am 11. August 50jährige Jubiläumsfeier der Neustadt. Vom 23. November bis 1. Dezember Internationale Wintersportausstellung in den Räumen des Kurhauses. – Der Verschönerungsverein ließ auf dem Herzog Ernst-Platz, den heute vor der Ev. Kirche stehenden Sprenglerbrunnen errichten.- Auf wiederholte Eingaben des Wintersportvereins wurde am 14. April der Rote Weg zum Zwecke einer Rodelbahn frei gegeben. Am 12.November beschloss das Stadtverordneten Kollegium einstimmig den Bau einer städtischen Gasanstalt, nachdem durch Reichsgerichtsurteil vom 21. Oktober der Prozess zwischen der Stadt und dem Elektrizitätswerke beendet wurde.- Das Werk beanspruchte auf Grund eines Vertrages vom Jahre 1894 das alleinige Recht der Licht- und Stromversorgung Friedrichrodas, wozu auch der Bau einer Gasanstalt gehörte.. Die Rechtsansprüche des Elektrizitätswerkes wurden vom Reichsgericht als unbegründet zurückgewiesen. Die Rathausbauangelegenheit scheiterte auch in diesem Jahre an der Uneinigkeit des Stadtrates wegen der Platzfrage. Das Kirchenamt wollte die beiden Pfarrhäuser zu einem Rathausbauplatz zur Verfügung stellen, wenn die Stadt an der Lindenstraße ein neues Pfarrhaus erbauen würde. Dieser Vorschlag fand städtischerseits wiederum keine Zustimmung. Ostern 1907 wurde die bisherige Possart ’sche „Höhere Privatschule für Knaben und Mädchen“ aufgelöst und dafür eine höhere Schule in Verbindung mit der Bürgerschule geschaffen. Von 985 wahlberechtigten Bürgern gaben bei der Reichstagswahl am 22. Januar 601 Bürger ihre Stimmen ab, und zwar für Erbprinz Hohenlohe- Langenburg 350 Stimmen und für Bock( Sozialdemokrat) 251 Stimmen. Am 6. Dezember Brand der Tischlerwerkstätte Franz Merbach, Lindenstraße Nr. 59.

Jahr 1908.

Bau der städtischen Gasanstalt und umfangreiche Erdarbeiten bei der Legung des Gasrohrnetzes in den Straßen der Stadt. Am 20. Dezember konnte bereits die Straßenbeleuchtung in Betrieb gesetzt werden. Bepflanzung der Struth ( August Eckardt-Straße) mit Bäumen.- An 4. Juli Gründung des Schwimmvereins, der den Kobstädtsteich ankaufte und zu einem Schwimmbade umbaute. Am 20. März tagte im Heuberghause eine Versammlung des aus 30 Mitgliedern bestehenden Komitees zur Erbauung einer Eisenbahn von Friedrichroda nach Kleinschmalkalden über Finsterbergen und das Kreuz, an welcher u.a. auch der Reichstagsabgeordnete Erbprinz von Hohenlohe. Langenburg teilnahm. Im Laufe des Sommers mussten im Reinhardsbergtunnel umfangreiche Reparaturarbeiten vorgenommen werden.  Am 5.August veranstaltete der Verein für Erhaltung der Volkstrachten in Herzogtum Gotha auf dem Fohlenkoppel bei Reinhardsbrunn ein von Zehntausenden aus nah und fern besuchtes großes Trachtenfest. Am 8. September wurde ebenfalls auf dem Fohlenkoppel zur Erinnerung an den Rentier Georg Stötzer und dessen Ehefrau ein großes Kinderfest der hiesigen Schulen veranstaltet. In den wohlverdienten Ruhestand trat am 1. Oktober Lehrer August Creutzburg, der 37 Jahre an der Friedrichrodaer Schule tätig war und der sich um die Entwicklung des Friedrichrodaer Kurlebens sehr grosse Verdienste erworben hat. Mit der Anfertigung der „Uebersichtskarte des Luft- und Terrain – Kurortes Friedrichroda nach Professor Dr. Oertel schen System“ hat A.Creutzburg ein grundlegendes Werk für alle Zeiten geschaffen.- Anstelle der auf den Dächern der Häuser stehenden Gestänge der Fernsprechanlagen begann die Reichspost im Herbste mit dem Legen unterirdischer Kabelleitungen in der Garten- und Tabarzerstrasse.  Am 25.November wurde der bisherige Bürgermeister Max Küstner einstimmig wiedergewählt. Eine Senatoren, und eine Stadtverordnetenwahl brachte einen Sieg der bürgerlichen Listen. Als Landtagsabgeordneter für den 12. Wahlbezirk Friedrichrode – Finsterbergen wurde am 22.Mai Lehrer Paul Willweber, Friedrichroda, wiedergewählt.- Vom 18.- bis 20.Januar großes Wintersportfest. Am 10.November verunglückte der Fuhrwerks. Besitzer Heyder am Körnberge beim Aufladen von Baumstämmen tödlich. Am 17. Februar Dachstuhlbrand der Villa Demme ( Schreibersweg 6).

Jahresrechnung:   
                 Gesamt Einnahmen: 266 385,08 Mk
                 Gesamtausgabe:    256 134,70 Mk
                 Kurrenteinnahme:  205 844,90 Mk
                 Kurrentausgabe:   206 573,18 Mk

Jahr 1909.

Ankauf des Rahn ‘schen Hauses an Sprenglersbrunnen ( Schmalkalderstrasse Nr. 18).- Anlegung eines Verbindungsweges zwischen Tabarzer- und Gartenstrasse ( Die am heutigen Rathause vorbeiführende Straße ).- 21.Juli Einweihung des neuerbauten Klinkensteintempels.- Am 6. August Eröffnungsvorstellung in dem neuangelegten Bergtheater am Gottlob.- Vergrößerung des Sportplatzes am Körnberg durch Grundstücksankauf .- Am 8. September beschloss der Stadtrat den Ankauf sämtlicher Feldgrundstücke an der Max Küstner-Straße vom Krankenhaus bis zum Friedhof für die Erschließung von Baugelände.. Die Stadtverwaltung verwilligte 200.- Mk Unkostenbeitrag zu den Vorarbeiten des Bahnbauprojektes Friedrichroda • Kleinschmal

( Der Staat bewilligte 300.- Mk, die Stadt Schmalkalden 300.- Mk usw.) Neubau des Hotels Schauenburgmühle ( Schmalkalderstrasse 59).- Änderungen von Straßennamen: Ernstrodaerstrasse – Bahnhofstrasse, Freibothsgasse – Burgstrasse, Bahnhofsweg – Schweizerstrasse, alter Friedhof am Schlossweg – Schiller-Platz.- Am 15. April zählte die Bürgerschule in 14 Klassen 377 Knaben und 368 Mädchen.. Vom 20. bis 22. Februar großes Wintersportfest. Am 12. und 13.Juni fand das Gauturnfest des westthüringischen Gaues hier statt. Am 16. Oktober landete auf dem Breitensee ein Luftballon mit drei Personen. Vom 11. bis 13. September Jahresversammlung der thüringischen Gemeindebeamten. Am 30.Juli fand ein Knabe beim Spiel seinen Tod, indem er mit dem Kopf in eine Wäscheleine geriet und sich so erhängte. 6 männliche und 1 weibliche Personen verübten Selbstmord.

Jahresrechnung:   
                 Gesamt Einnahmen: 263.420,05 Mk
                 Gesamtausgabe:    199.980,01 Mk
                 Kurrenteinnahme:  253.554,27 Mk
                 Kurrentausgabe:   198.132,93 Mk 

Jahr 1910.

26 221 Kurgäste. incl. Passanten. Friedrichroda zählte am 1. Dezember 2054 männliche, 2636 weibliche, zusammen 4 690 Einwohner, 281 mehr wie im Jahre 1904. – Am 16.Juni Eröffnung des neuerbauten städtischen Krankenhauses. Ausbau der Bäckergasse und Karlstrasse. Bau eines modernen Hotels auf dem Spiessberg und Bau des Hotel Gerth, Marktstrasse 2. Einführung der Fernzündung für die Straßenbeleuchtung. Umbau der städtischen Kläranlage.- Einrichtung einer Autolinie Gotha – Friedrichroda – Finsterbergen – Oberhof.- Am 10. August fand auf dem Fohlenkoppel das von vielen Tausenden besuchte II. Trachtenfest statt. Zur nachträglichen Geburtstagseier des Herzogs Karl Eduard wurde am 28. Juli am Schlossparkhotel Reinhardsbrunn bei Konzert und Illumination ein großartiges Feuerwerk abgebrannt. Die Unkosten trug die Städtische Kurverwaltung Friedrichroda.- In Friedrichroda bestanden im Jahre 1910 65 Vereine. Über das Winterwetter in Friedrichroda ergaben statistische Feststellungen folgendes: Von den 78 Wintern der Jahre 1831 bis 1909 waren 13 Winter mild, 43 mittelmäßig und 22 streng, in 84% folgte einem milden Winter ein milder März, zu 75% einem mäßig kalten Winter ein milder und in 25% ein kalter März. Die Lohnforderungen der Arbeiterschaft führten im Frühjahr zur Aussperrung der Arbeiter seitens der Unternehmer und zu verschiedenen Streiks der Arbeiter. Am 19. August verunglückte der Arbeiter Hermann Koch in der Schneidemühle Ernst Otto Schütz tödlich. Bei starkem Sturmwinde erschlug am 11. November beim Eisbrunnen am Spiessberg ein niederstürzender Baum einen jungen Mann aus Schönau samt dem Pferde.

Jahr 1911.

14 677 Kurgäste ohne Passanten.- Auf der hygienischen Ausstellung in Dresden wurde der Kurort Friedrichroda mit der Silbernen Medaille ausgezeichnet.- Bohrversuche nach Trinkwasser an der Engelsbacherstrasse und im Steinbruch im Grund. Einbau eines eisernen Glockenstuhles in den Kirchturm der Evangelischen Kirche und Umgiessung der beiden kleineren Glocken, die am Neujahrstage 1912 zum ersten Male geläutet wurden. Die Bürgerschule wurde von 377 Knaben und 343 Mädchen – 720 Kindern besucht.- Die höhere Privatschule besuchten 76 Kinder. Am 17. August III. großes Trachtenfest am Fohlenkoppel bei Reinhardsbrunn.  Vom 25. November bis 4. Dezember Wintersportausstellung.- Die Stadt kaufte sämtliche Feldgrundstücke an der Max-Küstner-Straße zwischen dem Krankenhaus und Friedhofe zur Erschließung von Baugelände.- Am 21. Juni wurde der „Kleine Jahrmarkt“ und am 27./28. September der „Grosse Jahrmarkt“ probeweise außerhalb der Stadt auf der Körnbergwiese abgehalten. Die Einwohnerschaft protestierte fast einmütig gegen diese Verlegung durch das Nichtbesuchen des Jahrmarktes.- Am 8. und 11.September überflog das Zeppelin ’sche Luftschiff „Schwaben“ die Stadt. Am 1. April Waldbrand am Dachsberg –

Jahresrechnung:   
                 Gesamt Einnahmen: 253 396,75 Mk
                 Gesamtausgabe:    246 254,31 Mk
                 Kurrenteinnahme:  201 908,29 Mk
                 Kurrentausgabe:   202 323,89 Mk 

Jahr 1912.

28 074 Kurgäste incl. Passanten. Am 1. Juli fand in Kurhause unter vom Vorsitz des Staatsrats Wilhelm und in Anwesenheit des Landrates Leutheusser, des Stadtrates, der Stadtverordneten, der Kurverwaltung und des Vorstandes der hiesigen Verkehrsvereine eine dreistündige Sitzung statt, in welcher der Beschluss gefasst wurde, für das Jahr 1913 einen Kurdirektor anzustellen. Am 6.Juli Ankauf der Villa Hohmeyer ( von Papenstrasse 3) und der Villa Seebach. ( Die später abgebrochene Villa Seebach stand auf der Stelle des Springbrunnens im Puschkin – Park.  Ankauf des Hausgrundstückes Kämpf ( Hauptstraße 48) zu einem Rathausbauplatz.- Anlegung von Bürgersteigen in der Reinhardsbrunnner  und Alexandrinenstrasse. Am 30. Juli wurde in einer schlichten Feier des 75jährigen Bestehens Friedrichrodas als Kurort gedacht. Am Wolfstieg wurde ein Gedenkstein für Sanitätsrat Dr. Weidner errichtet. Am 7. August statteten zwei Flieger mit ihrem Flugzeuge dem Herzogspaare auf der Fohlenkoppelwiese bei Reinhardsbrunn einen Besuch ab. Tausende von Menschen waren bei der Landung und dem Abflug der Flieger zugegen. Das Zeppelinluftschiff „Viktoria Luise überflog wiederholt die Stadt. Vom 28. Juli bis 6. August fand in der Bürgerschule eine Ausstellung statt „Friedrichroda – Reinhardsbrunn einst und jetzt.-“ Am 30. April, fasste der Stadtrat den Beschluss die Jahrmärkte wieder auf den Friedrichs Platz zu verlegen.  Am 15. April brannte das Wohnhaus des Tünchers Franz Eccarius, Teichgasse, 5 und am 25. Dezember das Wohnhaus des Geschirrhalters Paul Gessert, Lindenstraße 10

Jahresrechnung:   
                 Gesamt Einnahmen: 529 844,46 Mk
                 Gesamtausgabe:    516 838,11 Mk
                 Kurrenteinnahme:  215 340,63 Mk
                 Kurrentausgabe:   218 211,34 Mk 

Jahr 1913.

25 655 Kurgäste eincl. Passanten. ( 13 119 Kurgäste und 12 536 Passanten) Strassenbauten: Verlängerung der Karlstrasse von der Alexandrinenstrasse bis zur Höhe des Reinhardsberges und Verlängerung der Alexandrinenstrasse von der Straßenkreuzung Karlstrasse bis zur Eisenbahnbrücke. Verbreiterung des Burchhardtsweges.- Der nach dem Melketal führende Promenadenweg erhielt nach dem Namen seines Stifters die Bezeichnung „Lodde-Promenade.“. Vergrößerung des Luftbades am Reinhardsberge. Das Bergtheater wurde mit einer Beleuchtungsanlage versehen, um auch an Sommerabenden Aufführungen Veranstalten zu können.- Wasserbohrungen an Der Klinge. Am 26. August wurde zum Gedenken des Heldentodes Theodor Körner am Spiegeberghause in einer patriotischen Feier die Körner-Eiche gepflanzt. Kommerzienrat Kammereoker aus München stiftete der Stadt ein Denkmal Kaiser Wilhelm I. aus Dankbarkeit für die in Friedrichroda gefundene Genesung seines Sohnes. Auf dem Wilhelmsplatz wurde am 15. Juni feierlich der Grundstein gelegt und am 7. September fand mit einer großen ‘Feier die Enthüllung des Denkmals statt. Aus Dankbarkeit ernannte die Stadt Friedrichroda Herrn Kommerzienrat Kammerecker zu ihren Ehrenbürger. In den Grundstein des Denkmales wurden verschiedene Urkunden eingefügt. Über das hiesige Schulwesen berichtet die von Herrn Rektor Böttner verfasst Urkunde ( gekürzter Auszug): Die Stadt Friedrichroda hat zur Zeit folgende Schulen:

  1. eine Knaben- und Mädchen-Bürgerschule,
  2. eine pflichtmässige Knaben- Fortbildungsschule,
  3. eine wahlfreie Mädchen-Fortbildungsschule bezw. Haushaltungsschule,
  4. eine Höhere Privatschule für Knaben und Mädchen,
  5. Die Bürgerschule ist siebenstufig und zählt in 14 Klassen ( 7 Knaben- und 7 Mädchenklassen ( 700 Kinder ( 350 Knaben und 350 Mädchen), die von 11 Lehrern, 3 Lehrerinnen und einer Haushaltslehrerin unterrichtet werden.
  6. In der Knaben. Fortbildungsschule wird der Unterricht nur im Winterhalbjahr und zwar in 4 Wochenstunden, der Zeichenunterricht das ganze Jahr hindurch in 2 Stunden am Sonntagvormittag erteilt. Die Zahl der Fortbildungsschüler betrug in Winterhalbjahr 1913/14: 135.
  7. Die wahlfreie Mädchen-Fortbildungsschule, die nur während des Winterhalbjahres im Gange ,ist, wurde zuletzt von 43 Mädchen besucht. Der Unterricht erstreckt sich auf Kochen, Waschen, Plätten Maschinennähen, Buchführung, Stenographie- und Maschineschreiben. Der Gesamtetat dieser drei Schulen betrug im Rechnungsjahre 1912/13 52680 Mark.
  8. Die Höhere Privatschule ist eine zehnstufige Anstalt mit 5 Klassen, die insgesamt 75 Schüler und Schülerinnen zählen. Der Unterricht umfasst außer den Lehrfächern der Volksschule Französisch, Englisch, Kunstgeschichte und Mathematik. Als ständige Lehrkräfte sind an der Schule tätig 2 Lehrer und 2 Lehrerinnen. Außerdem erteilen noch 5 Hilfslehrkräfte Unterricht. Ferner befinden sich in der Kapsel des Denkmalgrundsteines die Schenkungsurkunde des Stifters, die Liste der Stadtrats- und Stadtverordneten, der städtischen Beamten, Berichte der Stadt-, Schul-, Kirchen- und Kurverwaltung, eine Kurliste, ein Stadtplan, Verzeichnis früherer Kriegsteilnehmer und Veteranen und anderes mehr. Vom 14. – 16. September fand hier der Thüringer Bädertag statt. Am 4. Juni ging ein sehr schweres Gewitter nieder. Jeden Augenblick schlug der Blitz ein. Riesige Wassermassen wälzten sich durch die Straßen und in Häuser und Keller drang das Wasser ein. Am 10. März wurde die am heutigen Pusckin  Park gegenüber dem Hotel Herzog Ernst stehende Villa Wilhelm bis auf die Grundmauern durch Feuer vernichtet.

Mit dem Jahre 1914 begann der Leidensweg der deutschen Nation. Die grosse Masse aller Deutschen lebte leichtgläubig und politisch uninteressiert in den Tag hinein und hatte keine Ahnung und kein Verständnis von der Gestaltung der außenpolitischen Verhältnisse. Diejenigen Kreise, die mit politischen Dingen wohlvertraut waren, das waren entweder schwerfällige am alten Zopfe hangende Politiker, oder unter jüdischem Einfluss stehende Personen, die systematisch der Einkreisungspolitik fremder Mächte dienstwillig Vorschub leisteten. Beim Ausbruch des Weltkrieges sagte der deutsche Kaiser Wilhelm II. wörtlich: Also die berühmte Einkreisung Deutschlands ist nun doch endlich zur vollsten Tatsache geworden, trotz aller Versuche unserer Politiker und Diplomaten, sie zu finden. Das Netz ist uns plötzlich über den Kopf gezogen und hohnlächelnd hat England den glänzendsten Erfolg seiner beharrlich durchgeführten puren antideutschen Weltpolitik gegen die wir uns machtlos erwiesen haben, indem es uns isoliert im Netze zappelnd aus unserer Bundestreue zu Österreich den Strick zu unserer politischen und ökonomischen Vernichtung droht. Eine großartige Leistung, die Bewunderung erweckt, selbst bei dem, der durch sie zugrunde geht! Beim Kriegsausbruch schmolz die Flamme vaterländischer Begeisterung Volk und Reich zu einer Einheit, die das deutsche Reich noch niemals erlebt hatte, Selbst die Sozialdemokraten ließen das von ihnen vorher schwer bekämpfte Reich in den Stunden der Not nicht im Stiche und bewilligten bereitwillig die beantragten Kriegskredite. Nach der ersten Begeisterungswelle zeigte es sich nur zu bald, dass der Krieg wirtschaftlich nicht genügend vorbereitet war. Eine Zwangsbewirtschaftung der Nahrungsmittel unter Festsetzung von Höchstpreisen war in Friedenszeiten für einen Kriegsfall nicht durchdacht und vorbereitet worden. Die Unkenntnis führte deshalb zu verschiedentlichen Fehlmassnahmen der Behörden, z. B. führten örtlich eingeführte Höchstpreise zur Benutzung wichtigster Nahrungsmittel als Futtermittel für das Vieh. Anfangs des Jahres 1915 mussten auf behördliche Anordnung sämtliche Gemeinden über 5 000 Einwohner einen auf den Kopf der Bevölkerung berechneten Vorrat an Dauer Fleischwaren anlegen. Mit dieser Maßnahme begann der bekannte „Schweinemord“, jene überstürzten Schweineschlachtungen, denen schließlich der Staat im März 1915 Einhalt gebieten musste. Die____ geführten und bewirtschafteten Kriegsgesellschaften verwirtschafteten teils aus Unkenntnis, teils aus Unfähigkeit, Achtlosigkeit, vielleicht auch mit bösem Willen die Lebensmittel. Daneben wucherte üppig der Hamster- und Schleichhandel, bei dem Verbrecherische Wucherpreise für alle Lebensbedürfnisse gefordert und bezahlt wurden. An den Fronten kämpfte, blutete und starb der heroische deutsche Soldat und daheim mussten seine Angehörigen infolge der geringen Kriegsunterstützungsgelder darben und hungern. Nur der über Nacht schwerreich gewordene Kriegsgewinnler kannte weder Not noch Sorgen. Er führte e in üppiges, lasterhaftes Schlaraffenleben. Die Regierung war gegen diese Auswüchse machtlos und konnte sich zu keinen Anhilfemassnahmen entschließen. Trotz äußerlicher Stärke kämpfte das innerlich todkranke deutsche Volks einen Verzweiflungskampf, an dessem Ende , Freimaurer und verbrecherische Instinkte triumphierten. Der Kurort Friedrichroda war in Jenen Jahren, wie jeder andere Kurort, ein getreues Spiegelbild der allgemeinen wirtschaftlichen Missstände. Der Kriegsausbruch brachte plötzlich das gesamte Kurleben zum Erliegen, aber in den folgenden Kriegsjahren war äusserlich gesehen vom Kriege wenig zu verspüren. Wohl waren in einigen hiesigen Häusern verwundete Soldaten untergebracht, aber der Feldgraue war in der Minderzahl gegen jene Schieber. Wucherer und Kriegsgewinnler, die auf unseren Promenaden lustwandelten und in den hiesigen Lokalen bei üppigen Zech- und Fressgelagen ein Prasserleben führten. Der Stadtrat und die Kurverwaltung unterstützten dieses Schmarotzerleben mit ihren emsigen Bemühungen um Herbeischaffung von Zusatzlebensmitteln für die Kurgäste. Man könnte seitenlange Berichte über die damaligen Zustände schreiben, aber man tut gut, wenn man diese unliebsamen Geschehnisse nicht aufrollt, sondern ruhen lässt. Gedenken wollen wir lieber jener hiesigen Einwohner, denen der Krieg ihre bürgerliche Existenz vernichtete, derer die durch die Einberufung ihres Ernährers ein kümmerliches Dasein fristeten, der Männer, die

ihre Gesundheit opferten und der Söhne, Ehemänner und Brüder, die im Kampfe ihr Leben gaben. Am schmählichen Kriegsende waren alle Opfer umsonst gebracht worden.

Jahr 1914.

Die Kurliste der letzten Julitage meldete 9 403 Kurgäste und 6 498 Passanten. Am Ende des Jahres 1914 wurden 10 146 Kurgäste und 6 726 Passanten, zusammen 16 872 Personen gezählt. Bau der von Kommerzienrat Schönlank aus Berlin gestifteten Schutzhütte in der Nähe des Luftbades auf dem Reinhardsberge, die dann den Namen des Stifters erhalten hat. Auf dem früheren Rathausplatze wurde vom Verschönerungsverein ein Denkstein mit bronzener Gedenktafel zur Erinnerung an das im Sommer 1904 abgebrannte Rathaus errichtet. Bau des Försterhauses am Körnberg.- Am 27.Mai fuhr die Pferdepost zum letzten Male zwischen Friedrichroda und Kleinschmalkalden und an ihre Stelle wurden Postautos eingestellt. Einbau eines neuen Gasofens im Gaswerke. Die Rechnung des Gaswerkes schloss mit einem Reingewinn von Mk. 14. 608.- Am 28.November Stillegung des letzten Friedrichrodaer Bergwerkes, des sogenannten Kalkstollens an der Büchigpromenade. Am 1. Februar brannte der Dachstuhl des Hauses Franz Hienach, Herzog Ernstplatz 4 ab.

Der Krieg.

Mit der Verhängung des Kriegszustandes am 31. Juli und der Bekanntgabe der Mobilmachung am 1.August begann eine fluchtartige Abreise der Kurgäste, sodass die abfahrenden Eisenbahnzüge kaum die Abreisenden fassen konnten. Die Kurkonzerte wurden eingestellt und bald war es in dem sonst im Monat August so belebten Kurort Friedrichroda still und öde geworden. Am 2., 3. und 4. August wurden die zur Fahne einberufenen Friedrichrodaer unter Begleitung des Militär- und Landwehrvereins mit Musik zur Bahn gebracht. Die Spionenfurcht verursachte in unserem Badeorte durch die Anwesenheit vieler Ausländer, hauptsächlich Russen, grosse Aufregung. Ein spionenverdächtiger Musiker der Kurkapelle musste vor der aufgeregten Volksmenge die Flucht ergreifen. Er wurde verhaftet, später aber wieder frei gelassen. Die Ortseingänge, Eisenbahnbrücken und der Eisenbahntunnel wurden von bewaffneten Bürgern Tag und Nacht bewacht und dabei wurde jeder Passant und jedes Fuhrwerk angehalten und durchsucht. Dazu setzte ein Ansturm ein auf die Sparkassen und Lebensmittelgeschäfte, denn jedermann wollte sein Guthaben retten und sich einen großen Vorrat von Nahrungsmitteln beschaffen. Ab 6. August ließen die Aufregungen allmählich nach. Bis zum 1. Dezember 1914 waren 443 Friedrichrodaer zum Wehrdienst einberufen worden. Mit dem Kriegsausbruch hörte für die arbeitenden Klassen jede Erwerbsmöglichkeit auf und der Stadtrat beschloss zur Linderung der dadurch eingetretenen Notlage die Ausführung von Notstandsarbeiten. Im Wege dieser Arbeiten wurde im Herbst mit der Überdeckung des Schilfwassers und dem Ausbau der Bachstrasse zwischen Schillerstrasse und Mühlengasse begonnen.

Jahresrechnung:   
                 Gesamt Einnahmen: 324 754,04 Mk
                 Gesamtausgabe:    272 545,91 Mk
                 Kurrenteinnahme:  223 049,86 Mk
                 Kurrentausgabe:   232 713,86 Mk 

Jahr 1915.

11 007 Kurgäste, 11 782 Passanten, zusammen 22 879 Personen. Fertigstellung des Strassenausbaues Bachstrasse und des unteren Teiles des Finsterbergerweges.- Beginn mit den Erdarbeiten am Bau der Thüringer Waldbahn, wobei viele hiesige Einwohner Beschäftigung fanden und außerdem russische und französische Kriegsgefangene beschäftigt wurden. Am 1. September landete ein Flieger wegen Motordefektes auf der Körnbergwiese am alten Schwimmbade. Beim Wiederaufstieg des Flugzeuges wurde Frau Ortmann mit ihrem Kinde vom Propeller erfasst und getötet.

Der Krieg.

Bis zum Ende des Jahres waren 45 Friedrichrodaer auf dem Felde der Ehre gefallen. Im Februar Einführung der Brotmarken. Bildung einer in feldgraue Uniformen eingekleideten Jugendwehr. Im August wurde die Beschlagnahme von Kupfer, Messing und Reinnickel verfügt. Die hiesigen Schulkinder sammelten 500 kg. Altmetall und Gummi. Zur Vermehrung des Goldbestandes in der Reichsbank wechselten die Kinder durch Vermittlung der Schulleitung 7 000 Mk. in Goldstücken ein. An der 3. Kriegsanleihe beteiligten sich die Kinder mit Schulsparkasseneinlagen im Gesamtbetrage von fast 6 000 Mk. Die Wohltätigkeitsbestrebungen des städtischen Hilfsausschusses, Gustav Adolf Frauenvereines, Vaterländischen Frauenvereines und Flottenbundes versuchten auf alle Art die Notlage der Vaterlandsverteidiger, Verwundeten, Hinterbliebenen und Ortsarmen zu lindern. Jahresrechnung:

Jahresrechnung:   
                 Gesamt Einnahmen: 389 200,20 Mk
                 Gesamtausgabe:    303 220,30 Mk
                 Kurrenteinnahme:  241 502,90 Mk
                 Kurrentausgabe:   221 842,81 Mk 

Jahr 1916.

11 212 Kurgäste, 9 218 Passanten, zusammen 20 631 Personen. Einführung einer städtischen Katzensteuer ( 1 Katze Mk. 3.-) Fertigstellung des Bahndammes der Thüringer Waldbahn. – 24. Januar Schiedsspruch in der Wegetafelangelegenheit im Gothaischen Domänenwald. (Die Herzogliche Verwaltung hatte verschiedene Wege im Walde durch Anbringung von Verbotstafeln für jeden Verkehr gesperrt).. Am 24. Februar wurde der Holzhauer Wilhelm Pfeifer am Schorn durch eine umfallende Buche getötet.- Am 25. Oktober wurde der Waldwart Pfauch in der Nähe des Spiessberges erschossen aufgefunden. Am 13. August brannte das Hintergebäude des Bäckermeisters Paul Müller, Bachstrasse 15, vollständig nieder.

Der Krieg.

Im Jahre 1916 haben 30 Friedrichrodaer Männer ihr Leben für das Vaterland geopfert.- Am 28. Februar wurde eine städtische Nahrungsmittelkommission gebildet. -Am 14.Januar wurde der Stadtrat seitens der Behörde aufgefordert wöchentlich zwei Schweine zu schlachten und das Fleisch an Einwohner mit einem Einkommen unter Mk. 1 500,- zu verkaufen.- Einführung der Fleisch-, Butter-, und Zuckermarken.- 30. April Verbot der Hausschlachtungen.- 1. März. Zur 4. Kriegsanleihe wurden in Friedrichroda 300 000.- Mark gezeichnet. 1.Mai Einführung der Sommerzeit und am 1.0ktober Herstellung der alten Zeitrechnung. Am 1. Oktober militärische Musterung des Jahrganges 1898. Veranstaltungen verschiedener Wohltätigkeitskonzerte und Sammlungen zum Besten der Kriegshülfe.. Am 1. Oktober wurde eine Beratungsstelle für Mütter und Säuglingspflege eingerichtet.- 300 Soldaten vom Reserve Lazarett Gotha wurden am 14. August hier bewirtet und ihnen einige frohe Stunden bereitet.- 17. Juni Sammlung von Hausgeräten und Kleidungsstücken für das verwüstete Ostpreußen.- Auf Anordnung des Herzogl. Staatsministeriums wurden am 25. November von 18 – 19 Uhr sämtliche Glocken geläutet zum ehrenden Gedächtnis für die Gefallenen. Am 31. Dezember nachts um 24 Uhr zweimaliges Glockengeläute mit Gebet um Frieden. Die Schulkinder sammelten die zu Geweben verwendbaren Brennnesseln, die ölhaltigen Steinobstkerne, sowie Kaffeesatz liefernden Heinzelmännchen. Die Sammlung der Steinobstkerne erbrachte ca. 30 Zentner. Am 20. Dezember Weihnachtsbescherung für die hier untergebrachten verwundeten Soldaten im Beisein der Herzogin Viktoria Adelheid.- Die Familien der hiesigen Kriegsteilnehmer wurden mit je einem Pfund Gries, Erbsmehl und Haferflocken bedacht.

Jahr 1917.

8 568 Kurgäste und 5 685 Passanten, zusammen 14 252 Personen.- In Friedrichroda wurden bei der Volkszählung am 2. Dezember 4 084 Einwohner gezählt. Ankauf des Geländes der niedergebrannten Villa Wilhelm. Das Grundstück sollte zusammen mit den Grundstücken der Villa Seebach und Hofmeier den Bauplatz für ein neu zu erbauendes Kurhaus abgeben. Zu diesem Bau sollte eine Genossenschaft m.b.H. unter Beteiligung der Stadt gebildet werden.- Keine Kurkapelle. Die Kurkonzerte wurden von Militärkapellen der umliegenden Garnisonen Gotha, Ohrdruf und Weimar ausgeführt.- Feldmarschall von Hindenburg wurde vom Thüringer Städteverband zur Ehrenbürger ernannt, wozu die Stadt einen Unkostenbeitrag von Mk. 50.- beisteuerte.

Am 31.Juli schlug der Blitz in die stötzer’sche Scheune Friedrichstraße ein und zündete, wobei ebenfalls das Wohnhaus stark beschädigt wurde, Der Kriegs Im Jahre 1917 starben 32 Friedrichrodaer für das Vaterland. Die Hauptaufgabe der Stadtverwaltung bestand in der Nahrungsmittelbeschaffung und Verteilung an die Einwohner. Zur Erleichterung der Verteilung der Lebengmittelkarten wurde die Stadt in vier Bezirke eingeteilt. Das Lebensmittelamt wurde in den Räumen des Hauses Hauptstraße Nr. 48 untergebracht. Die Nahrungsmittelbeschaffung der Kurverwaltung wurde besonders geregelt. Durch Vermittlung des Stadtrates verteilte die Kurverwaltung an die hiesigen Gaststätten grosse Mengen an Fleisch, Butter, Gemüsekonserven, Teigwaren u.a. Die Kurverwaltung bezog auf eigene Rechnung von außerhalb 22 550 Liter Milch und kaufte selbst Kühe an, wodurch noch eine weitere Menge von ca. 5 000 Litern Milch den Kurgästen zur Verfügung gestellt werden konnten. Zu ihrer Rechtfertigung führte die Kurverwaltung an, dass der Kurverkehr auf alle Art und Weise unterstützt und gehoben werden müsste, denn durch genaue Aufzeichnungen wurden in dem vergangenen Jahre über 217 072 Anwesenheitstage der Kurgäste festgestellt, woraus sich für unseren Kurort bei einen täglichen Verbrauch von nur 15 Mark pro Person eine Jahreseinnahme von 3 1/3 Millionen Mark ergibt. Der Geldmangel zwang die Stadtverwaltung zur Herausgabe von städtischem Notgelde im Betrage von Mk. 2.000.- in 0,50 Mk. Geldscheinen und 1 500 Mk. in 0,30 Mk. Scheinen. ( Anlage A/28) Die Anschaffungskosten für das Geld betrugen ca. Mk. 150,-. Für die Kriegsanleihe zeichnete die Stadt am 9. Oktober 9 300.- Mark.- Der Kohlenmangel und Mangel an Beleuchtungsmaterial führte am 23. November zur Einschränkung und zeitweiligen Einstellung der Stromversorgung. Die Schulen mussten wegen Kohlenmangel 2 Wochen geschlossen werden. Der Schulunterricht erlitt weiter erhebliche Störungen durch die Beurlaubung der größeren Kinder zu landwirtschaftlichen Arbeiten. Am 17. und 18.Juni mussten von der Kirchenorgel der Evangelischen Kirche die zinneren Prospekt pfeifen und ferner zwei Glocken abgegeben werden. Die Katholische Kirche musste ebenfalls zwei Kirchenglocken abliefern. Die seitens der Deutschwehr im Dezember 1916 in Betrieb genommene Kriegsküche wurde im Mai 1917 geschlossen. Es waren rund 9 000 Portionen Essen je 3/4 Liter abgegeben worden, wofür ein Betrag von rund Mk. 2.000.- aus den Mitteln der Deutschwehr verausgabt wurde. Eine Sammlung für die Hindenburgspende am 5.Oktober ergab 1 620 Mk. Büchsensammlungen  und durch Schulmädchen Mk. 418,12 1/3 der Gesamtsumme wurde verwendet für den Säuglings- und Kinderschutz, 2./3 wurde an die Hindenburgspende abgeführt und 1/3 fand Verwendung für Örtliche Verwundeten- und Kriegsfürsorge. Eine Sammlung für die U-Bootspende am 3. und 4. Juni erbrachte Mk. 2 050.- Am 29. September Feier des 70. Geburtstages des Generalfeldmarschalls von Hindenburg, wobei vom Militärverein auf dem Schillerplatz eine Hindenburg-Eiche gepflanzt wurde. Umfangreiche Felddiebstähle zwangen zur Einführung einer Feldwache durch hiesige Bürger.

Jahr 1918.

9 335 Kurgäste und 5 218 Passanten, zusammen 14 553 Personen. Erhöhung der Kurtaxe und Zahlung derselben auch in den Wintermonaten. Anschluss des Friedrichrodaer Elektrizitätswerkes an die Überlandzentrale und Stillegung und teilweiser Abbruch des hiesigen Werkes August Eckardt Straße 12 a. Am 14. Januar wurde zwischen dem Schweizerhof und Engelsbach ein Mann aus Catterfeld und am Kreuz ( Rennstieg) ein Soldat aus Seligenthal erfroren aufgefunden.

Jahresrechnung:   
                 Gesamt Einnahmen: 755 761,99 Mk
                 Gesamtausgabe:    577 529,-- Mk
                 Kurrenteinnahme:  238 634,39 Mk
                 Kurrentausgabe:   124 456,65 Mk 

Der Krieg.

Bis zum Kriegsende waren 1 173 Friedrichrodaer einberufen worden, von denen 174 ihr Leben für das Vaterland opferten. Für die Stadtverwaltung war das Jahr 1918 eines der schwersten Kriegsjahre. Vor allem bereitete die Beschaffung von Lebensmitteln grosse Schwierigkeiten. Der Kurverwaltung wurden seitens des Kriegsernährungsantes Berlin zusätzliche Lebensmittel für die Kurgäste zugeteilt, aber trotzdem zwang die schwierige Ernährungslage zu einer behördlichen Verfügung, wonach die Aufenthaltszeit der Kurgäste auf die Zeitdauer von vier Wochen beschränkt wurde, nur bei Vorlegung einer amtsärztlichen Bescheinigung über bestehende Krankheiten konnte die Kurzeit verlängert werden. Die Schulkinder sammelten in Jahre 1918:

Getrocknetes Laubfutter                               3 200 kg.

Bucheckern                                                    770 kg

Kastanien                                                       524 kg

Eicheln                                                               150 kg

Brennesselstengel                                              69 kg

Arzneikräuter                                                      69 kg

Altmetalle ( Kupfer, Messing, Staniol)           1 638 kg

Papier, Lumpen, Knochen                              268.5 kg

Infolge der wirtschaftlichen Kriegsverhältnisse verkauften fast 40 hiesige Hausbesitzer ihre Grundstücke, eine Zahl, die bisher noch in keinem Jahre zu verzeichnen war.- Die Herzogin Viktoria Adelheid stiftete am 5. Februar dem Vaterländischen Frauenverein einen Betrag von Mk 1.000.- für die Weitererhaltung des hiesigen Vereinslazarettes.- Die Ludendorff-Spendentage am 21.Juni und 1.Juli erbrachten einen Gesamtbetrag von Mk.3 711.Ein schweres Flugzeugunglück ereignete sich am 16.Mai. Ein Flugzeug der Luftwaffe stürzte aus beträchtlicher Höhe ab in den Gottlob, wobei beide Flieger den Tod fanden. Der Flugzeugführer war der Friedrichrodaer Hermann Schuchardt. Die Einbrüche, Haus- und Felddiebstähle nahmen derart überhand, sodass dieselben nicht einzeln aufgeführt werden können. Mit Fuhrwerken fuhren die Diebe vor Häusern vor, um das erbeutete Diebesgut fortschaffen zu können, z.B. wurde die Villa Gottfried ,Herzogsweg 7, teilweise von Dieben ausgeräumt. Hauptsächlich wurden Lebensmittel gestohlen, wobei sogar lebende fette Schweine mitgenommen wurden und viele Säcke Mehl aus der städtischen Mehlniederlage in der Schneidhofsmühle. Der Hunger machte manchen vordem ehrsamen Menschen zum Spitzbuben.- Die Stadtverwaltung gab wiederum bei einem Anschaffungsbetrag von Mk. 315.- Notgeld heraus für Mk. 8.000.- 0,50 Mk Geldscheine und für Mk. 10.000.- 0,30 Scheine. Bis zum 22.Oktober waren 32 200 Friedrichrodaer Notgeldscheine im Umlaute.

Die Revolution.

In den Abendstunden des 9.November 1918 Zug der Soldaten und linksradikalen Elemente unter Vorantragung einer roten Fahne durch die Straßen der Stadt. Anschliessend im Saale des Gasthofes zur Hermannsburg – Engelsbacherstr. 17) Versammlung, wobei sich der Arbeiter- und Soldatenrat bildete. Derselbe führte nunmehr das Regiment in unserer Stadt. Am 22. November wurde die Stadtverordneten-Versammlung zwangsweise durch den Arbeiter- und Soldatenrat aufgelöst und am 26. November fand die erste Sitzung des neugebildeten Stadtverordnetenkollegiums statt. Zahlreiche vom Arbeiter- und Soldatenrat einberufene Öffentliche Versammlungen brachten immer wieder erneute Unruhe in die Einwohnerschaft. Im Stadthaus ( Hauptstraße 50) saßen die Führer des Arbeiter- und Soldatenrates als vorgesetzte Instanz des Bürgermeisters und der gesamten Stadt Verwaltung. Über den Heuberg kommende, zurückkehrende Fronttruppen durchzogen in jenen Umsturztagen wiederholt die Straßen unserer Stadt. Wie ganz anders hatte man sich die – einmal ausgedacht ! Einzeln, nach und nach, von niemand beachtet, kamen unserer Friedrichrodaer in die Heimat zurück. Jahrelang hatte er sich draußen herumgeschlagen und daheim erwartete ihn nur Undank und erneute Not. Allein im Monat Dezember mussten an die Heimgekehrten 4 209 Mk. Arbeitslosen-Unterstützung gezahlt werden.

Die Jahre nach der Revolution 1918 waren in wirtschaftlicher, sozialer und politischer Beziehung die furchtbarsten Zeiten, die Deutschland jemals erlebt hat.   Wer z.B. die Zeiten der Inflation ( Geldentwertung) nicht mit erlebt hat, der kann sich kein Bild von jenem jammervollem Zustande machen, Kinder und Greise, Frauen und Männer, alle Menschen rechneten in jenen Jahren so geläufig mit Millionen, Milliarden und Billionen, so wie die späteren Menschen mit Pfennig und Mark rechnen. Wie sich diese Geldentwertung praktisch ausgewirkt hat, dafür soll nur ein einziges Beispiel angeführt werden. Der hiesige Einwohner Karl Rost schlachtete ein Schwein, das ihm ungefähr 500 Mark gekostet hatte. Nach einigen Wochen verkaufte er von dem Schweine einen Schinken und löste dafür 500 000.- Mark. Königlich freute er sich über den erzielten Gewinn und bewahrte das viele Geld fürsorglich daheim auf. Während der Heuernte in Sommer hatte er Verlangen nach einem marinierten Hering. Für einen einzigen Hering musste er jetzt 1 Million Mark bezahlen. Was dieser Mann in wenigen Wochen mit seinem Gelde erlebte, so erging es allen anderen Mitmenschen. Dem Arbeiter wurde der verdiente Lohn täglich ausgezahlt und trotzdem konnte er an anderen Tage für das am Vortage verdiente und erhaltene Geld nichts mehr kaufen. In jenen furchtbaren Zeiten machte nur der ein Bombengeschäft, der ausländische Wertpapiere und amerikanische Dollars aufkaufen konnte. Alle anderen Menschen verloren Hab und Gut. Mit der Einführung der Rentenmark wurde die Geldwährung wieder stabil aber die großen Massen des deutschen Volkes waren wirtschaftlich ruiniert und verarmt.

Jahr 1919.

8 773 Kurgäste und 6 700 Passanten, zusammen 15 476 Personen. Volkszählung am 8. Oktober 5 526 Einwohner mit 1 551 Haushaltungen. Beginn mit dem Strassenbau der Max-Küstner-Straße.- für die städtische Verwaltung wurden im Jahre eigene Pferde angeschafft.- Die Stadt übernahm von der Landesverwaltung das Land am Breitensee ( jetzt Sportplatz) und verpachtete es zu billigem Preise an minderbemittelte kinderreiche Familien und Kriegsteilnehmer. Im April wurde zum Schutze der Mieter und Vermieter ein Mieteinigungsamt eingerichtet. Aufnahme einer städtischen Anleihe von Mk. 50 000.- zum Ankauf von Auslandslebensmitteln. Zur Verbilligung dieser Lebensmittel übernahm die Stadt ein Drittel der Überteuerung.- Am 1. Oktober Gründung einer Städtischen Sparkasse. Am 1. Dezember Einrichtung einer Lungenheilfürsorgestelle. Einführung einer Musikinstrumentensteuer. Es waren hier vorhanden: 303 Klaviere, 15 Flügel und 20 Harmoniums, die einen Steuerbetrag von Mk. 17 300.- erbringen sollten. Die Gemeindeschwesterstation ging aus dem „Verein zur Anstellung einer Krankenschwester in städtische Verwaltung über. Bis sich 195 Arbeitslose gemeldet, für die Mk. 9 463,50 Arbeitslosenunterstützung gezahlt wurden.- Erneute Ausgabe von städtischen Notgelde: Mk. 5 000.- in 0,50 und 8.000.-Mk in 0,30 Geldscheinen.- Von 650 Schulkindern wurde an ca. 400 Kinder wöchentlich zweimal ein warmes Frühstück abgegeben. Die für die Speisung erforderlichen Nahrungsmittel wurden auf Kosten der Stadt vom Ernährungsamt der Thüringischen Staaten in Weimar durch den Kommunalverband Waltershausen der Schule zugeteilt. Im Laufe des Sommers wurden mehrere Fremdenheime wegen Unzuverlässigkeit geschlossen, wobei mehrfache Haussuchungen und Beschlagnahmen von Fleisch, Kartoffeln u. dergl. vorgenommen wurden. Die politischen Wirren führten zu mehreren Wahlen:  Am 16. März Stadtverordnetenwahl, wobei 6 Bürgerliche und 4 Sozialdemokraten gewählt wurden. 4.Mai Senatorenwahl. Am 25.Mai wurde Bürgermeister Hans Block aus Schubin zum Bürgermeister gewählt.- Infolge eingelegten Wahlprotestes fand am 15. Juni eine zweite Stadtverordnetenwahl statt mit demselben Resultat wie am 16. März. Am 1.Oktober legte Bürgermeister Block sein Amt nieder.- Am 2. November 3.Stadtverordnetenwahl, Resultat: 5 Bürgerliche, 4 Sozialdemokraten, 1 Politisch-Neutraler. Am 30. November wurde Bürgermeister Kurt Pönitzsch aus Hannover zum Bürgermeister gewählt. In einer öffentlichen Sitzung am 9. September verließen die bürgerlichen Stadtverordneten die Sitzung, sodass dieselbe abgebrochen werden musste. Für die Ausgeschiedenen traten bürgerliche Ersatzmänner ein, die in der öffentlichen Sitzung am 19. September verpflichtet wurden. In einer Sitzung wurde unter stürmischen Protest der Sozialdemokraten bekannt gegeben, dass in der Nacht vom 23 zum 24.Mai 500 Patronen, 25 Karabiner und 12 Handgranaten in die Stadt gebracht worden seien zur Bewaffnung der „Rechten“ (Bürgerlichen).- Außer den Kommunalwahlen fand am 12.Oktober eine Wahl für den Gothaischen Landeskirchentag statt. Dabei wurden für die Liste der „freien Volkskirche“ 156, für den *Dorfkirchenbund“ 508 Stimmen abgegeben. Zur Vorbereitung der Wahlen und zu Gunsten der Forderungen einer Thüringischen Volkskirche und der Erhaltung des Religionsunterrichtes in den Schulen fanden mehrere öffentliche Versammlungen statt. Die Diebstähle und Einbrüche nahmen im Jahre 1919 in erschreckendem Umfange zu. Bei einen Einbruch in der Villa Klara ( Alexandrinenstrasse 1) wurden Wäsche, Lebensmittel u. dergl. im Werte von RM 17.000.- gestohlen. Bei einem zweiten Einbruch in die Villa Gottfried (Herzogsweg 7 ) wurden Gegenstände im Werte von Mk. 5 000.- entwandet. Das Parkhotel Reinhardsbrunn wurde zweimal von Einbrechern heimgesucht, wobei der Kutscher zu Boden geschlagen wurde, sodass er längere Zeit im Krankenhause zubringen musste. In ähnlicher Weise wurden das Landhaus Feistkorn in der Karlstraße, die Villa Geibel im Büchig, das Antiquitätenhaus Kierski, das Geschäft Hörchner und mehrere andere Häuser von Einbrechern ausgeplündert. Außer den schweren Einbrüchen wurden noch zahlreiche leichtere Diebstähle verübt, bei denen meistens Vieh und Lebensmittel entwendet wurden. In der letzten Dezemberwoche wurde sogar die alte Witwe Louise Hermann geb. Merbach, Engelsbacherstraße 26 von Einbrechern ermordet. Trotz aller Fahndungen der Polizei wurde kein einziger Fall der Verbrecherischen Taten aufgeklärt.

Jahr 1920.

9 447 Kurgäste und 5 777 Passanten, zusammen 15 224 Besucher.- Die zu. nehmende Arbeitslosigkeit zwang zur Ausführung folgender Notstandsarbeiten: Anlage eines Promenadenweges auf der Wilhelmsplatz und Instandsetzung der übrigen Promenadenwege, Ausbau der Hornschuhgasse und Anlegung beiderseitiger Bürgersteige, Ausbau der verlängerten Bachstrasse ( Otto Jäger-Straße). Instandsetzung der Bobbahn und des Sprunghügels, Anlegung eines Holzabfuhrweges in Gottlob.- Ausbau und Erweiterung des Hüsselbachstollens.- Laut einem Beschluss des Stadtrates sollen die Kriegergräber auf dem hiesigen Friedhofe aus städtische Unkosten in Pflege genommen werden. Über sämtliche städtischen Angelegenheiten gibt der als Anlage A/29 beigefügte, von Herrn Bürgermeister Pönitzsch verfasste *Verwaltungsbericht der Stadt Friedrichroda für das Etatsjahr 1920″ erschöpfende Auskunft. Der Bürgermeister versuchte auch die Stadt Friedrichroda zu einer unmittelbaren Stadt zu bringen. Näheres geht aus der Anlage A/30 hervor.

Wahlen: Nach erbitterten Wahlkämpfen wurden bei der Wahl zur Landesversammlung abgegeben:

Unabhängige Sozialdemokratische Partei                818 Stimmen

Deutsche Volkspartei                                                766 Stimmen

Deutsche Demokratische Partei                               321 Stimmen

Deutschnationale Volkspartei                                   308 Stimmen

Sozialdemokratische Partei                                         52 Stimmen

Bauernbund                                                                   2 Stimmen

Ungültig                                                                     22 Stimmen

Noch erbitterter wurden die Wahlkämpfe zu der Reichstagswahl, die am 6.Juli stattfand. Dabei wurden abgegeben:

Deutsche Volkspartei                                                1 374 Stimmen

Unabhängige Sozialdemokratische Partei                1 128 Stimmen

Deutschnationale Volkspartei                                      635  Stimmen

Deutsche Demokratische Partei                                 260 Stimmen

Sozialdemokratische Partei                                         105 Stimmen

Zentrum                                                                         23 Stimmen

Bauernbund                                                                   19 Stimmen

Kommunistische Partei                                                  1 Stimmen

Ungültig                                                                        20 Stimmen

Bei dieser Wahl wählten die hier anwesenden Kurgäste mit. Dadurch erklärt sich die hohe Zahl der abgegebenen Stimmen. Bei einer 3. Wahl zum Thüringischen Landtag wurden abgegeben:

Deutsche Volkspartei                                                1 065 Stimmen

Unabhängige Sozialdemokratische Partei                  826  Stimmen

Deutschnationale Volkspartei                                    332  Stimmen

Deutsche Demokratische Partei                               166 Stimmen

Sozialdemokratische Partei                                         62 Stimmen

Landbund                                                                       3 Stimmen

Ende August tauchte der Gedanke zur Errichtung eines Körnbergturmes zu Ehren unserer Gefallenen auf. Eine für diese Zwecke von der Kurverwaltung veranstaltete Sammlung erbrachte Mk.3 872,43.- Anfang Dezember wurde in. folge starker Raureifbildung das Starkstrom-Leitungsnetz der Überlandzentrale derart beschädigt, sodass die Strombelieferung 14 Tage aussetzte. Ebenso zerrissen die Drahtleitungen des Orts- und Fernsprechnetzes.- Die Unsicherheit der letzten Jahre wurde immer grösser und ein Einbruch folgte dem anderen, ohne dass man der Einbrecher habhaft werden konnte. Im Dezember gelang endlich die Festnahme mehrerer Einbrecher, die fast alle Friedrichrodaer waren.- Am 3. Dezember beschloss der Stadtrat die Einführung einer Reihennachtwache, an der sich alle männlichen Einwohner im Alter von 20 bis 60 Jahren zu beteiligen hatten.

Jahr 1921.

12 909 Kurgäste und 9700 Passanten, zusammen 22 609 Besucher.- Einrichtung der „Quäkerhilfe“, einer Speisung unterernährter Kinder aus amerikanischen Spenden. Vom 12. bis 23. September fand auf dem Fohlenkoppel bei Reinhardsbrunn eine Ausstellung statt mit der Bezeichnung: „Erste Gross Thüringer Landwirtschaft-, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung mit Gross – und Kleintierchen.“ Auf dieser Ausstellung wurde Friedrichroda mit der Goldenen Medaille der Gebietsregierung ausgezeichnet. Bei der Wahl zur Gothaischen Gebietsvertretung wurden abgegeben: 1 530 bürgerliche und 1 021 sozialistische Stimmen.- Das gesamte kommunale und wirtschaftliche Leben der Stadt stand unter lähmendem Einfluss der Teurungszeiten. Es kosteten z.B. 1 Kilo Schweinefleisch Mk. 33.-, 1 Kilo Knackwurst Mk. 48.-   1 Ei Mk 0,80 -1, -,   1 Schachtel Streichhölzer Mk.0,35 usw.- Abbau der Zwangsbewirtschaftung und Aufhebung der Lebensmittelmarken für Butter und Milch. Am 10. Dezember wurde in der Köhlergasse der Maurer Hugo Creutzburg ermordet.

Jahr 1922.

12 342 Kurgäste und 7 854 Passanten, zusammen 20196 Besucher.. Am 29. April beschloss der Stadtrat den Ankauf des „Hotels National“., Gartenstrasse 9 zu einem Rathaus, für den Preis von 2 Millionen Mark. Die erste Gemeinderatssitzung fand am 13. Oktober in dem neuen Rathause statt. Außer dem Hotel National lag noch als weiteres Angebot zu einem

Rathause das frühere Hotel zur Schauenburg, Hauptstraße 32/34 vor.  Gegenüber der Tabarzerstrasse führte an den Häusern Gartenstrasse 9,11, 13,15,17,19,21, bis 23 ein schmaler Weg, die „Kleine Gartenstrasse“ entlang. Mit der Inbetriebnahme des neuen Rathauses wurde dieser Weg eingezogen und das Gelände den anliegenden Grundstücken einverleibt. Am 1.Oktober Schließung des Landratsamtes Waltershausen. Friedrichroda gehört von diesem Datum an zum Landratsamte Gotha. Behördlich wurde verfügt: der Bürgermeister führt den Titel Gemeindevorstand, der Stadtrat die Bezeichnung Gemeinderat und die bisherigen Senatoren müssen sich Beigeordnete nennen. Die Wahl des Bürgermeisters erfolgt nicht mehr durch sämtliche Bürger, sondern nur noch durch die Gemeinderatsmitglieder. Die Abschaffung der altgewohnten Titel und Sitten verursachte unter der Bürgerschaft grosse Erregungen. Die hiesige Oberrealschule wurde als städtische Anstalt übernommen.

Vom 29.- 30. Juli großes Renn-, Reit- und Fahrturnier auf der Fohlenkoppel.- Am 1.Oktober erfolgte die Ungültigkeitserklärung des bisher ausgegebenen städtischen Notgeldes.- Die Inflation mit ihrer sich stündlich steigernden Geldentwertung brachte grosse Not über die Einwohnerschaft. Eine Tasse Kaffee oder ein Glas Bier kostete z.B. am einem Tage 75 000.- Mark. An demselben Tage verdiente ein Arbeiter in einer Stunde 12 000.- Mark. Er musste also über 6 Stunden arbeiten um 1 Glas Bier zu verdienen. Rechnet man das Glas Bier mit RM. 0,30 dann verdiente dieser Arbeiter nach heutigem Gelde nicht einmal fünf Pfennige in der Stunde. Er konnte kaum für seine Familie das tägliche Brot kaufen und Not und Elend nahmen furchtbar überhand. Hier herrschte der größte Jammer und bei den Kurgästen dagegen ein üppiges Wohlleben, wie es unser Kurort noch niemals gesehen hatte. Für Gold, Silber und seine ausländischen Devisen konnte sich der Kurgast das Unmöglichste leisten. Der frühere Vornehme Kurgast war verschwunden. – Inflationsgewinnler führten hier ein Herrenleben. Der am 2. Februar proklamierte Eisenbahnerstreik führte zur Einstellung des Bahnverkehrs. Bis zum 6.Februar fuhr täglich nur ein Zug nach Fröttstädt und ab 6. Februar wurde der Zugverkehr gänzlich eingestellt. Erst am 14. Februar wurde der Personen und Güterverkehr wieder vollständig aufgenommen. Die fehlende Zufuhr aller lebenswichtigen Waren führte zu mancherlei Notständen. Durch den Rathenau Mord wurden „zum Schutze der Republik“ hier verboten: Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund, Jungdeutscher Orden, Deutschvölkische Jugend, Alldeutscher Verband, Deutschnationaler Beamtenbund und die Nationalsozialistische Arbeiterpartei.

Der sozialdemokratische Oberschulrat Jacobi ordnete an: Namhaftmachung und Meldung derjenigen Lehrer und Schulkinder, die an der Gedächtnisfeier für den ermordeten Reichsminister Rathenau nicht teilgenommenen hatten.- Die Kreis- und Gemeinderatswahl am 10. September brachte nach heftigen Wahlkämpfen zwischen rechts und links eine Niederlage der sozialistischen Parteien. In den hiesigen Gemeinderat wurden gewählt:

10 Bürgerliche, 4 Sozialdemokraten und 1 Kommunist.

Am 18. Mai Brand des Stadthauses ( Hauptstraße 50).

Jahr 1923.

9 822 Kurgäste und 6 143 Passanten zusammen 15 965 Besucher.- Einrichtung einer Volksküche für die notleidende Einwohnerschaft. Die Inflationszeit trieb immer üppigere Blüten und das soziale Elend war kaum noch ertragbar. Mit der Einführung der Rentenmark am Ende des Jahres wurde dem fürchterlichen Kurssturz der deutschen Mark Einhalt geboten.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen           68 528 Billionen 470 Milliarden, Papiermark
 Ausgaben            68 528 Billionen 470 Milliarden, Papiermark 

Damit stand die Stadtkasse vor einem Nichts.

Jahr 1924.

11 840 Kurgäste, 8 860 Passanten, zusammen 26 700 Besucher,- Nach den vorstehenden Zahlen hatte Friedrichroda einen guten Kurgästebesuch zu verzeichnen. In Wirklichkeit war der Besuch nicht so glänzend, wie er aussieht. Durch die Vernichtung jedes Privatvermögens und den spärlichen Umlauf des Rentenmarkgeldes fehlte es an barem Umlaufgelde und die Kurgäste verkürzten ganz beträchtlich ihren Kuraufenthalt. Die besseren Hotels und Pensionshäuser wurden kaum besucht, da die gutzahlenden Kurgäste fehlten. Diese Notstände führten am 11. Dezember zur Gründung einer wirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft zur Hebung und Förderung des Fremdenverkehrs, bestehend aus der Freien Gastwirt-Innung, dem Hausbesitzerverein und dem Fremdenheim- und Einzelhandels-Verband. In jenem Jahre erscholl immer wieder der alte Ruf: „Schafft Industrie nach Friedrichroda !“.- Am 5.Juli Gründung der Baugenossenschaft „Hilf Dir selbst“ und am 25.August erster Spatenstich zum ersten Hausbau in der Rosenau. Am 16.Januar beschloss das Kreisverwaltungsgericht in Gotha die Auflösung aller hiesigen Freien Innungen und anschließende Umwandlung in Zwangsinnungen. Auf Anregung der hiesigen Militärvereine wurde Anfang August eine Sammlung für ein Denkmal der im Weltkriege Gefallenen veranstaltet, die 340 Goldmark erbrachte.- Am 31. August fand das von Deutschen Motorradfahrer-Verband Veranstaltete erste Inselberg-Rennen statt, das auf einer Rundstrecke von 33,5 Kilometern Länge von Friedrichroda nach Kleinschmalkalden, Brotterode und Tabarz führte.- An dem Rennen nahmen 63 Rennfahrer teil.- 1.September Brand des Hintergebäudes des Bäckermeisters Paul Müller, Bachstrasse 15.

Jahresrechnung:  
 Einnahmen                 366 310,29 Mk
 Ausgaben                  377 758,65 Mk

Wahlen:

Das an politischen Spannungen überreich- Jahr 1924 brachte am 10.Februar eine Landtagswahl, am 4. Mai eine Reichstagswahl und nach der erfolgten Auflösung des gewählten Reichstages eine zweite Reichstagswahl am 7. Dezember. Die Wahlkämpfe brachten Unruhen, persönliche Verfeindung und gehässige Auseinandersetzungen in die kleinste Gemeinde.

Zu der Landtagswahl findet sich eine einzige kleine Notiz in der Friedrichrodaer Zeitung vom 2. Februar 1924 mit folgendem Wortlaute: “ Eine nationalsozialistische Wahlversammlung in Cabarz, Veranstaltet die nationale Arbeiterpartei Gotha morgen Nachmittag 3.30 Uhr im Inselberger Hof.“ In den Wahlkämpfen hatten sich die Nationalsozialisten dann mit der Deutschvölkischen Freiheitspartei zu der Nationalsozialistischen Freiheitspartei, später auch völkisch-Sozialer Block genannt, zusammengeschlossen.

Aus den hier in Friedrichroda damals verbreiteten Wahlaufrufen sollen nur einige Blütenlesen folgen. So schrieb der Ordnungsbund zur Landtagswahl : * Alle Parteien sind rastlos tätig, um möglichst viele Stimmen zu gewinnen. Am rührigsten sind die deutsch-Völkischen Sonderlistler, denn sie haben es am nötigsten, auf Stimmenfang auszugehen.

Die lehrreichen und interessanten Abstimmungszahlen der Wahlen des Jahres 1924 geben mancherlei Aufschluss über die politische lokale Stimmung und Zusammensetzung und dieselben sollen deshalb ungekürzt angeführt werden.

Landtag Wahl 10.2.24

Reichstagwahl 4.5. 24

Reichstag wahl. 7.12.24.

Deutschnationale Partei

498

568

Völkisch- soz. Block ( NSDAP)

309

302

131

Deutsch.Volks-Partei

649

575

Ordnungsbund

1 745

Wirtschaftspartei

341

666

Landbund

———-

Demokratische Partei

Sozialdemokr.Partei

286

Unabhäng.Soz.Partei

514

52

Kommunistische Partei

358

328

Deutsch. Arbeitnehmer P.

19

Polnische Volkspartei

Zentrum

38

Mieter-Partei

24

Verschiedene Parteien

Wahlberechtigte

3 831

3 756

3 754

Bürgerliche Stimmen ( Rechts-Parteien)

2 054

1792

2 016

Sozialistische Stimmen ( Links-Parteien)

2

878

856

456

Nichtwähler

888

1 109

ca.

990

Jahr 1925.

11 341 Kurgäste, 9 423 Passanten, zusammen 20 764 Besucher.- Bei einer Ende Juni durchgeführten Volkszählung wurden hier incl. anwesender Kurgäste 3 083 männliche und 4511 weibliche Personen gezählt. Am 12. Juli Grundsteinlegung und am 12. Oktober Enthüllung des Krieger-Denkmals für die im Weltkriege 1914/18 Gefallenen auf dem Schillerplatz.- Bau des Musikpavillons auf dem Wilhelmsplatz.- Laut Gemeinderatsbeschluss vom 10. Juli wurde der Siedlung der Baugenossenschaft „Hilf Dir selbst“  die Bezeichnung  „Rosenau“ erteilt und am 14. Juli wurde der Friedrichrodaer Bürgermeister Max Küstner geehrt, indem der bisherige Friedhofweg nach beendeter Ausbau den Namen Max Küstner-Straße“ bekam.- Lange Zeiten führte Friedrichroda in seinem Stadtwappen einen Bergmann mit einer brennenden Fackel in der rechten Hand. In der Stadtverordnetensitzung am 10. August gab Bürgermeister Theermann bekannt, dass bei Nachforschungen in Archiv für Heimatschutz in Weimar und in der Schlossbibliothek Gotha festgestellt worden sei, dass Friedrichroda jetzt ein falsches Wappenbild führe, denn das älteste vorgefundene Siegel vom Jahre 1741 zeigte keinen Bergmann, sondern einen Landmann mit Hacke und Baum. Das Stadtwappen soll auf Grund dieser Feststellungen einwandfrei richtiggestellt werden. – 23. – 25. Mai Thür. Einzelhandelsverbandstag und am 14. Juni Bundesfest der Thür. Berg-, Burg- und Waldgemeinden in Friedrichroda.

Das falsche Stadtwappen mit dem Bergmann wurde als Siegel von 1878 – 1925 geführt.

20.11.1925 – 6.12.1925  III. Internationale Wintersportausstellung.

Am 7. Juni   II. Inselberg- Motorradrennen, woran sich 125 Rennfahrer beteiligten und das von ca. 15 000 Zuschauern besucht wurde.- Am 13.Mai wurde in der Villa Schneegass (Reinhardsbrunnerstrasse 15) die Witwe Bertha Holdschuh von einem unbekannten Täter ermordet.- 19. Januar Dachstuhlbrand der Batteriefabrik Otto Jäger Engelsbacher-Str. 25/31.

Wahlen.

Am 22. Februar fand eine Gemeinderats- und Kreisratswahl statt. Zur Gemeinderatswahl wurden abgegeben: 1 627 bürgerliche, 864 sozialistische und 50 ungültige Stimmen. Auf Grund dieser Abstimmung erhielt die Rechte 9 und die Linke 4 Sitze im Stadtparlament. Zur Kreiswahl wurden gezählt: 1 428 bürgerliche, 988 sozialistische und 96 ungültige Stimmen. Rund 1 400 Wähler übten ihr Stimmrecht nicht aus. Beide an einem Tage stattgefundene Wahlen lassen die Wankelmütigkeit und politische Überzeugungslosigkeit der Wähler erkennen. Fast 200 Personen, die bei der Gemeinderatswahl rechts gewählt hatten, pendelten bei der Kreisratswahl zur Linken über. Nach der Steigerung der ungültigen Stimmen um fast 100% muss man annehmen, dass diese Wähler überhaupt nicht wussten, was sie wollten. Bei der ersten Reichspräsidentenwahl am 29. März, wobei Oberbürgermeister Dr.Jarres im Reiche die meisten Stimmen erhielt, wurden hier von 3 819 Wahlberechtigten abgegeben: 1 967 bürgerliche, 693 sozialistische und 2 ungültige Stimmen. Nichtwähler: 1 157. Die zweite Reichspräsidentenwahl am 26. April mit dem Kandidaten Feldmarschall von Hindenburg zeigte wieder ein ganz andres politisches Bild. Es stimmten für Hindenburg : 2 595, für den Sozialist ( 445) und den Kommunist ( 363) zusammen 808, ungültig waren 48 stimmen. Nichtwähler 727.

Jahr 1926.

11160 Kurgäste, 10452 Passanten, zusammen 21 612 Besucher.- Ankauf des Kurhauses durch die Stadt. Ankauf der Bergmann’schen Puppen-Fabrik, Engelsbacher Weg zur Einrichtung einer Berufsschule. Am 11.Oktober wurde durch Notstandsarbeiter mit den Erdarbeiten am Sportplatz ( Breitersee) begonnen. Friedrichroda zählte an diesem Tage 182 Erwerbslose. Davon bezogen 52 Unterstützung, 87 arbeiteten am Sportplatz und 44 an Straßenarbeiten. Dafür wurde ein Stundenlohn gezahlt von Mk. 0,60 an Verheiratete, 0,52 an Ledige über 21 Jahre und Mk. 0,44 an Ledige unter 21 Jahre. Am 22. Juli wurden hier gezählt 2 493 männliche und 3 383 weibliche Personen, zusammen 5 876 Personen mit 1 755 Haushaltungen. Verpachtung des städtischen Gaswerkes an die Thüringer Ferngasgesellschaft auf die Dauer von 30 Jahren. In einem feierlichen Zuge vom Bahnhofe bis zur Kirche wurden am 8.September zwei neue Glocken eingeholt, als Ersatz für die im Weltkriege abgegebenen Glocken. Die Bürgerschule wurde von 465 Kindern besucht. Die Oberrealschule besuchten 180 Schüler. In der Berufsschule betrug die Schülerzahl: 251 Knaben und 206 Mädchen, zusammen 457.  Vom 4.- 6. September fand auf dem Fohlenkoppel bei Reinhardsbrunn der I. Thüringer Kyffhäuser-Kameradentag statt, den viele Tausende von Menschen besuchten. Zur Hebung des Kurverkehrs erstrebte man in Friedrichroda seit Jahren das Suchen und evtl. Erschließen von Heilquellen. Die Stadt und Kurverwaltung beauftragte mit solchen Sucharbeiten den Wünschelrutengänger Edler von Gräve aus Gernroda/ Harz. Derselbe fand im Februar bei seinen Wünschelrutenversuchen sehr viele Stellen, wo angeblich Mineralsalz, Süß- und noch andere Wasser vorhanden sein sollten. ( Ausführliche Berichte: Friedrichrodaer Zeitungen vom 18., 19., und 22. Februar 1926) An einer einzigen Stelle, auf der Höhe des Körnberges, wurden in folgenden Jahre 1927 Bohrversuche unternommen, die aber nach Erreichung einer Bohrtiefe von über 90 Metern erfolglos eingestellt wurden. Durch dieses Missgeschick, das jedem Wassersucher passieren kann, wurden keine weiteren Bohrversuche unternommen. Viele Friedrichrodaer waren mit der Einstellung der Bohrungen nicht einverstanden, denn unserer Stadt fehlte seit Jahren genügend Wasser. Wenn sich dasselbe nun nicht auf dem Körnberge fand, dann hätte man an anderer Stelle Versuche unternehmen sollen.  Auf Grund eines Gutachtens des Obersteigers Kellers beschloss die Kurverwaltung am 2. Juni 1926 den Ausbau der Höhle in den Fuchslöchern am Klinkensteintempel. Aus unbekannten Gründen ist dieser Beschluss nicht durchgeführt worden. Am 12.Januar verunglückte im Oberbüchig beim Holzfahren der hiesige Geschirrhalter Johann Reikowicz tödlich,

Wahlen.

Im Vergleiche zum Vorjahre war das Jahr 1926 ein „wahlstilles“ Jahr. Die Sozialdemokraten und Kommunisten verlangten in einem, der Reichsregierung vorgelegten Gesetzentwurfe die entschädigungslose Enteignung des gesamten Vermögens der ehemals regierenden deutschen Fürstenhäuser. Dieser Antrag führte zu einem Volksentscheid. Unter dem Grundsatz: *Gleiches Recht für alle * beteiligten sich die Rechtsparteien nicht an dieser Abstimmung. Der Volksentscheid am 11.Juni hatte in Friedrichroda folgendes Resultat:

Wahlberechtigt waren           4 024 Personen

Es wählten                              1 272

Es wählten nicht                     2 747

Auswärtige Stimmscheine wurden abgegeben 206

Von hier wurden 8 Stimmscheine ausgestellt. Mit “ Nein * stimmten Männer 41, Frauen 22, zusammen 63 Personen. Mit “ ja „stimmten Männer 668, Frauen 491,  zusammen 1109 Personen „

Ungültig waren 55 Stimmen. In der Stadtverwaltung herrschten unerquickliche  Zustände.

Ein Angestellter des Gaswerkes hatte beträchtliche Summen unterschlagen und auch sonst sollte die städtische Verwaltung nicht ganz in Ordnung sein. Dabei kam es zu schweren öffentlichen Angriffen gegen Bürgermeister Theermann, den Beigeordneten und mehrere Stadtverordnete. Eine vom Stadtverordneten Vorsitzenden Böttner einberufene “ Dringende öffentliche Gemeinderatsitzung am Donnerstag, den 5. August abends 8 Uhr im Sitzungszimmer des Rathauses. Tagesordnung: Rechtfertigung des Bürgermeisters gegenüber den Angriffen in der letzten öffentlichen Gemeinderats-Sitzung brachte nur erneute Aufregung unter die Einwohnerschaft. Dabei ist noch zu erwähnen, dass bereits im Frühjahr in vielen Eingaben und Zeitungsschreibereien die Auflösung des bestehenden Gemeinderats verlangt wurde. In einer Abstimmung am 21. März über „Auflösung oder Nichtauflösung des Gemeinderats“ wurde die Auflösung von der Wählerschaft abgelehnt.

Jahr 1927.

12 590 Kurgäste, 10867 Passanten, zusammen 23 457 Besucher.- Umfangreiche Umbauten im Kurhause.- Zur Linderung der Wohnungsnot erbaute die Stadt ein Sechsfamilienwohnhaus Marienstrasse 21.- Ankauf des Zechenhauses Schmalkalderstrasse 32 a.- Ausbau der Bergmann’schen Fabrik zur Berufsschule und Einweihung am 19. September 1927.- Die während des ganzen Sommers fortgesetzten Bohrungen nach Wasser auf der Körnberghöhe wurden anfangs September bei einer Bohrtiefe von über 90 Metern als erfolglos eingestellt. Die Notstandsarbeiten bei Anlegung des Sportplatzes mussten infolge fehlender Geldmittel eingestellt werden. Die Arbeitslosigkeit war immer noch sehr ernst. Im Januar wurden 168 Erwerbslose und 251 Zuschlagsempfänger gezählt und im Dezember 164 Erwerbslose und 240 Zuschlagsempfänger.- Die Bürgerschule wurde von 486 und die Oberrealschule von 160 Kindern besucht.- Friedrichroda zählte 5 683 Einwohner und 1 583 Wohnungen, davon waren 1 576 bewohnt. Am 22.Juli Gedächtnisstunde am Perthes Denkmal und nachmittags Kinderfest zur Feier des Tages, an dem vor 90 Jahren Justus Perthes zum ersten Male als Kurgast nach Friedrichroda kam. Die Kurliste konnte am gleichen Tage auf ein fünfundsiebzigjähriges Bestehen zurückblicken.- Am 13. September scheuten ein paar Pferde, wobei der Geschirrhalter Richard Hünefeld am Friedrichsplatz den Tod fand. Mit denselben Pferden fand am 17. Oktober der Fuhrmann Friedrich Holdschuh bei Catterfeld den Tod.

Wahlen.

Am 30. Januar fand eine Wahl zum Thüringer Landtag statt.

So kam es am 30. Januar zur Wahl, die hier folgendes Ergebnis hatte: Zahl der Wahlberechtigten 1 618 Männer 2 235 Frauen zusammen 3853 Ausgestellte Wahlscheine

9

42 Abgegebene Wahlscheine

25

67 12

26 Ungültige Stimmen

96

2 696

580

976

Damit sind gültige Stimmen 1 306 Männer 1 390 Frauen zusammen Gewählt wurden: Einheitsliste ( Rechts)

247

209 Sozialdemokraten

227

152 Kommunisten

152 Kommunist. Arbeitsgemeinschft.

25

20 Nationalsozialisten

16 59 D.Völk. Freih. Bewegung Demokraten

334 347 Reichp.Mittelstandes

30 P.f.Volksrecht u.Aufwertung

ing

23

Wahlberechtigte 3868 Gewählt haben 2 629 Nichtwähler

1 239

Jahr 1928.

13 251 Kurgäste, 10325 Passanten, zusammen 23 576 Besucher. Die ungeheuren Ausgaben, die der Ausbau des Kurhauses verursacht hatte, ließen im Stadtrat den Gedanken erwägen, eine Kurhauslotterie ins Leben zu rufen, die jedoch vom Thür, Innenministerium nur in beschränktem Umfange gestattet wurde, sodass dieselbe so gut wie keinen finanziellen Erfolg gehabt hätte.. Die Bauarbeiten an der Thür. Waldbahn wurden nach Jahrelanger Ruhepause wieder aufgenommen.

Die Zahl der Erwerbslosen betrug:

15.1. 28:  278 Unterst. Empfg. mit 164 Frauen u. 206 Kindern, zus. 648 Pers.

1.12. 28:  185 Unterst. Empfg. mit 116 Frauen u. 147 Kindern, zus. 480 Pers.

Die scheinbare Abnahme der Erwerbslosenziffer ist nicht auf einen wirtschaftlichen Aufschwung zurückzuführen, sondern durch die Wiederaufnahme der Erdarbeiten auf dem Sportplatze, bei denen ca. 70 Männer mit Notstandsarbeiten beschäftigt wurden. 21.Juli      3.Motorrad-Rennen rund um den Inselberg.- 29. September bis 1. Oktober Thür. Lehrerversammlung. 1. November Austragung der Deutschen Rodelmeisterschaft auf der hiesigen Rodelbahn. 11.September Brand der Schneidhofsmühle.

Wahlen: Zur Reichstagswahl am 20.Mai lagen 21 Wahlvorschläge vor, denen hier 19 mit Stimmen bedacht wurden. Die NSDAP wählten 30 Männer und 16 Frauen, zusammen 46 Wähler. Von 4005 Wahlberechtigten haben 3037 gewählt und zwar stimmten für rechts 2050, für links 961, der Rest war ungültig.- Zur Stadtratswahl am 2. Dezember lagen 5 Wahlvorschläge vor. Die Wahl ergab: für die Sozialdemokraten 3 Sitze, Kommunisten 1 Sitz und die bürgerlichen Parteien zusammen 9 Sitze. Verbunden mit dieser Stadtratswahl war eine Kreisratswahl mit ähnlichem Ergebnis.

Jahr 1929.

13 648 Kurgäste, 10 325 Passanten, zusammen 23 407 Besucher. Am 18. August Einweihung des nach mehrjähriger Bauzeit fertiggestellten Sportplatzes. 17. Juni Eröffnung der Thüringer Waldbahn.- Abbau der Oberrealschule aus Sparsamkeitsrücksichten. Die Schülerzahl betrug zu Beginn des Schuljahres 172. Durch den Abbau der Oberstufe und das Inkrafttreten des neuen Schulgeldgesetzes sank sie auf 113. Durch den Zusammenbruch des Hofbankhauses Max Müller, Gotha, das in hiesiger Stadt eine Geschäftsstelle unterhalten hat, wurden viele hiesige Einwohner schwer betroffen. Betrüblich war die Zunahme der Erwerbslosen, vor allem durch die Zunahme der ausgesteuerten Erwerbslosen. Die Stadt konnte zur Linderung der Not nichts unternehmen, denn städtischerseits waren keine Geldmittel zur Ausführung von Notstandsarbeiten vorhanden und Zuschüsse aus der produktiven Erwerbslosenfürsorge wurden nicht mehr bewilligt, da diese Mittel durch den Ausbau des Sportplatzes für einige Jahre im Voraus verbraucht worden waren. Zu Anfang des Jahres 1929 zählte man 333 Erwerbslose und 457 Zuschlagsempfänger. Beim Holzfahren verunglückte am 30.Mai im Ungeheurem Grund tödlich der Geschirrhalter August Ortlepp.- Am 1. Januar wurde die Buchhalterin eines hiesigen Hotels vor Hotel Lange von ihrem Bräutigam erschossen.- Bei ca. 30 Grad Kälte brannte am 12.Januar das Dachgeschoss des Fabrikanten Ewald Friederichs, Schmalkalderstrasse 55 und am 14. März der Dachstuhl an Hintergebäude des Hauses Hauptstraße 17.  Bei einer Versammlung am 29. November kam es im Saale des Hotels Klosterberg zu schweren Auseinandersetzungen und Zusammenstößen mit den Kommunisten.

Jahr 1930.

13 815 Kurgäste, 7670 Passanten, zusammen 22 259 Besucher. Neuherstellung der Straßendecke der Bahnhofstrasse.  Anschaffung eines Motorsprengwagens, der gleichzeitig als Feuerspritze verwendet werden konnte.  Am 26.Mai Abnahme und am 25. Juni Wiederaufsetzung des Kirchturmknopfes mit Einlegung umfangreicher Berichte und Urkunden. Vom 22. September bis 20. Dezember wurden umfangreiche Umbau- und Renovierungsarbeiten im Inneren der Evangelischen Kirche ausgeführt mit einem Kostenaufwand von ca. Mk. 28 000.-. Bei den Umbauarbeiten fanden sich wertvolle Funde, so befinden sich vor dem Altar unter dem Fußboden zahlreiche ausgemauerte Grabgrüfte mit aufgelegten beschrifteten Grabplatten. Ehemalige Pfarrer, Amtspersonen des früheren Amtes Reinhardsbrunn und andere Würdenträger aus alten Zeiten haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Nach den vorgefundenen Bemalungen der Kirchenwände muss die Kirche nach ihrer Ausmalung im Jahre 1585 ein wertvolles Kulturdenkmal des reformatorischen Zeitalters gewesen sein. Am 31. August überflog das Luftschiff Zeppelin Friedrichroda. – Die schwierige Wirtschaftslage bedingte ein weiteres Anziehen der Arbeitslosenziffern. Notstandsarbeiten konnten infolge Geldmangel nicht ausgeführt werden. Das Jahr 1930 begann mit einer Anzahl von 313 Arbeitslosen und endete mit 413 vorhandenen Erwerbslosen.

versuchten ordnend einzugreifen. Am 23.August gab Amtmann Hess bekannt, dass Friedrichroda jährlich 230 000 RM für Verzinsung und Tilgung aufzubringen hätte, also täglich 640 RM. Dem bisherigen Stadtrate sprach man jedes Vertrauen ab und so wurden für den 14. September gemeinsam mit der stattfindenden Reichstagswahl gleichzeitig Stadtratswahlen anberaumt.

Wahlen und Kommunalpolitik.

An allen Anzeichen merkt man, dass das Alte stürzen wird, denn überall in dem morschen Gefüge des deutschen Staatshauses kracht und splittert es. Eine allgemeine Wirtschafts- und Kommunal- Katastrophe ist bei der überhandnehmenden Not und Armut unvermeidlich, wenn nicht in letzter Stunde ein Retter aus diesem furchtbaren Chaos kommen wird. Das Jahr 1930 begann und endete mit unaufhörlichen, unliebsamen Auseinandersetzungen über den vollzogenen Umbau des Kurhauses, der weit über 1 Million Mark gekostet hat. Die Beschaffung und Verzinsung dieses riesigen Betrages verursachten unendliche Schwierigkeiten. Friedrichroda war zu jener Zeit eine kreisfreie Stadt, unterstand also direkt der Landesregierung. Diese Regierung versagte der Stadt die Genehmigung zur Aufnahme einer Anleihe von Mk. 200.000 und schlug dafür vor, den Kreis zu einer Bürgschaftsübernahme zu gewinnen. Der Kreisrat schlug in seinen Sitzungen vom 20. Juni und 30. Juni die Übernahme einer Bürgschaft ab. Mit Wirkung vom 1. Juli 1930 wurde Friedrichroda wieder der Aufsicht des Kreises unterstellt. Am 16.Jull löste der Kreis den Stadtrat auf, beurlaubte den amtierenden Bürgermeister Theermann krankheitshalber auf 2 Monate und betraute Amtmann Hess mit der kommissarischen Verwaltung der Stadt, um *Ordnung in die Finanzen der Stadt zu bringen“. Der Kommissar und sein Stellvertreter, der bisherige 1. Beigeordnete Freiherr von und zu der Tann,

Reichstagswahl.

In Thüringen lagen von 24 Parteien und Sondergrüppchen Wahlvorschläge vor. Die hiesigen abgegebenen Stimmen zersplitterten sich natürlich auch unter die 24 Wahlvorschläge und gaben dabei folgendes Bild:

Wahlberechtigt waren incl. 796 abgegebenen Stimmscheinen

4 138 Wähler. Gewählt haben 3 176 Personen. Die Nichtwähler betrugen 21%, ein niedriger Prozentsatz, der seit Jahren nicht zu verzeichnen war.

Stimmen erhielten:

Sozialdemokraten 415 ( 1928: 541)

Deutsch.Nat.V. Partei 672 ( 1928: 580)

Deutsch.Volkspartei Zentrum Kommunisten Demokraten Wirtschaftspartei Nationalsozialisten Christl.Sozialisten Splitterparteien

317 ( 1928: 504) 72

45 463 316 165 104 217

709 1194 193

5 206

162

2

Stadtratswahl. Es lagen vier Wahlvorschläge vor. Wahlberechtigt waren 3 851 Personen. Stimmen erhielten: Sozialdemokraten

428 ( 1928: 503 – 79) Bürgerl. Einheitslisten 1119 * 1584 – 465 Nationalsozialisten

929

— 929 Kommunisten

413 * 240 173 Ungültig

49

Ein Vergleich beider Wahlresultate lässt immer noch eine Wankelmütigkeit und politische Unreifheit mancher Wähler erkennen.

Zum ersten Male zogen in unser Rathaus vier nationalsozialistische Stadtverordnete ein.

Nach den vorstehenden Ausführungen politischer Art kehren wir zurück und setzen den eingangs des Abschnittes begonnenen Stadtverwaltungsbericht fort. Nach der Wahl vom 14.September bestand der Stadtrat aus 5 bürgerlichen Vertretern, 4 Nationalsozialisten, 2 Sozialdemokraten und 2 Kommunisten. Im Oktober beantragte Bürgermeister Theermann aus Gesundheitsrücksichten seine Pensionierung. Ende Oktober trat der kommissarische Bürgermeister Amtmann Hess von seinem Posten zurück. Zu seinen Nachfolger wurde Beigeordneter Freiherr von und zu der Tann bestellt. Um die gleiche Zeit bestätigte der Kreisausschuss, trotz mehrerer Einsprüche, die Wahl des Nationalsozialisten Holtzheuer zum Beigeordneten. Das sind kurze und nüchterne Berichte, die jedoch in den Stadtratssitzungen heftige Auseinandersetzungen und Konflikte hervorriefen. In einer Sitzung am 11. Dezember lehnte die NSDAP Fraktion und die Linke ein vorgelegtes Ortsstatut über Einführung einer Bürgersteuer ab. Nach dem Einspruch des Kommissars von und zu der Tann wurde die Sitzung geschlossen und nach Ablauf von wenigen Minuten eine neue Sitzung einberufen, die ebenfalls die Bürgersteuer ablehnte. Diese Ablehnungen waren zwecklos, denn am 17. Dezember führte der Kommissar im Einvernehmen mit dem Kreis die Bürgersteuer zwangsläufig ein. Im November und Dezember fanden mehrere geheime Verhandlungen statt zwischen Stadtrat und Bankverein, zwecks Übernahme der Geschäfte des letzteren durch die Stadt. Trotz aller Geheimhaltung wurde die Zahlungsschwierigkeit des Bankinstituts doch der Allgemeinheit bekannt und brachte Beunruhigung in weiteste Kreise der Einwohnerschaft. Am 20. Dezember schrieb der Stadtrat die vakante Bürgermeisterstelle öffentlich aus mit Meldeschluss bis zum 15. Januar 1931.

Jahr 1931.

12 879 Kurgäste, 6 580 Passanten, zusammen 19 459 Besucher,- Die Kurve der Reinhardsbrunnerstrasse bei dem Schlosse Reinhardsbrunn, die bisher wegen ihrer Unübersichtlichkeit mehrere Verkehrsopfer gefordert hatte, wurde umgebaut, wozu die Stadt einen Kostenbeitrag von RM 2 000.- beisteuerten musste. Instandsetzungsarbeiten in der Hauptstraße, Bahnhofstraße und dem Friedrichsplatz.

– Verkauf des städtischen Hausgrundstückes Hauptstraße 48 und Ankauf des Grundstückes Bahnhofstrasse 25 als Bauplatz für ein Feuerwehr-Depot. Die Volksschule besuchten 523 und die Realschule 86 Schüler. Die Schülerzahl der Berufsschule betrug 296.- Am letzten Maisonntag, den 31.5. fand das 10. Bundesfest der Berg-, Burg-, und Wald Gemeinden statt. Bei dieser Gelegenheit wurde eine Nachbildung des alten Friedrichrodaer Stadttores an seinem ursprünglichen Standort aufgestellt. 6.Juni Bezirkssängerfest unter Teilnahme von 54 Gesangvereinen.- Am 2. Dezember Einweihung des neuerbauten Feuerwehr- und Sanitäts-Depots, Bahnhofstrasse 25.- Der Friedrichrodaer Erich Marx errang am 9. Februar in Oberhof beim 50 Kilometer Schi-Langlauf den Titel Deutscher Meister. Der hiesige Fernsprechbetrieb wurde zu einem Selbstanschlussamt umgestellt. Ein Bild der allgemeinen Arbeitslosigkeit geben die Bewerbungen um das Amt eines städtischen Bausekretärs. Bei der öffentlichen Ausschreibung dieser Stelle meldeten sich über 700 Bewerber. Durch den Konkurs des hiesigen Bankvereins wurden Privat- und Wirtschaftskreise erheblich geschädigt. Am Hange des Reinhardsberges entstand am 4. April ein Waldbrand, dem ein Stück junger Bestand zum Opfer fiel. Am 20. April erschoss der Oberstleutnant a.D. Behrens seine Frau und sich selbst. 9 Personen verübten Selbstmord.

Kommunalpolitik. Mit einer bürgermeisterlosen Zeit war das Jahr 1930 geschieden, Friedrichroda hatte ein kommissarische Verwaltung. Zu der ausgeschriebenen Bürgermeisterstelle hatten sich bis zum Schlusstermin, den 15. Januar 33 Bewerber gemeldet. Von drei zur engeren Wahl gestellten Bewerbern wurde am 11. Februar Stadtrechtsrat Dr. Grimm, Gotha, in einer öffentlichen Stadtratssitzung zum Bürgermeister gewählt. Am 2. März trat Dr. Grimm sein Amt an. In seiner Antrittsrede sprach er von der unerfreulichen Finanzlage der Stadt, die jedenfalls zur Einführung neuer Steuern führen würde. Im Laufe des Jahres lehnte der Stadtrat wiederholt die vom Bürgermeister vorgeschlagenen neuen Abgaben und Steuererhöhungen ab. Nur durch dreimalige Ernennung zum Staatskommissar konnte Dr. Grimm die erforderlichen Finanz Maßnahmen durchführen. Die Schuldenlast Friedrichrodas betrug pro Kopf der Bevölkerung über RM 400.-, während der Reichsdurchschnitt nur RM 236.- betrug. Die mit dem 13. Juli eintretende deutsche Banken- Krisis, mit ihrer mehrtägigen Schließung aller Banken, den Angstabhebungen von Bankenguthaben usw. wirkte sich auf den Friedrichrodaer Geschäfts- und Kurverkehr unheilvoll aus. Dadurch kamen Verhandlungen des Stadtrates wegen Aufnahme einer langfristigen Anleihe zum Stillstande und das gleichzeitige Fällig werden größerer Beträge gab deshalb Anlass zu ernster Besorgnis. Die Steuerkraft des Ortes erlangte einen katastrophalen Tiefstand. Von 52 Geschäftshäusern der Hauptstraße meldeten 11 ihren Konkurs an und weitere 18 mussten wegen Geschäftsrückgang Schließen. Dazu lag in Friedrichroda die Zahl der ausgesteuerten Erwerbslosen weit über dem Kreisdurchschnitt. Die Reichsregierung Brüning konnte mit ihren Notverordnungen über Lohn- und Gehaltsabbau, Preissenkungen und dafür erhöhtem Steueraufbau keine Linderung der allgemeinen Notlage bringen und das wirtschaftliche und soziale Chaos in Deutschland wurde täglich schlimmer.

Jahr 1932.

12 569 Kurgäste, 4 380 Fassanten, zusammen 16 949 Besucher. Am 3. März wurde am 100. Geburtstage des langjährigen Schuldirektors Friedrich Grökel das Schulgässchen „Grökelweg“ umbenannt. Abbruch der „Villa Seebach“ in heutigen Hermann Göring Park.- Ostern 1932 Umwandlung der Realschule in eine Mittelschule.- In Schreiberhau errang Erich Marx zum zweiten Male den Titel “ Deutscher Meister“ im 50 Kilometer-Schilanglauf. Die Erwerbslosigkeit wurde immer trostloser. In einer Stadtratssitzung am 3.Februar gab Bürgermeister Dr. Grimm einen Überblick über die Notlage unserer Stadt. Am 1. Januar wurden 1 586 Personen aus öffentlicher Hand unterstützt, dazu kamen noch 54 Nichtunterstützte. Es fielen also 28 Prozent der Bevölkerung der Fürsorge anheim, Friedrichroda war seitens des Kreises in die Landgemeinden eingegliedert worden, wodurch hier die Unterstützungssätze niedriger waren wie in Ohrdruf und in Waltershausen. Auf Anstiftung der Kommunisten demonstrierten die Unterstützungsempfänger am 12.Mai vor dem hiesigen Rathause. Die ausgesteuerten Erwerbslosen wurden seitens der Stadt mit Straßen kehren beschäftigt mit einem Wochenlohn von RM 5.- bei 18stündiger Arbeitszeit. Am 20.Mai traten die Straßenkehrer in einen Streik ein mit der Drohung, dass sie von jetzt ab in den Hauptstraßen der Stadt betteln würden. Der Bürgermeister ließ ein Überfallkommando von Gotha kommen, um eine Störung des Kurverkehrs durch evtl. Bettler zu verhüten. In Waltershausen nahmen ähnliche Ausschreitungen ernsteren Charakter an, denn dort musste die Landespolizei sogar von der Waffe Gebrauch machen. In Friedrichroda kam es zu keinem ernsten Zwischenfall. Nach wiederholten Verhandlungen zog schließlich das Kreisamt die verfügte Kürzung der Unterstützungsgelder wieder zurück.- Durch die wirtschaftliche Notlage nahmen die Kriminalfälle überhand. Der hiesigen Polizeiverwaltung wurden im Laufe des Jahres gemeldet: 52 Diebstähle, 9 Einbrüche, Zechbetrug in 3 Fällen, 4 Einbruchsversuche, und 7 Überfälle. 5 Einwohner schieden freiwillig aus dem Leben. 4 Brände wurden gemeldet, darunter allerdings 3 unbedeutende Zimmerbrände und am 26.September der Brand des Doppelwohnhauses Günther, Herzog. Ernst-Platz 15/16.

Die Reichspräsidentenwahl am 13. März hatte hier folgendes Ergebnis:

Wahlberechtigte Personen 4 014

Abgegebene Stimmen            3 469

Es erhielten: Düsterberg        470 Stimmen

Hindenburg                             855

Hitler                                      1 467

Thälmann                               649

Winter                                    11

Ungültig                                  23

Ein Vergleich zu früheren Wahlen, ob rechts ob links lässt sich hier kaum anführen, denn bei dieser Wahl spielte Hindenburg als geachtete Person und nicht als Parteiführer immerhin eine gewisse Rolle. Die NSDAP und die Kommunisten konnten jedenfalls eine Stimmenzunahme verzeichnen. Nach Feststellungen des Reichswahlausschusses hatte keiner der Reichspräsidenten-Kandidaten die absolute Mehrheit erhalten und es musste deshalb zu einer zweiten Wahl geschritten werden.

In dem zweiten Wahlgange wählten am 10.April 3 372 Wähler von 4 015 Wahlberechtigten. Stimmen gaben ab für:

Hindenburg                    992

Hitler                          1 834

Thälmann                      346

Ungültig                         

33

Der 14.April brachte der hiesigen NSDAP Ortsgruppe eine Überraschung. Die hiesige Polizei führte auf Anordnung “ von oben“ bei zwei hiesigen SA Führern eine Haussuchung nach Waffen durch. In einer öffentlichen Einwohnerversammlung im Kurhaussaale sprach am 9.Mai Bürgermeister Dr. Grimm über die Finanzlage der Stadt, die wahrscheinlich zu einer Erhöhung der Bürgersteuer von 400 auf 500 Prozent führen würde. Zur Unterhaltung und nationalsozialistischen Werbung veranstaltete die Ortsgruppe am 10. Mai einen Deutschen Volkskunstabend. Die letzte Maiwoche brachte die bereits erwähnten kommunistischen Demonstrationsumzüge. Infolge der am 3.Juni durchgeführten Reichstagsauflösung begannen erneute Wahlkämpfe. Zur gleichen Zeit war die Amtszeit des Thüringer Landtags abgelaufen und es kam deshalb zu einer Doppelwahl für Reichstag und Landtag.

Am 8. September beschloss der Stadtrat in einer öffentlichen Sitzung einen Antrag der NSDAP Fraktion, wonach sämtliche Darlehensamortisation eingestellt, außerdem aber die Zinsen für alle aufgenommenen Kommunal-Darlehen, städtische Hypotheken und sonstige Darlehen auf 3 Prozent gesenkt werden sollten. Die übrigen Fraktionen stimmten diesem Beschluss zu, um nach ihrer Meinung die Undurchführbarkeit des Beschlusses unter Beweis zu stellen. In derselben Sitzung wurde der Bau eines neuen Schwimmbades und eines Sprunghügels erörtert, jedoch war für diese Projekte wenig Interesse vorhanden. Am 12. September wurde der Reichstag in seiner Eröffnungssitzung aufgelöst, nachdem wochenlange Verhandlungen zwischen den maßgebenden Stellen und den Parteien zu keiner befriedigenden Regierungsbildung geführt hatten. In einer Zeit wirtschaftlicher Not und politischer Hochspannung wurde das Deutsche Volk mit erneuten Wahlkämpfen belastet, die nach allgemeiner Meinung kein wesentlich anderes Wahlergebnis bringen würden. Der Wahlkampf verlief deshalb auch ziemlich ruhig, denn die Wahlfonds aller Parteien waren erschöpft.

Über die 7. Reichstagswahl von 6. November 1932 wird berichtet:

Wahlberechtigte                                3977

 Ausgestellte Stimmscheine                  93

 Abgegebene Stimmscheine               113

Abgegebene Stimmen                       3217

Gültige Stimmen                                3181

 Es erhielten:

NSDAP                                                1320    am 31. Juli  2324

Sozialdemokraten                                269                               431

Kommunisten                                       621                            644       

Zentrum                                                 37                            153

Deutschnat.V.P.                                  600                             731

Deutsch-V.P.                                       106                             182

Staatspartei                                           11                               65

Chr.Soz.Partei                                    141                              140

Splitterparteien                                  60                               21

Nach diesem Ergebnis haben sämtliche Parteien Stimmen verloren. Im Vergleich zur Reichtagswahl vom 31. Juli gibt die Abstimmung durch die damals abgegebenen 1 522 Stimmscheine kein einwandfreies politisches Bild. Inzwischen stand eine neue Wahl vor der Türe, die Stadtratswahl, und Kreisratswahl, die beide an einen Tage stattfanden. Nach den vielen Wahlen des Jahres war eine allgemeine Wahlmüdigkeit zu verzeichnen und so beschränkte sich die Wahlpropaganda auch nur auf wenige Versammlungen und die Verteilung von Flugblättern.

Stürmischer ging es am 1. Dezember in der Versammlung der Deutschnationalen Volkspartei im Kurhaussaale zu, in der es zu scharfen Auseinandersetzungen kam. An dieser Versammlung nahm sogar der frühere Friedrichrodaer Staatskommissar Bürgermeister Hess aus Frankenhausen teil, um Stellung zu nehmen gegen die ihm gemachten Vorwürfe während seiner hiesigen Amtstätigkeit. Eine grosse Rolle spielte in dieser Versammlung und im übrigen Wahlkampfe der sogenannte Holzschaden der Stadt.“ Dem Staatskommissar von und zu der Tann und dem Beigeordneten Holtzheuer wurde vorgeworfen, dass sie die Stadt durch unsachgemäße Holzverteilung um ca. RM. 6 000.- geschädigt hätten. Über den Verlauf dieser Versammlung findet sich in der als Anlage A/31 beigefügten Friedrichrodaer Zeitung vom 2. Dezember 1932 ein ausführlicher Bericht. Man muss der Nachwelt einmal solch einen Zeitungsausschnitt unterbreiten, damit sie sich ein Bild machen kann über die kommunalpolitischen Wahlkämpfe ihrer Vorfahren. Während des Wahlkampfes legte Bürgermeister Dr. Grimm am 1. Dezember der Einwohnerschaft den vom Stadtrat abgelehnten und von ihm auf kommissarischen Wege beschlossenen Nachtragshaushaltsplan für 1932 vor, der eine Erhöhung der Bürgersteuer auf 750 Prozent brachte. In dem Nachtrag wurde erwähnt, dass die städtische Zinsenlast jährlich RM 136 000.- betrage, außerdem sind RM 57 000.- Tilgung aufzubringen. Ungeheure Summen verschlinge ferner die Wohlfahrtsverwaltung mit einer voraussichtlichen Ausgabe für 1932 mit RM 190 000.-. Die städtische Kassenlage sei ständig gespannt durch die 1930 und früher aufgenommenen kurzfristigen Kredite, deren laufende Abzahlungen eine ruhige Sanierung erschwere. Kommunalwahlen mit ihren persönlichen Auseinandersetzungen brachten stets Aufregungen und Zwiespalt unter die Einwohnerschaft. Der Wahlsonntag vom 4. Dezember brachte endlich den aufgeregten Gemütern eine beruhigende Entspannung. Die Wahlbeteiligung war mit 66 Prozent sehr schlecht und sie hatte folgendes Ergebnis:

                                                           Stadtratswahl:                                    Kreisratswahl:

Wahlberechtigte                                            3951                                                   3951

Abgegebene Stimmen                                   2624                                                   2624

Ungültige Stimmen                                            68                                                      137

NSDAP                                                            836                                                       927

Bürgerliche Arbeitsgemeinschaft                  550                 

Kommunisten                                                 578                                                       592

Sozialdemokraten                                          226                                                       265

Deutschnat.Volkspartei                                 357                                                       474

Deutsche Volkspartei                                     —                                                         107

Nat. Bürgerl.Partei                                        —                                                         168

Bauernbund                                                   —                                                              3

Nach dieser Wahl zogen in das hiesige Stadtparlament: 4 Nationalsozialisten, 3 Bürgerliche, 1 Sozialdemokrat und 2 Kommunisten. Im Vergleich zur Stadtratswahl 1930 haben die Bürgerlichen Stimmen verloren zu Gunsten der NSDAP und KPD.

Jahr 1933.

 13618 Kurgäste, 5828 Passanten, zusammen 19 446 Besucher. Volkszählung am 16.Juni       2833 männliche, 3776 weibliche, zusammen 6 609 ortsanwesende Personen in 1 826 Haushaltungen. In vorstehenden Zahlen sind alle am 16.Juni hier anwesenden Fremden enthalten. Die tatsächliche Einwohnerzahl betrug 5 475 Personen. Am 1. Mai besuchten die Volksschule 269 Knaben, 301 Mädchen, zusammen 570 Kinder.

Zu Ehren des Bürgermeisters Max Küstner wurde am 3. Juli das Städtische Krankenhaus umbenannt „Max-Küstner-Kranken- und Erholungshaus „. In dem Hause wurde am gleichen Tage eine von Professor Achtenhagen, Friedrichroda, entworfene Max Küstner-Plakette in einer schlichten Feierstunde enthüllt.. Im Mai erfolgte die Erneuerung der Stragsendecken in der   _____ , Burg-, und Tabarzerstrasse. Laut einem Vertrage vom 5. Mai trat die Stadtverwaltung das Diakonatsgebäude, Herzog Ernst-Platz 2, an die Evangelische Kirche ab. Als Gegenleistung wurde die Stadt von allen im Regulativ von 1839 enthaltenen Verpflichtungen befreit. Damit ruhten jetzt für die Stadt die Zahlungen zur Glockenbeschaffung, verschiedene Rückzahlungen gekündigter Aufwertungsdarlehen, die unentgeltliche Stellung einer Pfarrerwohnung im Diakonatsgebäude. Zu gleicher Zeit wurde das Deputatfruchtgeld abgelöst, das die Kirche bisher an die Stadt zu zahlen hatte.- Im Oktober bekam Friedrichroda endlich eine Jugendherberge durch den Erwerb des Hauses Frohsinn, Herzogsweg 25. Bisher befand sich eine nur im Sommer geöffnete Jugendherberge in einem Erdgeschossraum des Schlosses Reinhardsbrunn. In dem Hausgrundstück Grund 3/5 befand sich ein mit 106 Mann belegtes Arbeitsdienstlager, für jedes von einem Arbeitsdienstmann geleistete Tagewerk wurden RM 2.- erhoben. Für 16 280 geleistete Tagewerke wurde eine Einnahme von RM 32 500.- erzielt. Mit diesem Betrage sollte die Lagerverwaltung das Arbeitsdienstlager finanzieren. Da dieser Betrag nicht ausreichte und staatliche Zuschüsse abgelehnt wurden, so musste das Lager am 30. September geschlossen werden.

Aus den Mitteln der stötzer’schen Legate veranstaltete die Volksschule am 6. September auf dem Städtischen Sportplatze ein Kinderfest. Die Mittelschule musste am 11. Februar wegen zahlreicher Grippeerkrankungen geschlossen werden. Einem tödlichen Unfall durch Überfahren eines Kraftwagens an der Straßenkreuzung Haupt- und Burg-Straße fiel der zehnjährige Schüler Hans Schreiber zum Opfer.

14

Kommunalpolitik.

Den Auftakt für das Jahr 1933 gab am 9. Januar eine stürmische Sitzung des neuen Stadtparlamentes in Saale des Hotel Gerth mit scharfen Angriffen der Kommunisten gegen die Nationalsozialisten. Der Saal war überfüllt von kommunistischen Zuhörern, die planmäßig den Gang der Verhandlung durch laute Tumulte und Zwischenrufe störten. Die nur wenige Punkte enthaltende Tagesordnung, Bericht des Bürgermeisters Dr. Grimm. Wahl des 1. Vorsitzenden und einige Dringlichkeitsanträge, konnte bei dem herrschendem Tumulte nur unter größten Schwierigkeiten erledigt werden. Nach der Sitzung demonstrierten die Kommunisten vor dem Hotel Gerth unter Hunger-, Hoch- und Niederrufen und dem Absingen der Internationale. Damit sich derartige Störungen nicht wiederholen konnten, führte der Stadtrat an 14.Januar die Ausgabe von Platzkarten für öffentliche Stadtratssitzungen ein. Jeder Stadtratsfraktion wurden für jedes Mandat zwei Platzkarten zur beliebigen Verwendung zugeteilt.

Am 31. Januar 1933 schrieb die Friedrichrodaer Zeitung: “ Eine neue Epoche der deutschen Geschichte beginnt. Kabinett Hitler – Hugenberg der nationalen Konzentration gebildet. Das 21. Kabinett seit der Revolution.-„,

Adolf Hitler hatte am 30. Januar mit seiner Ernennung zum Reichskanzler die Macht in deutschen Reiche übernommen.

Diese nationale Einigkeit an jenem Abende war aber nur von kurzem Bestande. Wenige Tage danach bildete sich auch hier am 20. Februar zur Durchführung der bevorstehenden Reichstagswahl ein Kampfblock * Schwarz-weiss-rot“

Dank der Notmaßnahmen der Reichsregierung zum Schutze des deutschen Volkes erfolgte eine sofortige Bekämpfung der kommunistischen Gefahr mit den schärfsten Mitteln. Bereits am 28. Februar wurden auch hier in Friedrichroda Aktionen seitens der hiesigen Polizei gegen die Mitglieder der kommunistischen Partei durchgeführt. Der Fund von staatsgefährlichen Schriftenmaterial bei den durchgeführten Haussuchungen führte zur Verhaftung von drei Funktionären der KPD. In diese erregten Zeiten fielen die Wahlkämpfe zur bevorstehenden Reichstagswahl. Am Abend des 3.März fanden hier zwei Wahlversammlungen statt.

Wahl vom 5. März 1933 hatte hier folgendes Ergebnis:

                                                                                               II. Reichstagswahl 1932

Wahlberechtigte                                 4013                                                   3977

Abgegebene Stimmen                       3547                                                   3217

Ungültige Stimmen                            30

Nationalsozialisten                             1824                                                   1320

Sozialdemokraten                              218                                                     269

Kommunisten                                     632                                                     621

Zentrum                                             41                                                       37

Deutschnation.V.P.                            624                                                     600

Deutsch.Volkspartei                           54                                                       106

Staatspartei                                        13                                                       11                   

Christi. Soz.                                        100                                                     141

Splitter Parteien                                 2                                                         52

Das interessante Studium der Zahlen gibt ein Bild über die politische Einstellung, aber auch politischer Unreifheit der Wählerschaft. Die Kommunisten halten trotz aller behördlichen Maßregelungen ihren alten Bestand. Das Spießbürgertum der DNVP. hängt noch am alten Zopfe und behauptet beharrlich seinen Stimmenbestand. Der Stimmenzuwachs der öffentliche Wahl. Nach dem Resultat der Reichstagswahl vom 5. März wurden der NSDAP 10 Sitze und der Kampffront Schwarz-weiß rot 3 Mandate im neuen Stadtrat zugeteilt.

In den Monaten Juni und Juli begann der grosse politische Reinigungsprozess. Am 20.Juni wurden die deutschnationalen Kampfringe aufgelöst und gesetzlich verboten. Die Kampfringe bestanden zu 60 – 70 Prozent aus ehemaligen Kommunisten und Sozialdemokraten, die hier Unterschlupf gesucht und gefunden hatten. Am 21.Juni wurde der Stahlhelm der obersten SA Führung unterstellt. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands wurde am 22.Juni verboten. Damit erloschen sämtliche sozialdemokratische Mandate in allen Parlamenten. Der Jungdeutsche Orden beschloss am 3.Juli seine eigene Auflösung, bevor eine Zwangsauflösung erfolgte. Die in Friedrichroda bestehende sozialdemokratische Zeitung „Friedrichrodaer Rundschau“ wurde durch eine Verfügung des thüringischen Ministeriums des Inneren vom 5. Juli verboten. Das Zentrum, die Volkspartei und noch mehrere andere Parteien meldeten am 7.Juli ihre vollzogene Auflösung an. Damit war der alte deutsche Parteienstaat endgültig begraben. Die hier noch bestehende Vereine: Arbeiter Turnverein, Arbeiter Samariter Bund, Reichsbanner und Arbeitergesangverein wurden am 14. Juli aufgelöst, und das gesamte Vermögen beschlagnahmt. Den Abschluss der Juli. Säuberungsaktion brachte die Stadtratssitzung vom 25. Juli im Saale des Hotels Deutscher Hof. Bürgermeister Dr. Grimm vollzog eine gründliche Abrechnung mit den reaktionären deutschnationalen Hetzern im Stadtrat. Über die schmutzige Wäsche, die an jenem Abende gewaschen wurde, findet sich ein ausführlicher Bericht in der Friedrichrodaer Zeitung Nr. 171 vom 25. Juli 1933.

Die Kommunisten hatten die Hoffnung auf einen Sturz des nationalsozialistischen Regimes immer noch nicht aufgegeben. Heimlich kamen dieselben zusammen und zwischen den einzelnen Ortschaften hatte sich ein regelrechter Kurierdienst entwickelt. Am 1. Oktober gelang der hiesigen Polizei auf Anregung der SA-Leitung die Aushebung einer Kommunisten-Zentrale im Hause Tabarzerstrasse 8. Vier Kommunisten, die zu einer Führerbesprechung zusammengekommen waren, konnten verhaftet und dem Amtsgericht Gotha zugeführt werden. Nach einigen Tagen wurden die verhafteten wieder freigelassen. Ihre weitere staatsgefährliche Tätigkeit führte jedoch am 23. Oktober zu einer erneuten Verhaftung. Die Reichshandwerkerwoche vom 15. bis 22.Oktober brachte als Auftakt einen großartigen Festzug aller hiesigen Innungen mit einer anschließenden Kundgebung im Kurhaussaale, in der Kreisleiter Busch, Bäckerobermeister Willy Müller und Bürgermeister Dr. Grimm sprachen.

Zum ersten Male in der deutschen Geschichte lag den Wählern nur ein einziger Wahlvorschlag vor,

Mit der Reichstagswahl war gleichzeitig eine Volksabstimmung verbunden. Der Stimmzettel für die Volksabstimmung hatte folgenden Wortlaut: „Billigst Du, deutscher Mann, und Du, deutsche Frau, diese Politik Deiner Reichsregierung, und bist Du bereit, sie als den Ausdruck Deiner eigenen Auffassung und Deines eigenen Willens zu erklären und Dich feierlich zu ihr zu bekennen?

Gewiss gehört ein kleiner Teil der 313 Stimmen Leuten, vor allem älteren Leuten, die aus Unkenntnis den Stimmzettel nicht vorschriftsmäßig ausgefüllt haben. Rechnet man die Nein- Stimmen und die ungültigen Stimmen beim Volksentscheid zusammen, so ergibt sich, dass bei der Reichstagswahl 72 ungültige Stimmen mehr gezählt werden mussten. Diese Stimmen gehören Jenen vaterlandslosen Gesellen der spießbürgerlichen Kreise, denen die Neuordnung im Dritten Reiche ein Dorn im Auge ist. Die Gesamtwahlbeteiligung betrug 95 Prozent. Zu den ausgefallenen 5 Prozent Nichtwähler zählen Kranke, inzwischen Verzogene usw., sodass nur ein geringer Prozentsatz Nichtwähler übrigblieben, die trotz wiederholter Aufforderung aus Hartnäckigkeit nicht zur Wahl gingen. Diese Leute wurden namenmässig festgestellt und ihre Namen sollten später seitens der NSDAP Ortsgruppenleitung öffentlich bekanntgegeben werden,

Jahr 1934.

13 503 Kurgäste, 8 983 Passanten, zusammen 22 486 Besucher. Straßen Erneuerungen: Gartenstrasse, und Bahnhofstrasse. 19.Mai Straßen Umbenennungen: Die Struth erhielt den Namen „August Eckardt Straße“  zum ehrenden Andenken an den langjährigen Vorsitzenden der Kurverwaltung August Eckardt und die Wiese und Gärten am Perthesweg bekamen den Namen _______________

Am 13.Juni erfolgte die Übergabe des fertiggestellten Kleinkaliberschiesstandes am Körnberge an die Organisationen. Im Juni erfolgte die endgültige Regelung der Zuteilung der Häuser auf dem Spiessberge an die Gemeinde Finsterbergen. Der Reichsstatthalter von Thüringen verkündete im Namen des Reiches mit Zustimmung der Reichsregierung folgendes Gesetz des Thür. Staatsministeriums :

$ 1. Die Häuser auf dem Spiessberg und die damit unmittelbar wirtschaftlich zusammenhängenden Grundstücke werden dem Gemeindebezirk Finsterbergen einverleibt.

2. Die Bestimmungen der Grenzen des nach § 1 einzuverleibenden Gebietes und die sonstige Durchführung dieses Gesetzes liegt dem Ministerium des Inneren ob.

Dieses Gesetz tritt mit Wirkung von 15. April 1931 ab in Kraft. Das Gesetz hatte damit eine rückwirkende Kraft von über 3 Jahren erhalten.

Der 19. Januar brachte mit der Tagung einen bedeutsamen Tag für Friedrichroda.

Anlässlich dieser Tagung stiftete die Städtische Kurverwaltung für den Sommer 1934 100 Ferienaufenthalte für erholungsbedürftige Männer. Am 27. Januar besuchte der neue Landrat des Kreises Gotha, Herr Ministerialrat Dr. Guyet Friedrichroda und besichtigte städtische Einrichtungen und verschiedene hiesige Betriebe. Inzwischen war Bürgermeister Dr.Grimm zum Bürgermeister in Gera gewählt worden. Am 31.Januar verabschiedete sich Bürgermeister Dr.Grimm in einer öffentlichen Stadtratssitzung im Hotel Deutscher Hof vom Stadtrat und der Einwohnerschaft mit einem Bericht über seine dreijährige Tätigkeit in Friedrichroda. Anlage Friedrichrodaer Zeitung A/32 . In dieser Sitzung wurde Beigeordneter Franz Fischer mit der Weiterführung der städtischen Verwaltung beauftragt und Stadtratsvorsitzender Karl Bause zum ehrenamtlichen Beigeordneten gewählt. Die Umtriebe monarchistischer Kreise führten am 6. Februar zu einem Verbote sämtlicher monarchistischer Verbände, eine Maßnahme, die sich auch in unserer Stadt auswirkte. In dem festlich geschmückten Friedrichroda traf am 17. Februar der erste Feriensonderzug * Kraft durch Freude mit Besuchern aus der Gegend der Stadt Bochum ein. Am 1. März wurde hier die Ortsgruppe in Reichsluftschutzbund gegründet. Durch die großzügig aufgezogene März Werbeaktion der NSV erhöhte sich die Mitgliederzahl der NSV von 143 auf 557. Mit der Eröffnung der “ 2. Arbeitsschlacht“ setzte ein Werbefeldzug des Handwerks zwecks Arbeitsbeschaffung ein. Am 21. März, den Kampftage dieser Arbeitsschlacht, versammelten sich sämtliche Organisationen im Hotel Deutscher Hof zu einer Kundgebung

Anschliessend marschierten die Versammlungsteilnehmer, die Mitglieder des Stadtrates

Musik nach der Rosenau. Dort vollzog Pg. Jürgen Hintzler den ersten Spatenstich zu den

gestifteten Wohnhauses für die kinderreiche Familie Adam Schmidt. Reichsstatthalter Fritz Sauckel und Polizeipräsident Ortlepp besichtigten am 17.April das in der hiesigen Jugendherberge untergebrachte Schulungslager des Studentenbundes.

Am 22. April wurden bei dem Brigadeaufmarsch der SA in Eisenach die beiden hiesigen SA-Männer und alten Kämpfer Arno Oschmann und Helmut Stötzer durch Überreichung des Ehrendolches ausgezeichnet.

eine Mütterberatungsstelle im städtischen Hause Grüner Weg 3 eröffnet. Volksbildungsminister Waechtler besichtigte am 4. Juni die hiesige Berufsschule und Volksschule.

In einer Stadtratssitzung vom 10. Juli wurde Beigeordneter Franz Fischer einstimmig zum Bürgermeister der Stadt Friedrichroda gewählt. Das am 2. August erfolgte Ableben des ehrwürdigen Reichspräsidenten von Hindenburg brachte für einige Tage Ruhe und Stille in unseren belebten Kurort. Bis zum Tage nach der Beisetzung wurde das Kurprogramm außer Kraft gesetzt. Im Gemeinschaftsempfang hörte man im Kurhaussaale die Übertragung der Trauer- und Beisetzungsfeiern. Am Kriegerdenkmal legte man zum Gedenken an den großen Verewigten und an seine im Weltkriege gefallenen Mitkämpfer einen Kranz nieder. Nach dem Tode des Reichspräsidenten

in einer Volksabstimmung die Zusage und Einwilligung des deutschen Volkes zur Vereinigung der Ämter des Reichspräsidenten und Reichskanzlers

Nach den beiden Abstimmungskundgebungen von 13. und 18.August fand am 19. August die Volksabstimmung statt. Die Abstimmung hatte in Friedrichroda folgendes Ergebnis: Wahlberechtigte                                                  4335                           Am 12.11. 1933 4 040

Abgegebene Stimmscheine               2007                                                         120

Ausgestellte Stimmscheine                165                                                          120

 Mit “ Ja“ stimmten                            5 222                                                      3591

# „Nein“                                              508                                                           157

Ungültige Stimmen                            177                                                            84

Wahlbeteiligung 94%, am 12.11. 1933 95%.

Über dieses Wahlergebnis inbezug auf örtliche Verhältnisse lässt sich schwer etwas bemerken. Die Zahl der ungültigen und Nein-Stimmen ist hoch, 14 im Vergleich zur Abstimmung 1933 sogar ungewöhnlich hoch, Woran liegt das ? Natürlich haben auch Friedrichrodaer mit „Nein“ gestimmt, denn die unverbesserlichen Nörgler, Krtikaster und auch politischen Gegner waren noch nicht ausgestorben. Die Lösung des Rätsels kann man einigermaßen richtig finden bei Betrachtungen über das Wahlresultat in den einzelnen Wahllokalen. Das Wahllokal im Rathause

In diesem Wahllokal wurden 1933 abgegeben 19 Nein und 7 ungültige Stimmen. Am 19. August 1934 zählte man hier 175 Nein und 52 ungültige Stimmen. Die Wahlkartei dieses Bezirkes verzeichnete 1 483 Wahlberechtigte, von denen für 60 Personen Stimmscheine ausgestellt wurden. Fremde Personen gaben bei dieser Wahl 1 053 Stimmscheine ab. Diese Stimmscheine verschleiern das Örtliche Abstimmungsbild. Jedenfalls sind die meisten Neinstimmen in den Stimmscheinwählern zu suchen. Ein statistisch verwertbares Bild hätte die Wahl ergeben, wenn für die Inhaber von Stimmscheinen ein besonderes Wahllokal zur Verfügung gestellt worden wäre, was für Friedrichroda bei einer Wahl in Sommer stets angebracht wäre. Im August wurde zum Schutz der Ernte ein Feldschutz – gebildet. Am 1.September waren die an der Volksschule in der Alexandrinenstrasse neuerbauten Klosettanlagen fertiggestellt. Zu den Baukosten von RM 10.000.- bewilligte das Thür. Volksbildungsministerium RM 6.300.- Zuschuss.

Mit einer schlichten Feier wurde am 9. Oktober in dem städtischen Hause Teichgasse 1 eingeweiht. Unter der Devise “ Jeden Kinde sein eigenes Bett“ wurden am 7. Dezember die vom Thüringischen Volksbildungsministerium angeordneten Erhebungen in der hiesigen Volksschule durchgeführt. Dabei wurde festgestellt: Von den 522 Schulkindern der Volksschule schliefen 412 Kinder in einem eigenen Bett, 64 schliefen mit einem anderen Kinde zusammen und 46 mit einem Erwachsenen. Es besitzen also rund 25 Prozent der Kinder kein eigenes Bett.

Jahr 1935.

15 021 Kurgäste, 9 775 Passanten, zusammen 24 796 Besucher.

Am 20.Januar wurde auf der 1 980 Meter langen Rodelbahn am Roten weg die deutsche Lenker- und Skeleton-Meisterschaft ausgetragen.- Beigeordneter Karl Bause hatte am 19. Januar sein Amt niedergelegt. An seine Stelle trat am 20. Januar Sparkassenleiter Jürgen Hintzler. Im Reichsgesetzblatt Nr.6 vom 30. Januar 1935 wurde die neue Gemeindeordnung veröffentlicht. Das Gesetz mit seinen 123 Paragraphen bezweckte und ermöglichte eine enge, ersprießliche Zusammenarbeit zwischen Staat – Gemeinde und Partei. An dem Schi-Rennsteiglauf von Oberhof nach Friedrichroda beteiligten sich am 3. Februar 146 Schifahrer  (1933 = 75, 1934- 114).

Nach einer Statistik vom 14. Februar besuchten die hiesige Volksschule 250 Knaben und 273 Mädchen, zusammen 523 Kinder, die von 9 Lehrern und 5 Lehrerinnen unterrichtet wurden. Die Mittelschule besuchten 80 und die Hilfsschule 28 Kinder, Insgesamt standen demnach rund 11 Prozent der hiesigen Einwohnerschaft im schulpflichtigen Alter. In der Nacht vom 16. zum 17. Februar richtete ein orkanartiger Sturm an den Gebäuden der Stadt und in den Wäldern großen Schaden an. Am Körnberg, Prinzessinnenweg und im Oberbüchig zählte man ca. 300 entwurzelte Bäume. Der Postautoverkehr nach Finsterbergen musste eingestellt werden. Der Beigeordnete und stellvertretende Bürgermeister Franz Fischer hatte am 23. Februar sein Amt niedergelegt. Diese Amtsniederlegung führte am 25.Februar zu einer Stadtratssitzung

Zum Beigeordneten wurde Sparkassenleiter Jürgen Hintzler ernannt. Die kommissarische Verwaltung der Stadt Friedrichroda wurde Bürgermeister Dr. Nederkorn, Waltershausen, übertragen. Die hiesigen Sporttreibenden Vereine schlossen sich am 27. Februar zusammen zu einer „Ortsgruppe des deutschen Reichsbundes für Leibesübungen“.

Der Maurer Karl Günther und seine Ehefrau Ernestine Wilhelmine geborene Hagner, Schlossweg 15, konnten am 7. März das seltene Fest der Diamantenen Hochzeit begehen.

Auf die Ausschreibung der Bürgermeisterstelle Friedrichroda hatten sich bis zum 11. April 80 Bewerber gemeldet.- Nach einen, von der hiesigen Amtsleitung der NSV am 18. April veröffentlichtem Berichte spendete Friedrichroda im Winter 1934/35 zum Winterhilfswerk des deutschen Volkes RM 9 879,41. An 791 unterstützte Personen wurden Geldmittel, Lebensmittel, Kleidungsstücke und Heizmaterial verausgabt im Werte von insgesamt          RM 27 839,30.

Zum 1.Mai war es bitter kalt. Schneestürme durchbrausten unser Tal –

Bei einer statistischen Erhebung wurden am 4.Mai in Friedrichroda gezählt: 58 Privat. Personenkraftwagen, 27 Motorräder, 14 Last- und Lieferwagen und 5 Omnibusse, ohne die Kraftwagen der Reichspost.- Im Monat Mai wurde der Ausbau der neuangelegten Kurhauskurve beendet. Seit Jahren gestaltete sich die Auffahrt zum Kurhause für Spann und später für Kraft-Fahrzeuge sehr schwierig. Die Zufahrt geschah auf dem steilen Wege an der westlichen Kurhausseite. Für die Aufstellung der Fahrzeuge war auf der Berghöhe wenig Platz und mit dem zunehmenden Kraftverkehr wurden die Parkverhältnisse ständig unhaltbarer. Durch die Anlegung einer Auffahrtsstraße an der nördlichen Kurhausseite wurde eine wesentliche Verkehrsverbesserung geschaffen. Vom 3.- 6.Juni wurde die “ Dreitage-Mittelgebirgsfahrt“ für Kraftfahrzeuge durchgeführt, mit dem Start und Ziel in Friedrichroda. 330 Kraftfahrzeuge beteiligten sich an den Prüfungsfahrten, von denen 116 infolge der sehr schwierigen Bergfahrten ausscheiden mussten.

Am 13.Juni feierten der Tüncher David Häfner und seine Ehefrau Wilhelmine geborene Kobstädt, Horst-Wessel-Straße 10, das seltene Fest der Diamantenen Hochzeit. -Bei einer im Juni durchgeführten Viehzählung wurden hier gezählt: 212 Schweine, 156 Kühe, 34 Kälber, 50 Pferde und 5 Schafe.- Nach der   —– eingeführten deutschen Wehrpflicht fand am 21. Juni die erste Musterung nach dem Weltkriege statt. Gemustert wurden die Jahrgänge der Geburtsjahre 1914/15. Am 14. Juli wurde das neuerbaute Städtische Schwimmbad am Sportplatz seiner Bestimmung übergeben.

– Im Juli bekamen die Schmalkalderstrasse von der Hessenmühle bis zur Hauptstraße und anschliessend die Hauptstraße bis zum Friedrichsplaz eine neue Oberflächenteerung. Im Hause Schreibersweg 6 brach am 22.Juli ein Dachstuhlbrand aus.

Bis Ende August hatte Friedrichroda eine achtzehnmonatige bürgermeisterlose Zeit erlebt. Nach dem Wegzuge des Bürgermeisters Dr. Grimm erledigte Beigeordneter Franz Fischer die Bürgermeistergeschäfte. Nach dessen Amtsniederlegung folgte eine sechsmonatige kommissarische Verwaltung durch Bürgermeister Dr. Nederkorn, Waltershausen. Am 2. September 1935 übernahm Bürgermeister Viktor Baars die Geschicke der Stadt Friedrichroda. Die feierliche Amtseinführung erfolgte am 3. September in einer öffentlichen Ratsherrensitzung _

In dieser Sitzung gab Bürgermeister Dr. Nederkorn einen Bericht über seine hiesige Tätigkeit und über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Stadt, die immer noch sehr angespannt und drückend sei. Landrat Dr. Guyet erklärte in seinen Ausführungen, dass Friedrichroda das Sorgenkind unter den 104 Gemeinden des Landkreises sei. Friedrichroda stehe mit seiner großen Verschuldung im Landkreise Gotha an zweiter und in ganz Thüringen vielleicht an vierter Stelle.

Am 29. September fand in Friedrichroda der 2. Kreis-Feuerwehr-Verbandstag des Landkreises Gotha statt mit Exerzierübungen auf dem Sportplatze, einer großangelegten Übung mit einem angenommenen Großfeuer im Thüringer Waldheim und der Hauptversammlung im Kurhaussaale.- Die erste öffentliche Sitzung der neuen Ratsherren mit ihrem neuen Bürgermeister fand am 30. September im Saale des Hotels Deutscher Hof statt.

Eine öffentliche Wahl der Ratsherren durch die Wählerschaft findet nicht mehr statt. Nach dem Inkrafttreten der neuen Deutschen Gemeindeordnung werden die Ratsherren durch den Bürgermeister zu ihrem Ehrenamte berufen. Der frühere Stadtrat bestand aus 13 Stadtverordneten. Die jetzige Ratsherrenversammlung besteht auf Grund der neuen Gemeindeordnung nur noch aus 8 Mitgliedern.

Das Erntedankfest 1935 wurde am 6.Oktober gemeinsam mit den Volksgenossen in Ernstroda gefeiert. Eine örtliche Feier fand nicht statt.—

Mit der Einstellung der Pferdepost verschwanden am 1. November in unserem Stadtbilde die letzten Anklänge an Altväterzeiten. Ab 1. November erfolgte die Zustellung der Pakete in unserer Stadt mit einem Kraftwagen. Mit dieser Maßnahme hörte auch das Bestehen der hiesigen Posthalterei auf, die sich seit dem 1. Juli 1884 in den Händen des Fuhrwerksgeschäftes Matthes Wiegand befand.–

Mit den 7. November wurde Frontkämpferbund * Der Stahlhelm * endgültig aufgelöst. Damit löste sich auch die hiesige Ortsgruppe des Stahlhelms auf.

Bei statistischen Erhebungen der wurde am 22. November festgestellt: Friedrichroda besitzt 20 kinderreiche Familien mit insge

Jahr 1936.

 17 193 Kurgäste, 8 399 Passanten, zusammen 25 592 Besucher. In Januar besuchten die Volksschule 253 Knaben, 270 Mädchen, zusammen 523 Kinder. Die Hilfsschule zählte 14 Knaben, 15 Mädchen, zusammen 29 Kinder. An den Olympia-Schi-Wettkämpfen im Januar nahm als einziger Thüringer der Friedrichrodaer Erich Marx am 50 Kilometer Dauerlauf teil. Im Januar wurde das Ergebnis der Personenstandsaufnahme vom 10. Oktober 1935 veröffentlicht, demnach zählte Friedrichroda damals 5 318 Einwohner, 2 061 Haushaltungen, 781 Wohnhäuser.- Am 24. Januar veranstaltete die NSDAP Ortsgruppe Friedrichroda eine Kundgebung mit Pg. Kahl als Redner. Nach statistischen Feststellungen durch Bürgermeister Baars zählte Friedrichroda am 1.Februar:

1 226                    Einwohner im Alter bis 17 Jahren,

1 876                    von 18 – 40 Jahren,

718                       41 – 50 Jahren,

695                       51 – 60 Jahren,

990                       über 60 Jahren,

5 505 Einwohner.

650 – 700 Personen sind Arbeitnehmer, von denen ca. 300 in auswärtigen Arbeitsstätten tätig sind. In Friedrichroda betrug die landwirtschaftlich genutzte Fläche 15 018 Ar, rund 600 Morgen. Davon bewirtschafteten:

                             22 Einwohner        bis 5 Ar,

                             52                          bis 10

                             53                          bis 20

                             71                          bis 50

                             39                          bis 100

                             23                          bis 200

Die Gesamtfläche wurde also von 262 Familien bewirtschaftet und dabei kamen durchschnittlich auf jede Familie 5,7 Ar… 1

Im Februar erfolgte Anlegung einer neuen Feuermelder-Anlage mit der Zentralstelle im Rathaus. Am 17. Februar fand die erste öffentliche Ratsherrensitzung statt. Bürgermeister Baars gab einen ausführlichen Bericht über die finanzielle und wirtschaftliche Lage der Stadt. Seit der Inflation habe Friedrichroda nicht weniger als 7 Bürgermeister und Kommissare gehabt. Die gesamte Schuldenlast betrage auf den Kopf der Bevölkerung RM 413.- bei einer Gesamtverschuldung von RM 2 270.000.- Die Schuldsumme wäre in den letzten Jahren erheblich gestiegen, da die Verzinsung – und Tilgungsbeträge zum Kapital geschlagen werden mussten. Grosse Beträge erfordere noch die Sozialfürsorge. Im Juni 1935 hatte Friedrichroda 50 Arbeitslose, im Dezember 155. Die jährlichen Lasten der Wohlfahrtsverwaltung betragen RM 110.000.- wovon auf Friedrichroda RM 43.000.- entfallen. Die Kleinrentner- und übrigen Fürsorgearten umfassen 147 Hauptunterstützungsempfänger und 119 Zuschlagsempfänger. Dazu kommen 155 Arbeitslose und 340 Zuschlagsempfänger Berücksichtigt man dabei, dass aus der Sozialversicherung etwa 1 000 Personen ihr Leben fristen, so kann man feststellen, dass in Friedrichroda rund 1 700 Personen aus öffentlichen Mitteln unterstützt wurden. Über die Lage des Hausbesitzers ergaben Ertragsberechnungen von vier verschiedenen Häusern ein katastrophales Bild. Es wurde festgestellt, dass die Rohmiete von 1930 bis 1935 um 21 Prozent gesunken ist, während die Steuerbeträge um 100 Prozent gestiegen sind. In Friedrichroda wurde die Durchschnittsbelastung des Hausbesitzes auf RM 1.000,- Einheitswert mit RM 93.- errechnet. Daraus erklärt sich, dass in den meisten Fällen zwangsläufig Reparaturarbeiten an den Häusern unterbleiben mussten, was sich natürlich wieder auf das heimische Handwerk auswirken muss. Bürgermeister Baars verlas in der Sitzung seine Eingabe an die Regierung mit einer ausführlichen Schilderung der Lage Friedrichrodas und mit Vorschlägen, wie der Stadt am wirkungsvollsten zu helfen wäre. Ende Februar wurden die Arbeiten zur Verbreiterung des Perthesweges bis zur Seebachbrücke in Angriff genommen.

Die Neuwahl für den neuen Reichstag wurde auf den 29. März festgelegt. Die Märzwochen standen nur im Zeichen der bevorstehenden Wahl.–

Über die Auswirkungen Aufbauarbeit in Friedrichroda berichtete die Friedrichrodaer Zeitung vom 27. März u.a.: “ Im Jahre 1932 wurden in der Friedrichrodaer Zeitung nicht weniger als 203 Zwangsversteigerungen und Konkurse veröffentlicht, in Jahre 1935 waren es nur noch deren 55.“– Der Wahlsonntag des 29. März begann bei lachenden, blauen Frühlingshimmel morgens 7 Uhr mit einer Gedenkfeier am Kriegerdenkmal, wo Ortsgruppenleiter Baars mit ehrenden Worten des Gedenkens an die grauen und braunen Kameraden einen Kranz niederlegte. Anschliessend marschierten die Formationen durch die Straßen der Stadt nach dem Herzog-Ernst-Platz. Hier gedachte Bürgermeister Ortsgruppenleiter Baars der Bedeutung des Wahltages und ermahnte die zahlreich versammelten Volksgenossen zur Erfüllung ihrer Pflicht. Die Wahl hatte in Friedrichroda folgendes Ergebnis:

Wahlberechtigte Personen                            3 824

Abgegebene Stimmscheine                               321

Zusammen:                                                    4 145

Nichtwähler                                                        33

abgegebene Stimmen                                    4 112

Für die Liste der NSDAP stimmten                4 097

gegen  die Liste der NSDAP stimmten               15

Bei der Volksabstimmung im August 1934 hatte Friedrichroda noch 157 Stimmen gegen den Führer und 84 ungültige Stimmen zu verzeichnen.

Motorbrigade Thüringen veranstaltete am 19. April eine Gelände- und Orientierungsfahrt. Die Strecke führte über 300 Kilometer durch Thüringens Berge. Start und Ziel waren Friedrichroda. An der Fahrt beteiligten sich 250 Fahrzeuge.

In der Ratsherrensitzung am 8. Mai sprach Bürgermeister Baars ausführlich über den Haushaltsplan 1936, der im ordentlichen Etat mit einem Fehlbetrage von RM 13.245.- bei RM 865 843.- und RM 879 088.- abschließt. Der außerordentliche Etat war mit 69 006.60 Einnahme und Ausgabe ausgeglichen…

30. Mai: Nach einem Gutachten des Sachverständigen des Reichsfremdenverkehrsverbandes Professor Dr. Pfannstiel, Direktor am Hygienischen Institut der Universität Marburg, wurde Friedrichroda der Charakter als heilklimatischer Kurort und Wintersportplatz zuerkannt.—

30. Mai: Durch das öffentliche Untersuchungsamt Gotha fand eine Besichtigung des Quellengebietes der Wasserversorgung Friedrichrodas statt. Über das Ergebnis der bakteriologischen Untersuchung des Trinkwassers berichtete das Untersuchungsamt:

1. Hochbehälter an der Heubergstrasse: 4 Keime pro ccm, in 1. 10 und 100 ccm kein Coli, keine pathogenen Keime,

2. Hochbehälter am Herzogsweg: 4 Keime pro ccm, in 1,10 und 100ccbm kein Coli, keine pathogenen Keime,

3. Hochbehälter am Hüsselbach: 3 Keime pro ccm, in 1, 10 und 100 ccm kein Coli, keine pathogenen Keime,

4.Tiefenbehälter im Wasserwerk: 9 Keime pro ccm, in 1,10 und 100 ccm kein Coli, keine pathogenen Keime,

4. Quelle im Hotel Lange: 14 Keime pro ccm, in 1,10 und 100 ccm kein Coli, keine pathogenen Keime.

Nach diesem Berichte sind die bakteriologischen Befunde des Wassers bei allen Entnahmestellen vollkommen einwandfrei. auch die chemische Untersuchung hatte ein einwandfreies Ergebnis erbracht.– In mehrfachen Veröffentlichungen gaben die Stadt- und Kurverwaltung Anregungen für die Verschönerung des Stadtbildes. Diesem Zwecke diente auch die Ausschreibung eines Blumenschmuck-Wettbewerbes. Am 29. Juni entlud sich über unserem Tale ein schweres Gewitter mit Wolkenbruch und Hagelschlag. Ein seltenes Ereignis für Friedrichroda bedeutete am 29. Juli der100. Geburtstag des Fräulein Eleonore Gröber, wohnhaft Herzogsweg 10. Seit 266 Jahren war solch eine Geburtstagsfeier in Friedrichroda nicht wieder vorgekommen. Im Kirchenbuche der hiesigen evangelischen Kirche wurde darüber geschrieben: Anno 1670, 30.Januar wurde beerdigt Elisabeth Kraueln, Witwe, ihres Alters 102 Jahre, hat erlebt 107 Kinder, Kindeskinder, Kindeskindskinder, wovon 21 verstorben sind. 83 sind noch am Leben und mehrenteils mit zum Begräbnis gegangen, welche alle von 2 Söhnen und 1 Tochter entsprossen sind“.

Die Ratsherrensitzung vom 31.Juli brachte einen kleinen Lichtblick in der Entwicklung der städtischen Finanzen. Der bevorstehende Umbau der Städtischen Kläranlage erforderte die Aufstellung einer 2. Nachtragshaushaltssatzung für 1936, über deren einzelne Punkte Bürgermeister Baars ausführlich berichtete. Am 1. August verlegte die Kurverwaltung ihre Geschäftsräume von Herzog Ernst-Platz 2 nach Gartenstrasse 19. Der bisherige Beigeordnete Jürgen Hintzler war von Friedrichroda verzogen. Zu seinem Nachfolger wurde der Ratsherr Zimmermeister Arno Schuchardt berufen. Mit einem Geldzuschuss des Landkreises Gotha und des Thür. Wirtschaftsministeriums wurde im August mit den Umbauarbeiten in der Kläranlage begonnen. Der Umbau war seit Jahren ein dringendes hygienisches Erfordernis. Nach mehrjähriger Pause veranstaltete die Volksschule am 3. September auf dem Sportplatz ein Kinderfest. Am 21. und 24. September wurden zum ersten Male allgemeine Verdunkelungsübungen in der Stadt durchgeführt.– Nach einer Bekanntmachung vom 10. September führt der von der Otto Jäger-Straße abzweigende und in die Engelsbacherstraße einmündende frühere Philosophenweg die Bezeichnung “ Engelsbacher Weg“. Ferner wurde die bisherige Straßen Bezeichnung Friedrichsplatz für die Grundstücke Nr. 6, 6a, 8 und 10 aufgehoben und in Untere Bachstrasse geändert mit den Hausnummern 4,6,8 der neuen deutschen Gemeindeordnung kann die Berufung eines neuen Bürgermeisters innerhalb eines Jahres zurückgenommen werden. Das erste Amtsjahr gilt also gewissermaßen als Probejahr. Bürgermeister Baars war am 1. September ein Jahr Bürgermeister in Friedrichroda und das Ministerium teilte Ende September mit, dass es auf die Zurücknahme seiner Berufung als Bürgermeister verzichte, da hierzu kein Grund vorliege. Diese Entscheidung wurde von der Einwohnerschaft allgemein begrüßt, denn jedermann hatte innerhalb des Jahres den Eindruck gewonnen, dass jetzt ein Mann an der Spitze der städtischen Verwaltung stand, der sich ernstlich und ehrlich um das Wohl und Gedeihen unserer Stadt bemühte. Im Oktober erfolgte die Erneuerung der Bürgersteige in der Garten-, Reinhardsbrunner- und Marktstrasse.– Am 10. Oktober wurde Baumeister Arno Schuchardt zum Beigeordneten verpflichtet.–

Das Städtische Kurhaus, von 1926 – 1930 verpachtet, dann städtischer Regiebetrieb, soll wieder einem Pächter übertragen werden, wozu sich 30 Bewerbe gemeldet hatten. Am Sonntag, den 1. November, verunglückte gegen 15 Uhr infolge dichten Nebels ein Flugzeug im Ungeheuren Grund, wobei 12 Personen den Tod fanden.–

In Felsenkeller tagte am 24. November eine Ratsherrenversammlung, der eine Besichtigung des Kurhauses vorangegangen war. Bürgermeister Baars berichtete über die Entwicklung des städtischen Schwimmbades, über die Fertigstellung der neuen Kläranlage, Ankauf einer Wiese an der Kläranlage, rückständige Schullasten in Höhe von RM 22 581.- und über eine an den Herrn Reichsstatthalter und Thüringischen Innenminister eingereichte Denkschrift mit einer Schilderung der städtischen Finanz- und Wirtschaftslage. Der Bericht wurde von Landrat Ministerialrat Dr. Guyet in außerordentlicher Weise befürwortet, sodass der Erfolg auch nicht ausblieb. Ministerialrat Dr. Chemnitius und Landrat Ministerialrat Dr. Guyet weilten am 23. November in Friedrichroda und haben noch einmal mit Bürgermeister Baars über alle Fragen verhandelt. Das Ergebnis war die Zusagung einer Staatsbeihilfe von RM 60.000.-, die noch erhöht werden wird durch einen Kreiszuschuss von RM 20.000.- Bürgermeister Baars berichtete, dass Friedrichroda in diesem Jahre RM 125.000. Gesamtzuschüsse erhalten habe, durch deren Verwendung eine wesentliche Besserung der Finanzlage eingetreten sei. Beigeordneter Wiegand sprach im Namen aller Ratsherren dem Bürgermeister, dessen unermüdlicher Fleiß und unverdrossener Arbeit dieser Erfolg zu verdanken sei, aufrichtigen Dank und herzliche Anerkennung aus.- Nach einer Veröffentlichung im November zählte Friedrichroda am 31. Oktober 5 653 Einwohner in 1878 Haushaltungen, Die Volksschule besuchten am 1.Dezember 259 Knaben, 263 Mädchen, zu522 Kinder.- Am 11. Dezember fand die letzte öffentliche Beratung der Ratsherren im Jahre 1936 statt, Auf der Tagesordnung standen Berichte 135 über die Jahresrechnung 1935, die Entwicklung der städtischen Finanzlage 1936, Bewilligung eines 3. Nachtrages zum außerordentlichen Haushaltsplan und die Anschaffung einer Stadtfahne in den Farben Rot-Grün.

Jahr 1937.

17 993 Kurgäste, 9 657 Passanten, zusammen 27 650 Besucher. Am Jahresanfange zählte Friedrichroda 5 604 Einwohner in 1882 Haushaltungen, die in 825 Wohnhäusern wohnten.- Am 13. Januar fand unter Leitung von Bürgermeister Baars und Hinzuziehung von Vertretern aus Handwerk, Handel, Gewerbe und sonstigen Organisationen eine vorbereitende Besprechung statt für die Hundert Jahrfeier Friedrichrodas als Kurort.. Auf der hiesigen Rodelbahn erfolgte am 24.Januar die Austragung der Thüringer Rodelmeisterschaft für 1937.–

Am 5.Februar fand in Hotel Deutscher Hof eine grosse öffentliche Ratsherrensitzung statt, an der Staatsrat Busch, Landrat Ministerialrat Dr. Guyet, Regierungsrat Dr. Umbreit, Kreisinspektor Angermüller und zahlreiche einheimische Volksgenossen teilnahmen. Bürgermeister Baars gab einen ausführlichen Rechenschaftsbericht über das vergangene Jahr 1936 und einen Ausblick über die bevorstehenden Arbeiten des Jahres 1937. In dem Bericht wurden u.a. erwähnt: “ Übernahme der Straße vom Bahnhof Reinhardsbrunn bis zur Staatsstraße , Verlängerung des Vertrages mit der Thüringer Gasgesellschaft, Verbesserung der Straßenbeleuchtung,

Friedrichroda an der Spitze der Thüringer Kurorte, die Wohlfahrtslasten 1936, die Finanzverwaltung im Spiegel der Statistik. Zum Ausklang seines etwa 3 1/2 stündigen, eindrucksvollen Berichtes bemerkte Bürgermeister Baars, dass es mit Friedrichroda langsam aber sicher aufwärts gehe, wenn der Weg zwar auch noch sehr mühevoll sei.– Nach einer städtischen Bekanntmachung vom 16. Februar wurden die Engelsbacherstr. 2; 4; und 6 Friedrichsplatz  unter Nr. 20,22 und 24 einverleibt. Der Weg am Reinhardsberg in Verlängerung des Burchardsweges erhält die Bezeichnung “ Kammerecker-Weg“ zum ehrenden Andenken an den Ehrenbürger Friedrichrodas Kommerzienrat Kammerecker aus München.  Am 28. Februar fand zum 15.Male der Schi-Rennsteiglauf Oberhof Friedrichroda statt.

Die zweite Ratsherrensitzung am 15. März stand im Zeichen der Vorbereitungen zur Jahrhundertfeier. Die sich wirtschaftlich bessernde Lage Friedrichrodas war aus dem 3. Nachtrag zum Haushaltsplan zu ersehen. Langwierige Verhandlungen führten zu einem Grundstücksaustausch mit der Herzoglichen Vermögensverwaltung. Die Stadt übernahm das gesamte Gelände des Sportplatzes mit dem Schwimmbad. ein Wiesengrundstück (Puschkin Park), den Herzogsweg vom Hotel Herzog Ernst bis zum Ortsausgang, den Burgweg, das Oberbüchig innerhalb des Ortsbereiches, den Fußweg nach dem Bahnhof Reinhardsbrunn und den Weg Am Klosterberg. Die Herzogliche Verwaltung bekam im Grunde eine Parzelle von 9.90 ar und RM 1.000.- Barzahlung. Folgende Bauvorhaben sollen noch im Jahre 1937 ausgeführt werden: Pflasterung der oberen Karlstrasse und des Finsterbergerweges, Erneuerungsarbeiten in der Turnhalle und Instandsetzung der Straßendecke des Herzogsweges und der Alexandrinenstrasse. Ernste Sorge macht die immer dringlicher werdende Erneuerung des Wasserleitungsnetzes. Grosse Aufgaben und Ausgaben stehen für das Rechnungsjahr 1937 bevor, vor allem unvorhergesehene, außerplanmäßige Arbeiten, die bedingt werden, indem vor der Machtergreifung manche Ausgabe eingespart werden musste, und man kann deshalb immer noch nicht von einer vollkommen gesicherten Finanzbasis Friedrichrodas sprechen.– Ende März nahm die hiesige Postverwaltung einen Jubiläumsbriefstempel in Gebrauch mit der Inschrift: Friedrichroda 1837/1937. Heilklimatischer Kurort 1. Thür Wald, 100 Jahrfeier, Festwoche vom 22. -28.7. 1937″.

Der 19. und 20.Juni brachte für Friedrichroda einen Massenbesuch durch den  hier stattfindenden Kreistag für Gotha Stadt und Gotha-Land.

Leider kam ein furchtbares Unwetter zur Entladung und die für den Abend vorgesehene Festfolge auf dem Sportplatz konnte nicht durchgeführt werden.

Am 1. April besuchten die hiesige Volksschule 250 Knaben und 258 Mädchen, zusammen 508 Kinder.– In der Ratsherrensitzung vom 9.April wurden die einzelnen Kapitel des Haushaltsplanes 1936/37 durchgesprochen, der im ordentlichen Teil mit RM 892 051.- und im außerordentlichen Teil mit RM 129 112.- abschloss. Der ausgeglichene Haushaltsplan fand die einstimmige Zustimmung der Ratsherren. Der Feiertrag der Arbeit brachte am 1. Mai den üblichen Festzug aller Organisationen mit einer Schlusskundgebung auf dem Leo Schlageter-Platz und am Abend eine Veranstaltung der NSG-Kraft durch Freude“ unter dem Motto „Freut Euch des Lebens“. -. Mit dem 1. Mai wurde die, nur noch von 14 Schülern besuchte Mittelschule aufgelöst. Die beiden noch bestehenden Klassen wurden der Realschule Waltershausen eingefügt. Damit hat eine schulische Entwicklung, die auf mehrere Jahrzehnte zurückblicken konnte, ihren endgültigen Abschluss gefunden. Die ursprünglich als Höhere Privatschule geführte Anstalt wurde nach dem Weltkriege als staatliche Realschule anerkannt und später zur Oberrealschule ausgebaut. Doch schon nach wenigen Jahren musste infolge Schülerrückganges der Abbau zur Realschule erfolgen, die dann wiederum nach einigen Jahren in eine Mittelschule umgewandelt werden musste.–

In den Abendstunden des 24.Juni ging über Friedrichroda ein furchtbares Gewitter nieder mit einem Niederschlag, wie er seit Jahren nicht beobachtet wurde. Von der hiesigen Dienststelle des Reichsamtes für Wetterdienst wurden während und nach dem Gewitter innerhalb von 12 Stunden 62,3 Liter Regen auf den Quadratmeter gemessen. Die Höhe dieses Quantums kann man sich vorstellen, wenn man bedenkt, dass in den letzten 40 – 50 Jahren die jährliche Niederschlags-Durchschnittsmenge nur 900 Liter betragen hat, das heißt also, dass bei dem Gewitter ein Fünfzehntel des gesamten normalen Jahresniederschlages innerhalb 12 Stunden niedergegangen ist.– In der Ratsherrensitzung vom 30. Juni gab Bürgermeister Baars einen ausführlichen Bericht über die fortschreitende kommunalpolitische Entwicklung Friedrichrodas. Der Bericht über weitragende städtische Finanzmaßnahmen ließ erkennen, dass planmäßig und zielbewusst nicht nur an der Verschönerung des Stadtbildes, sondern auch an der Besserung der Finanz- und Wirtschaftslage gearbeitet wurde. Aus dem Bericht über die Rechnung 1936 ist zu erwähnen, dass dieselbe in ihrer außerordentlichen Rechnung mit RM 100.909.- in Einnahme und Ausgabe abschloss. In der Rechnung waren eine Anzahl wesentlicher Projekte verankert, wie z. B. Ausbau der Schwimmbad- und Goethestraße, Fertigstellung der Feuermelder Anlage, Kläranlage und verschiedene Grundstücksverkäufe. Beanstandungen und Einwendungen gegen die Rechnung wurden seitens der Ratsherren nicht erhoben. Der i. Nachtrag zum ordentlichen Teile des Haushaltsplanes 1937 brachte eine unwesentliche Erhöhung. Im außerordentlichen Haushaltsplan ist bemerkenswert die Aufnahme eines neuen Darlehens von RM 175.000.- bei der Volksfürsorge A, G. Hamburg. Es handelt sich dabei um keine Neuverschuldung, sondern um eine Umschuldung. Durch das Darlehen soll die Ablösung von 16 Einzeldarlehen, die bisher mit 5 und 6 Prozent verzinst und teilweise in erheblicher Höhe getilgt werden mussten, erreicht werden. Bei der Verzinsung des neuen Darlehens von 4 3/4% und 2% Tilgung würden rund RM 6000.- jährlich eingespart werden können. Die Ratsherren nahmen zustimmend von dem Bericht des Bürgermeisters Kenntnis und gaben ihrer Freude und Genugtuung darüber Ausdruck, daß es Bürgermeister Baars gelungen sei, diesen Erfolg für Friedrichroda zu erzielen.

Der Juli stand im Zeichen der Hundert Jahrfeier Friedrichrodas als Kurort. Als Anlage A/35 – A/37 liegen Festschrift der städtischen Kurverwaltung, 5 Festabzeichen und die Festausgabe der Friedrichrodaer Zeitung bei. Außerdem zeigen die Anlagen A/B/34 – 39 Bilder vom Trachtenumzug. Für die Festwoche vom 22. – 28. Juli 1937 lag folgendes Festprogramm vor:

Donnerstag, den 22. Juli

6 Uhr                    Einläuten der Festwoche, Wecken durch die Kurkapelle.

10 Uhr                  Festakt im Kurhaussaale, Begrüßung der Ehrengaste, Ehrenbürger, Ansprachen, anschließend Gang zum Pertheshaus und Perthesgarten, daselbst Enthüllung der Perthesplakette am Denkmal.

18.30 Uhr             Eröffnung der Heimatkunst-Ausstellung in der Turnhalle,

16.00 Uhr             Konzert im Kurhaus, 20.15 * Festkonzert im Kurhaus mit namhaften Solisten und verstärktem Kurorchester,

Freitag, den 23. Juli

8.00 Uhr               Beginn des Tennis Turnieres,

11.00 Uhr             Konzert im Kurhausgarten,

15.00 Uhr             Schwimmfest für Kurgäste im Städtischen Schwimmbad,

20.15 Uhr             Veranstaltungen in sämtlichen Lokalen der Stadt.

Sonnabend, den 24. Juli

8.00 Uhr               Fortsetzung des Tennisturniers,

11.00 Uhr             Konzert am Wilhelmsplatz,

16.00 Uhr             Konzert im Schloßparkhotel Reinhardsbrunn,

20.30 Uhr             Reichsverband.- Tanzturnier um die Meisterschaft von Mitteldeutschland

Sonntag, den 25. Juli

8.00 Uhr               Fortsetzung des Tennisturniers

9.15 Uhr               Sportveranstaltung der SA.Standarte 95 für Leichtathletik auf dem Sportplatz, Kleinkaliberschießen.

11,30 Uhr             Vokalkonzert der Männergesangvereine und Massenchöre

                             der Gruppe Reinhardsbrunn.

14,00 Uhr             Großer Trachtenumzug und Volksfest auf dem Sportplatz.

20,15 Uhr             Thüringer Kirmse im Kurhaus mit Ausschießen der 100 Jahr Scheibe, Preisverteilung für Schwimmfest, Leichtathletik, Kleinkaliberschießen.

Montag, den 26.Juli.

9,30 Uhr               Gemeinschaftlicher Ausflug.

16,00 Uhr             Konzert im Kurhaus,

20,15 Uhr             Kammermusik-Abend mit Solisten und Kurorchester in historischen Kostümen.

Dienstag, den 27.Juli.

9.30 Uhr               Fahrt in den Thüringer Wald mit geschmückten Pferdewagen,

16,00 Uhr             Konzert des Musikzuges der SA-Standarte 95, Gotha,

20,15 Uhr             Konzert des Musikzuges der SA-Standarte 95. Höhenbeleuchtung und Illumination der Stadt.

21,00 Uhr             Lampionumzug für Kinder unter Vorantritt der Kurkapelle.

22,00 Uhr             Feuerwerk auf dem Schwimmgelände.

Mittwoch, den 28. Juli.

11,00 Uhr             Konzert im Kurhausgarten,

14,15 Uhr             Kinderfestzug und anschliessend Kinderfest auf der Gottlobswiese

20,30 Uhr             Bunter Abend mit Übertragung durch den Reichssender Leipzig und grosse Schlussveranstaltung in sämtlichen Räumen des Kurhauses.

Die Anführung des vorstehenden Festprogramms erübrigt jeden Einzelbericht, denn Beschreibungen jeder einzelnen der vielen Veranstaltungen würden Seiten unserer Heimatgeschichte füllen. Die Ausschmückung der Stadt wurde von unseren Kurgästen und den vielen anderen auswärtigen Gästen immer wieder lobend anerkannt. Viele Menschen besuchten in jener Woche Friedrichroda, so wurde nur allein der Besuch zum Heimatfest am Sonntag auf ungefähr 15.000 Personen geschätzt. Sogar zu nächtlicher Stunde stellten sich unzählige Besucher ein, denn das Feuerwerk am Dienstagabend 22 Uhr wurde von abertausend von Zuschauern aus nah und fern bewundert. Sämtliche Veranstaltungen standen im Zeichen eines ausgezeichneten Besuches und die Hundertjahrfeier war im besten Sinne des Wortes eine Werbung für den hundert jährigen Kurort Friedrichroda.

Mit dem Bericht des Jahres 1937 schließen die einzelnen, zusammenhängenden Jahresberichte unser Ortsgeschichte.

Einhundertsiebenunddreißig Jahre Friedrichrodaer Geschichte umfassen die vorstehenden Berichte. Sie schildern den wertvollsten und interessantesten Teil der Geschichte unseres Stadtgeschehens. Was ist während dieser Jahre aus dem alten Bleicherstädtchen des Jahres 1800 geworden ? Menschengenerationen sind während dieser Zeit gekommenen und auch wieder gegangen, sie leben kaum noch in der Erinnerung der Nachkommen. Arme wurden in der Aufstiegzeit wohlhabend, wohlhabende wurden wiederum arm,- doch daran denkt man nicht mehr. Tüchtige und weniger tüchtige Stadtväter bemühten sich nach ihren zeitgemäßen Anschauungen um das Wohl der Stadt,- man spricht heute nicht mehr von ihnen, sie sind vergessen. Tausende leidender Menschen suchten und fanden hier Erholung und Heilung – man kennt sie nicht mehr. Kommunalpolitische Streitigkeiten brachten Hader und Feindschaft in die Familien-, auch das ist längst wieder vergessen.

Wenn sich die Menschen an Geschehnisse der älteren Zeiten nicht mehr erinnern können, so kann man sich darüber nicht ohne weiteres abfällig äußern.